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Kohleausstieg: Die Proteste sind legitim — und notwendig

In Hambach steht ein Urwald zur Abholzung, trotz gerichtlicher Intervention durch Umweltverbände.

Den Flurfraß gut abgesichert

Doch RWE hat den Flurfraß seiner Bagger juristisch abgesichert. Die Besetzung des Tagebaus durch rund 2.000 friedliche Aktivisten von „Ende Gelände“ war zwar durch die Gesetze nicht gedeckt, aber trotzdem legitim. Mehrere Hundertschaften der Polizei waren vor Ort, um die Blockaden aufzulösen. Die Sache lief friedlich ab, dennoch musste RWE einige Bagger abschalten.

Ziviler Ungehorsam ist das Mittel der Stunde. Denn es gibt ein höherstehendes Recht, ein Recht, das unantastbar über den Paragrafen steht: Dazu gehören das (Kirchen-)Asyl oder der Mundraub. Dazu gehören die Notwehr und neuerdings das Aufbegehren der Menschen gegen untätige Politiker. Philosophen bezeichnen es als Naturrecht, Juristen halten es für illegal. Ist es auch, formal gesehen. Aber die notwendigen Veränderungen kommen niemals in die Welt, wenn wir auf Staatsanwälte und Richter warten.

Ein legitimer Protest

Sich gegen die überkommene Ausbeutung der Natur zur Wehr zu setzen, ist legitim. Das ist genauso legitim wie 1989, als in Leipzig und Dresden Tausende das Versammlungsverbot ignorierten, gegen geltendes Recht verstießen. Es ist genauso legitim wie der Protest in Gorleben und Wackersdorf, seinerzeit in den Siebzigern und Achtzigern – bis heute. Denn das Recht auf ein Dasein in Würde steht über allen Paragrafen: Es ist der Verfassungsgrundsatz, der menschliche Zivilisation überhaupt ermöglicht.

Dieses Dasein in Würde ist akut gefährdet: Durch die radioaktiven Gefahren der Atomkraft, durch die rauchenden Schlote am Rhein. Nach Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima darf beispielsweise das belgische Atomkraftwerk von Tihange – nachgewiesener Maßen ein Schrotthaufen – einfach weiterlaufen.

Ungesühnte Verbrechen – in aller Öffentlichkeit

Dass der französische Atomkonzern Areva rund 400 Bauunterlagen gefälscht hat, ist bekannt. Was ist passiert? Nichts! In Tihange und Flammanville laufen die Schrottmeiler weiter, das geben die Gesetze in Belgien und Frankreich nun mal her. In Deutschland wäre es nicht anders. Muss erst mitten in Europa ein Meiler hochgehen, bis die Politiker aufwachen? Wofür haben wir eigentlich die EU, wenn solche Verbrechen ungesühnt bleiben? Die Konstruktionspläne eines AKW zu fälschen, ist ein Verbrechen – dessen Folgen niemand abzuschätzen vermag.

Es ist ein Verbrechen wie die Manipulation von Abgaswerten bei Dieselfahrzeugen. Das wird durch deutsche Politiker verharmlost und unverblümt gedeckt. Ebenso ist es mit den Kohleschloten von RWE. Sie trotz ihrer Emissionen am Netz zu lassen, ist eine Riesensauerei. Eigentlich sind die Kohlekraftwerke am Ende, der ganze Kohlebergbau ist am Ende – überlebt, überholt, überflüssig.

Reinen Wein einschenken

Bei der jüngsten Bundestagswahl schnitt die AfD in den Hochburgen der Kohlekumpel am besten ab. Denn niemand schenkt ihnen reinen Wein ein. Die Energiewende ist keine versponnene Idee von Mittelklassegrünen. Sie ist eine industrielle Notwendigkeit, wenn Wohlstand und Zivilisation überhaupt eine Zukunft haben sollen. Ohne Strom aus Sonne und Wind ist das unmöglich, nicht bei sieben oder zehn Milliarden Menschen auf der Welt. Da haben Torf, Holz, Kohle, Öl, Gas oder Uran als Brennstoffe keinen Platz.

Doch weil die verantwortlichen Politiker schweigen, gibt es eine Pflicht zum Widerstand. Die Civitas, die Gemeinschaft von Bürgern, braucht diesen Widerstand, wo der Staat versagt. Und dass der Staat, dass die politischen Eliten in der Energiewende versagen, das liegt auf der Hand.

Ein Viertel bis ein Drittel der Emissionen

Schätzungen besagen, dass die rheinischen Kohlemeiler rund ein Viertel bis ein Drittel der deutschen Kohlendioxidemissionen verursachen. Dennoch hat Hannelore Kraft (SPD) daran festgehalten, ebenso hält der neue Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) daran fest. Sigmar Gabriel (SPD), Brigitte Zypries (SPD), Angela Merkel (CDU) – sie alle legen die Hände in den Schoß. Wenn sie nicht gar den Kohleausstieg blockieren.

RWE ist über seine kommunalen Anteilseigner unentwirrbar mit den parteipolitischen Zirkeln in Nordrhein-Westfalen verstrickt. Dieses gigantische Unternehmen ist ein Krake, bei dem nicht mehr klar zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Interessen unterschieden werden kann. Es ist ein Zwitter aus Staat/Parteien und privaten Aktionären, wie es vergleichbares nur in der Rüstungsindustrie gibt – oder im Gesundheitswesen.

Niemand hält den Lauf der Dinge auf

Den Lauf der Zeit hält niemand auf, auch RWE nicht. Aber die Uhr tickt, und die Klimaerwärmung beschleunigt sich. Deshalb ist Widerstand unverzichtbar: Ende Gelände! Deshalb müssen die Demonstrationen weitergehen, an Macht und Wirkung gewinnen. Und deshalb müssen wir so viele Kilowatt Solarmodule wie möglich auf Deutschlands Dächer bringen. Das ist der Weg, das ist die Technik dieses Jahrhunderts. Die Kohle – sie gehört der Vergangenheit an.