Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Einer flog nach Ost, einer gen West ...

Auch wir berichten regelmäßig aus einem Irrenhaus, nämlich über die Energiewende in Deutschland. Nach der eigehenden Diagnose des jüngsten EEG, ein ziemliches Kuckucksei, dürfen wir die beteiligten Politiker als nicht therapierbar betrachten. Von dieser Seite ist nichts konstruktives mehr zu erwarten. Auch Brüssel hat nichts Besseres zu tun, als britische Atomkraftwerke erneut mit Milliarden Pfund Subventionen zu unterstützen.

Eine Wende von unten

Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, schrieb Friedrich Hölderlin vor mehr als 150 Jahren. Und trotz der Veitstänze aus den Ministerien und Ämtern treiben viele tausend Akteure die Energiewende in unserem Land voran, ungeachtet der Querschüsse aus der Politik. Jeden Tag arbeiten sie für Photovoltaik, für Biogaskraftwerke, für Windrotoren und regenerative Konzepte zur Wärmeversorgung. Die Elektromobilität nimmt sprichwörtlich Fahrt auf: Sie nutzt den Strom aus erneuerbaren Quellen, um Autos, Bahnen und Schiffe zu treiben. Die Abstimmung erfolgt mit Händen und Füßen: Mehr als eineinhalb Millionen Solargeneratoren gibt es bereits in Deutschland, die Zahl der installierten Solarbatterien geht in die Tausende. Die Menschen wollen sich unabhängig machen, und sie wollen die Erde auf bessere Weise hinterlassen, als sie ihnen übergeben wurde.

Ein Rückblick

So gesehen, ist die Energiewende nicht nur ein gesamtdeutsches Projekt. Sie ist auch eine Aufgabe, die über Ideologien, Anschauungen und Religionen hinweg die Menschen vereint.
Am Vorabend des Tags der Deutschen Einheit gestatten wir uns einen Rückblick: Jahrzehntelang tobte der Kampf um die ökologische Wende, in beiden Teilen Deutschlands. Der Ölschock von 1973 traf vor allem den Westen, ebenso der Disput um den Bayerischen Wald oder die Schlacht um Brokdorf.
Gebannt und bewundernd blickten die Ossis auf die machtvollen Ostermärsche gegen Atomraketen und nuklearen Genozid, die Anfang der 80er Jahre das verträumte Städtchen Bonn aus dem Dornröschenschlaf rüttelten. Der Reaktor-Gau von Tschernobyl im Jahr 1986 war bereits eine gesamtdeutsche Erfahrung, denn langsam öffnete Gorbatschow den Eisernen Vorhang. Plötzlich entbrannte auch im Osten eine Debatte um atomare Verstrahlung, um Atombomben und Atommeiler und um die Endlager.

Eine grüne Bewegung

Und dann schließlich der Aufbruch im Osten Deutschlands. Viele oppositionelle Gruppen hatten sich dem Umweltschutz verschrieben: gegen die Atombrühe vor Lubmin am Greifswalder Bodden, gegen das geplante AKW in Rheinsberg, gegen die Braunkohle in der Lausitz und den sauren Regen, gegen das geplante Siliziumwerk in Gittersee bei Dresden, den giftigen Silberschlamm aus der alten Filmfabrik in Wolfen, gegen die massenhaft an Pseudokrupp erkrankten Kinder in der Leipziger Gegend. Aus dieser Umweltbewegung kamen maßgebliche Impulse für die Bürgerbewegung, die schließlich im Herbst 1989 in machtvollen friedlichen Protesten das System zum Einsturz brachte.

Das wird heute gern vergessen, weil es unbequem ist. Der Ossi ist nicht auf die Straße gegangen, weil er westdeutsche Waschmittel und Autos wollte. Das kam erst später, in der zweiten Welle. Am Beginn der Proteste standen viele Umweltgruppen und Initiativen, die oft unabhängig voneinander agierten. Erst unmittelbar vor den großen Montagsdemonstrationen in Leipzig kamen die Kontakte zustande, entstand eine grüne Bewegung.
Nun liegt die deutsche Wiedervereinigung schon fast ein Vierteljahrhundert zurück. Mensch, wie die Zeit vergeht. Und Mensch: Wie schnell sich die Welt wandelt. Denn die Energiewende ist in allen Teilen Deutschlands voll im Gange. Niemand kann die Uhren zurückdrehen. Oder, um einen Song der ostdeutschen Kultkapelle Keimzeit zu bemühen:

Irre ins Irrenhaus,
die Schlauen ins Parlament.
Selber schuld daran,
wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt.

In diesem Sinne: Alles Gute zum Tag der Deutschen Einheit!