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Wien kurbelt Zubau an

Stammersdorf ist ein eher ruhiges Fleckchen. Obwohl der Ort seit 1938 zu Wien gehört, blieb der ländliche Charakter erhalten. Zwischen den vielen Weinbergen lässt es sich ruhig leben. Wer hätte schon geahnt, dass gerade in dieser Idylle etwas Revolutionäres passiert.

Bis Roman Weigl, Planer von Heizungs- und Lüftungsanlagen, den Auftrag bekam, hier das Wärmekonzept für ein neues Mehrfamilienhaus umzusetzen. Das Gebäude war ohnehin schon ein Vorzeigeprojekt in dem fast 1.000 Jahre alten Örtchen. Denn neben einer modernen Architektur hatten die Planer den Bau einer Photovoltaikanlage mit 29 Kilowatt Leistung vorgesehen.

Doch was machen mit dem Solarstrom? Ihn vor Ort an die Mieter zu liefern ging nicht. Denn das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) war so sperrig, wie es der Titel vermuten lässt. Darin war zum Zeitpunkt der Planung des Gebäudes noch festgelegt, dass der produzierte Solarstrom komplett ins Netz eingespeist werden muss. Im Falle des Gebäudes in Stammersdorf waren das immerhin jedes Jahr 28.000 Kilowattstunden.

Dafür bekommt der Anlagenbetreiber über 13 Jahre hinweg eine Einspeisevergütung, wenn er sich rechtzeitig bei der Ökostromabwicklungsstelle (Oemag) in Wien anmeldet und zum Zuge kommt, bevor der nicht gerade üppig gefüllte Fördertopf leer ist. Ein direkter Verbrauch durch die Mieter war nicht zugelassen. Dabei könnte die Anlage rein rechnerisch fast den kompletten Strombedarf des Gebäudes von etwa 30.000 Kilowattstunden im Jahr abdecken.

Das ElWOG ließ aber zwei kleine Lücken offen. Zum einen durfte der Strom für die allgemeine Hausversorgung direkt verbraucht werden. Dazu gehören die Gang- und Kellerbeleuchtung und der Aufzug. Das war für die große Solaranlage auf dem Dach allerdings zu wenig.

31 Prozent Eigenverbrauch

Eine zweite Möglichkeit war, den Solarstrom einfach zur Wärmeversorgung zu nutzen. Denn die Energie für Warmwasser und Heizung kann schon lange durch den Vermieter geliefert werden. Das Planerteam um Roman Weigl hat sich diese Variante zunutze gemacht, um einen großen Teil des Stroms direkt im Gebäude zu verbrauchen.

Das Haus bekam eine Wärmepumpe mit Speicher. Diese versorgt alle 25 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 2.460 Quadratmetern und einem großen Geschäftslokal im Erdgeschoss mit Heizwärme und Warmwasser. Sie wird komplett mit dem Solarstrom vom Dach betrieben. Um den Heizungsbedarf zu senken, wurde zusätzlich eine kontrollierte Wohnraumbelüftung installiert.

Auf diese Weise wird ein Eigenverbrauch von immerhin 31 Prozent erreicht. Den überschüssigen Strom speist der Betreiber der Anlage in das Netz von Wien Energie ein und bekommt dafür vom Versorger der Hauptstadt sechs Cent pro Kilowattstunde. Um das gesamte Modell wirtschaftlich zu ermöglichen, hat der Magistrat von Wien über einen Fördervertrag 29.500 Euro dazugegeben.

Gemeinschaftsanlagen erlaubt

Inzwischen hat sich die Gesetzeslage geändert. In Zukunft wird es in ganz Österreich einfacher sein, Sonnenstrom direkt in Mehrfamilienhäusern zu nutzen. Denn nach dreijährigem Ringen hat die Politik in Wien endlich die längst überfällige Novelle der Ökostromgesetzgebung verabschiedet, die jetzt in Kraft getreten ist. Damit beendet sie das Regime der Einspeisung von Solarstrom und lässt die Belieferung von Mietern mit Solarstrom zu. Die neuen Regelungen gehen sogar so weit, dass auch Gewerbebetriebe mit dem vor Ort produzierten Strom beliefert werden können.

Damit eröffnen sich für die österreichische Photovoltaikbranche ganz neue Möglichkeiten, weitere Geschäftsmodelle umzusetzen, die in den Nachbarländern längst gang und gäbe sind, auch wenn die Regelungen noch nicht perfekt sind. Doch immerhin ist der Betrieb von sogenannten gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen erlaubt. Das bedeutet, dass die Hausbewohner einen ideellen Anteil an der Anlage bekommen, den sie beim Auszug wieder abgeben können. Allerdings müssen sie die Anlage nicht selbst betreiben, sondern können einen Betreiber benennen, der dann für die Netzgesellschaft der Ansprechpartner ist.

Die jeweils ideellen Anteile an der Anlage müssen vertraglich geregelt werden. In einem sogenannten Errichtungs- und Betriebsvertrag muss festgelegt sein, wie ein Mieter aus der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage aussteigen oder ein neuer Mieter einsteigen kann. Der Vertrag umfasst auch die gesamten Regelungen, wie die laufenden Kosten für den Betrieb der Anlage wie Wartung und Reinigung sowie die Erträge aus dem Generator auf die einzelnen Beteiligten verteilt werden.

Freie Wahl des Stromanbieters

Auf diese Weise ergibt sich der Preis für den Solarstrom. Außerdem muss im Vertrag genau festgelegt werden, unter welchen Bedingungen ein Hausbewohner aus dem Projekt aussteigen kann, das von der Hausgemeinschaft selbst finanziert wurde. Das wird vor allem bei Gebäuden mit Eigentumswohnungen relevant. Mieter beteiligen sich in der Regel finanziell nicht an einer solchen Anlage.

Das ElWOG regelt auch die technische Umsetzung. So muss die Solaranlage an die Hauptleitung des Gebäudes angeschlossen werden. Es ist auch die Versorgung von Gebäudekomplexen mit einer Photovoltaikanlage möglich. Voraussetzung ist, dass der vor Ort verbrauchte Strom nicht durch das Verteilnetz fließt. Die Messung und Abrechnung der gesamten Strommengen im Gebäude übernimmt der Netzbetreiber, der auch die Hoheit über die Zähler behält.

Das gesamte Zählerkonzept muss so angelegt sein, dass die Hausbewohner weiterhin den Stromlieferanten frei wählen können. In der Regel bietet sich deshalb ein Summenzählermodell an. Da durch diese Zählerstruktur kein technischer Umbau notwendig ist, wenn die Mieter aus der Solarstromlieferung aussteigen, bleibt die freie Anbieterwahl gewährleistet.

Verteilung vertraglich geregelt

Bei diesem Modell misst ein Zähler hinter der Solaranlage den Ertrag des Generators, der in die Hauptleitung eingespeist wird. Ein zweiter Zähler misst sowohl den ins Verteilnetz eingespeisten als auch den von dort bezogenen Strom – jeweils separat. Die Differenz zwischen beiden Werten ist der im Gebäude verbrauchte Solarstrom. Dieser kann mittels intelligenter Zähler im Viertelstundentakt genau gemessen und damit einem konkreten Hausbewohner zugeordnet werden.

Der Netzbetreiber ist deshalb verpflichtet, solche intelligenten Zähler innerhalb von sechs Monaten zu installieren. Ist das nicht möglich, muss er den im Gebäude verbrauchten Solarstrom auf die einzelnen Wohn- und Gewerbeeinheiten aufteilen. Wie die jeweilige Aufteilung erfolgt, vereinbaren die Teilnehmer am Mieterstromprojekt vorher. Damit diese Aufteilung der Strommengen nicht neu verhandelt werden muss, wenn ein Hausbewohner aus der gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage aussteigt oder sich neu beteiligen will, wird dieser Fall vorher im Errichtungs- und Betriebsvertrag geregelt.

Eigenverbrauch berücksichtigt

Die Solarstrommengen, die der Netzbetreiber keiner Wohn- und Gewerbeeinheit zuordnen kann, gelten als ins Verteilnetz eingespeist. Diese bekommt der Anlagenbetreiber vergütet und gibt die Vergütung auf Basis des vorher vertraglich geregelten Verteilschlüssels über die Kosten und Ertragszahlungen an die Teilnehmer des Mieterstromprojekts weiter.

Wie hoch diese Vergütung ausfällt, muss der Betreiber der Solaranlage vorher mit dem Stromhändler vereinbaren, der den Vertrieb der eingespeisten Energie übernimmt. Dies wird dann vertraglich geregelt.

Ob der Bau von Photovoltaikanlagen in Österreich mit diesen Regelungen Fahrt aufnimmt, bleibt abzuwarten. Schließlich steht hier noch die Begrenzung des steuerfreien Eigenverbrauchs auf 25.000 Kilowattstunden pro Jahr im Weg. Doch einen kräftigen Schub für den Markt in der Alpenrepublik erwartet der Photovoltaikverband PV Austria aufgrund des größeren Fördertopfes und der veränderten Unterstützungsregelungen.

Denn mit der Änderung des Ökostromgesetzes reagiert Wien auf die veränderten Marktbedingungen. „Die Parameter haben sich in den vergangenen Jahren geändert“, sagt Hans Kronberger, Präsident von PV Austria. „Früher war es wirtschaftlich, den gesamten Strom für eine Vergütung von 27 Cent pro Kilowattstunde ins Netz einzuspeisen und ihn für 20 Cent pro Kilowattstunde vom Versorger zurückzukaufen. Doch heute mit einer Einspeisevergütung von 7,91 Cent pro Kilowattstunde ist das nicht mehr sinnvoll.“

Inzwischen sind vor allem Anlagen mit einem hohen Eigenverbrauchsanteil wirtschaftlich. Dieser wird bei der Vergabe der Förderung durch die Oemag künftig mitberücksichtigt. Der Anlagenbetreiber muss auf dem Antragsformular angeben, wie viel Solarstrom er selbst verbraucht. Dieser Anteil wird dann von der Förderung, die für ihn reserviert wird, abgezogen, sodass mehr Betreiber eine Unterstützung bekommen können. Allein dadurch rechnet PV Austria mit einem Anstieg des Zubaus.

Neun Millionen Euro mehr

Dazu kommt noch, dass Wien den Fördertopf üppig aufgefüllt hat. Zu den bisherigen acht Millionen, die über die Oemag als Kombination aus Einspeisevergütung und Investitionszuschuss verteilt werden, kommen ab dem nächsten Jahr zusätzlich 15 Millionen Euro. Davon sind mindestens neun Millionen Euro für den Bau von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung zwischen einem und 500 Kilowatt reserviert.

Der Hausbesitzer oder Gewerbetreibende bekommt für die Installation eines Generators mit einer Leistung von 100 Kilowatt einen einmaligen Investitionszuschuss von 250 Euro pro Kilowatt. Ist die Anlage größer, sinkt der Investitionszuschuss auf 200 Euro pro Kilowatt installierter Leistung. Allerdings ist die Förderung in beiden Fällen auf maximal 30 Prozent der Investitionskosten gedeckelt. Wie auch bei der bisherigen Förderung muss der Investor den Förderantrag vor dem Bau der Anlage stellen. Danach hat er immerhin ein Jahr Zeit, den Generator errichten und ans Netz anschließen zu lassen.

Erste Speicherförderung steht

Mit dem Inkrafttreten des neuen Ökostromgesetzes bekommt Österreich zudem zum ersten Mal eine bundesweite Förderung zum Bau von Solarstromspeichern. Bisher sind hier einige Bundesländer vorgeprescht. Jetzt steht der Rest der 15 Millionen Euro zusätzlicher Fördermittel zur Verfügung, die nicht für die Photovoltaik eingesetzt werden. Entscheidet sich ein Anlagenbetreiber für einen Speicher, bekommt er 500 Euro für jede Kilowattstunde Speicherkapazität als Investitionszuschuss.

Voraussetzung ist, dass der Betreiber mindestens 0,5 Kilowattstunden Speicherkapazität pro Kilowatt installierter Solarstromleistung montieren lässt. Die Obergrenze liegt bei zehn Kilowattstunden Speichervolumen pro Kilowatt installierter Photovoltaikleistung.

Allerdings bezahlt die Oemag maximal 45 Prozent der gesamten Investitionskosten für den Speicher. Die gesamte Antragstellung und Abwicklung der Förderung erfolgt dabei genauso wie die für Photovoltaikanlagen.

An der großen Reform arbeiten

Nachdem sich die Regierungsparteien lange sehr schwer getan haben, überhaupt die kleine Novelle umzusetzen, ist es umso erstaunlicher, was jetzt herausgekommen ist. „Wir erwarten für das Jahr 2018 einen Ausbauzuwachs von circa 25 Prozent beziehungsweise 40 bis 50 Megawatt“, sagt Hans Kronberger. Für den Branchenverband ist das aber nur eine Etappe auf dem Weg zu einer neuen Gesetzgebung für Ökostrom „Jetzt gehen wir daran, an der großen Reform zu arbeiten“, kündigt der PVA-Präsident schon mal an.

Er fordert schon lange den Umstieg auf eine reine Investitionsförderung. Die Mittel, die jedes Jahr für die Einspeisevergütung ausgegeben werden, könnte die Oemag als Einmalvergütung ausschütten. Damit würden mit der gleichen Fördersumme mehr Anlagen gebaut und der Markt angekurbelt.

Dadurch sinken die Preise schneller, und innerhalb von wenigen Jahren braucht die Photovoltaik keine Förderung mehr. „Unser oberstes Ziel ist die Marktfähigkeit“, begründet Hans Kronberger den Vorschlag eines Umstiegs auf die Investitionsförderung.

www.pvaustria.at

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