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Österreich wagt die Zukunft

Die Woche war voll mit Schreckensnachrichten, bad news are good news: In Australien brennt der Busch, eine Fläche so groß wie Belgien ist bereits vernichtet. Tausende Einheimische und Touristen sind auf der Flucht, werden vom Militär übers Meer evakuiert.

In Bagdad wurde der ranghöchste Militär des Iran gegrillt, von einer US-amerikanischen Drohne. Riesengezeter im Nahen Osten, alle Zeichen stehen auf Krieg.

Dagegen klangen die Meldungen aus Wien eher langweilig. Doch die neue Koalition der ÖVP unter Ex-Kanzler Kurz und den Grünen ist ein politisches Erdbeben.

Ende eines Wunschtraums

Denn es beendet alle Wunschträume, die akute Krise der Zivilisation mit ultrarechten Konzepten zu bekämpfen. Was in Deutschland die AfD, ist in Österreich die FPÖ, die seit dem Videoskandal ihres Ex-Chefs Strache abgetaucht ist. Bei den Neuwahlen wurde die FPÖ glasklar abgestraft. Das zwang die Politiker der anderen Parteien zu neuem Denken.

Dass nun eine schwarz-grüne Koalition auf dem Weg ist, zeigt, wie robust Demokratie sein kann. Sie verliert keine Zeit mehr mit Ideen von gestern, sondern wagt den Blick nach vorn. Man muss kein Prophet sein: Ausgerechnet im konservativen Österreich zeigt sich eine politische Linie, die bald auch in Deutschland auf der Tagesordnung stehen wird.

Der Kredit ist verspielt

Stehen muss, und zwar mit den Grünen an der Spitze. Das ist der Unterschied zwischen Wien und Berlin. In Deutschland haben die Unionsparteien durch die lange Regierungszeit von Angela Merkel ihren Kredit komplett verspielt, ob nun AKK, Markus Söder oder Fritze Merz als Kanzlerkandidaten antreten.

Die Grünen hingegen haben das wirtschaftsstärkste Bundesland – Baden Württemberg – bereits fest in ihrer Hand, einst die Domäne der CDU. Im Osten ist eine Regierung ohne die Grünen überhaupt nicht mehr möglich, wenn man die AfD draußen halten will. Und mit Robert Habeck hat die Partei einen Frontmann, der als Kanzler durchaus über Parteigrenzen hinweg akzeptabel ist.

Wie lange hält die Groko?

Die Frage ist eigentlich nur, wie lange die unsägliche Groko in Berlin noch hält. Das neue Führungsduo der Sozialdemokraten war als neue Besen angetreten, die bekanntlich gut kehren. Herausgekommen ist ein Rohrkrepierer, diese SPD wird bei der nächsten Wahl jämmerlich untergehen. Sie muss untergehen, weil ihre Politik von gestern ist. Erneuerung – wenn überhaupt – ist nur in der Opposition und durch eine Fusion mit den Linken möglich.

So bleiben nur die Grünen als Partner einer demokratischen Regierung, denn sie verknüpfen ökologische, ökonomische und soziale Fragen miteinander. In Baden-Württemberg erweist sich, dass die Grünen in Wirtschaftsfragen mittlerweile eine höhere Kompetenz haben als CDU und CSU.

Ein Mammutressort für die Grünen

Auch im Berliner Senat wird das Wirtschaftsressort von einer Grünen geführt, die für ihre Politik viel Lob aus der Unternehmerschaft erntet. Und jetzt in Wien bekommen die Grünen ein neues Mammutressort für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, kurzum: Wirtschaft, Umwelt und Energie in einem Ministerium.

Grünen-Chef Werner Kogler soll als Vizekanzler für Sport, öffentlichen Dienst, Kunst und Kultur zuständig sein. Der ÖVP um Kanzler Sebastian Kurz bleiben die Ressorts für Inneres, Finanzen, Verteidigung und Außenpolitik.

Konservative besetzen klassische Politikfelder

Das sind die klassischen Politikfelder, die die Konservativen nicht aus der Hand geben wollen. Wirtschaft wurde an die Grünen abgegeben, denn dort spielt die Musik ohnehin längst in einer grünen Zukunft. Immer mehr Unternehmen beziehen ihre Energie aus erneuerbaren Quellen, erzeugen sie selbst.

Sie senken die Kosten, indem sie Abfall und Müll vermeiden und teure Hilfsstoffe wie Wasser oder versiegelte Flächen minimieren. Und sie üben Druck auf ihre Zulieferer aus, ökologische und ökonomische Standards unter einen Hut zu bringen.

Mit ihrer Kompetenz in diesen Fragen sind die Grünen den Konservativen mittlerweile weit, weit voraus. Sebastian Kurz sieht im neuen Koalitionsvertrag „das Beste aus beiden Welten“, und er tat gut daran, die Grünen auf diese Weise einzubinden – mit ihren ureigenen Kompetenzen.

Die Grünen wiederum waren clever genug, einige Forderungen der Konservativen zur Migrationspolitik, bei der geplanten Sicherungshaft oder dem Kopftuchverbot an Schulen zu akzeptieren. So konnte Kurz verkünden, man wolle gemeinsam „Klima und Grenzen schützen“.

Ab 2030 vollgrüner Strom

Bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden. Dafür kündigte die neue Koalition ein Klimaschutzgesetz an, das einen konkreten Zeitplan für den Ausstieg aus dem Kohlendioxid vorlegen soll. Schon in zehn Jahren – bis 2030 – soll der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen.

Geplant sind höhere Förderung und Ausbau der Bahnstrecken und des öffentlichen Nahverkehrs. Und: Alle neuen Gesetze werden fortan einem Klimacheck unterzogen, um ihre Auswirkungen aufs Klima zu bewerten. Trotz der angekündigten Investitionen will Österreich keine neuen Schulden aufnehmen.

Wir werden es erleben

Wir werden es erleben: Das klappt. In Österreich haben sich die wichtigsten demokratischen Kräfte – der Bewahrung des Erreichten und der grünen Zukunft – zusammengerauft. Technisch ist das ambitionierte Regierungsprogramm machbar, die Technologien für eine klimafreundliche Zukunft stehen bereit. Geld ist genug vorhanden, Österreich ist ein reiches Land.

Nun gilt es, die Hürden für die grüne Zukunft abzubauen. Die Politik muss die ökologische Krise endlich als Chance verstehen. Als Chance zur Modernisierung und als soziale Chance, um die Lebensbedingungen der Menschen weiter zu verbessern.

Denn nur darin liegt der Sinn von Politik, will sie demokratische Ansprüche erfüllen. Die neue Regierung in Wien ist ein gutes Signal für die Demokratie – in ganz Europa. Der gordische Knoten ist durchgehauen: Die politische Blockade der althergebrachten Kräfte fand ihr türkis-grünes Ende.