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Die SPD in Berlin: das Ende einer Liebe

In Berlin gibt es keine sogenannten Volksparteien mehr, basta Genossen! SPD und CDU erzielten Stimmenanteile, die der Linken, den Grünen und der AfD vergleichbar sind. Dass die SPD überhaupt mehr als 20 Prozent bekommen hat, ist allein Michael Müller zu danken. Er hat – zumindest teilweise – ausgebügelt, was die Groko im Bund verschlafen hat. Was sein Parteichef Sigmar Gabriel vergeigt hat. Wäre Gabriel schon bei dieser Wahl in Berlin angetreten, wäre er bereits am Sonntag untergegangen.

Ein Schreibtisch im Roten Rathaus

Müller darf seinen Schreibtisch im Roten Rathaus (ein herrliches Bild, nicht wahr!?) behalten, muss aber ein Bündnis schmieden, das die Stadt nachhaltig verändern dürfte. Zwar haben die Linken schon mit der SPD regiert, aber eine grüne Beteiligung am Senat wäre neu. Dabei sind die Bündnisgrünen fast genauso stark wie die Linke (und die SPD), das wird also eine Ménage à trois auf Augenhöhe. Interessant für uns: Die Koalition mit den Linken und den Bündnisgrünen dürfte die Sozis endlich dazu bringen, ihrer heimlichen Liebe zur Kohle, zum Ruß und zum Feinstaub zu entsagen.

So heimlich war diese Liebe nicht, denn die Berliner Groko hat sich vehement gegen die Rekommunalisierung des Stromnetzes und erneuerbare Energien gewehrt. Das ging so weit, dass der Energiekonzern Vattenfall schon während des laufenden Ausschreibungsverfahrens eindeutig bevorzugt wurde. Nun liegt die Sache bei Gericht, eine Entscheidung über den Zuschlag wurde auf nach der Wahl vertagt.

Ganz sicher hat der kategorische Imperativ der CDU in dieser Sache dazu beigetragen, dass CDU-Chef Frank Henkel das historisch schlechteste Ergebnis seiner Partei in Berlin eingefahren hat. Daran war die Kanzlerin eigentlich überhaupt nicht schuld. Denn die Flüchtlingspolitik spielte bei der Wahl in der weltoffenen Metropole Berlin kaum eine Rolle.

Berlin Energie kommt auf die Beine

Immerhin ein Resultat der vergangenen Legislaturperiode: In Berlin gibt es seit kurzem eine neue Gesellschaft, die Berlin Energie, die eigens zum Zwecke der Rekommunalisierung des wichtigsten deutschen Regionalnetzes gegründet wurde. Vorbild ist die Freie Hansestadt Hamburg. Die Hamburger Bürgerschaft war tatsächlich so frei, in einem Volksentscheid gegen Vattenfall zu stimmen. Nun verwaltet Hamburg sein Stromnetz in eigener Regie, und Vattenfall hat sich nach Schweden verabschiedet – ohne Blackout, ohne dass ein Lämpchen flackerte, ohne Untergang des Abendlandes.

In Berlin wurde der Volksentscheid ganz maßgeblich durch den früheren Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) torpediert. Selten hat man eine derart unverfrorene Masche gesehen, den Willen der Bürger zu ignorieren. Wowereit tat sich ungeheuer schwer, zumindest einen fairen Volksentscheid zu erlauben. Mit einigen zweifelhaften Tricks gelang es ihm seinerzeit, dass die Befürworter der Rekommunalisierung ihr Ziel knapp verfehlten.

Der Pyrrhussieg des Klaus Wowereit

Ein Pyrrhussieg, wie sich herausstellte. Denn mit Wowereit an der Spitze wäre die SPD bei der Wahl am vergangenen Sonntag baden gegangen, also richtig baden gegangen. Freilich, beim Urnengang spielte das Stromnetz nur eine Nebenrolle. Das Desaster am Flughafen in Schönefeld, die völlig überzogenen Polizeieinsätze gegen die Hausbesetzerszene in Friedrichshain und die wuchernden Mieten sind viel drängendere Probleme der Stadt. Michael Müller, einst Senator für Stadtentwicklung und damit für die Mietspirale voll verantwortlich, hat wenigstens die Polizei zurückgepfiffen und Berlin Energie hochgepäppelt.

Müller praktizierte einen neuen Politikstil, der sich viel mehr an den sachlichen Notwendigkeiten dieser Stadt orientierte. Weniger Glamour, mehr Business und Fakten. Nun kann der Regierende Bürgermeister zeigen, dass er wirklich zu regieren versteht. Denn es ist doch klar: Wenn das rot-rot-grüne Bündnis nicht zustande kommt, bliebe nur die rot-schwarz-gelbe Variante (mit CDU und FDP), gleichbedeutend mit Stagnation. Dann würde die SPD bei der nächsten Wahl – sicherlich nicht erst in vier Jahren – komplett durchfallen.

Die Chance, sich zu modernisieren

Müllers SPD hat nur diese eine Chance: sich zu modernisieren. Aus sich heraus hat sie es nicht geschafft, Zeit genug hatte sie. Also bedarf es nun der Hilfe von Partnern, die in manchen Themen weiter blicken und mehr Rückenwind aus der Bevölkerung haben. Dazu gehört unbedingt die Rückführung des Stromnetzes in die Hand der Stadt Berlin, mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Beide potenzielle Koalitionspartner, die Linken und die Grünen, haben ihre Unterstützung für dieses Projekt bereits bekundet.

Denn auch das hat die Berliner Wahl gezeigt: In einer weltoffenen Stadt wie Berlin ging es nicht in erster Linie um die Flüchtlinge. Sondern es ging um die soziale Schieflage, die Schere zwischen Unten und Oben, die immer weiter klafft und die soziale Mitte auseinander zu reißen droht. Es ging um die dramatisch steigenden Mieten, die sogar die sogenannten Besserverdienenden an den Stadtrand verbannen.

Schluss mit der Erpressung!

Und dazu gehören die Energiekosten, die in Berlin auch immer weiter steigen. Nicht, weil Strom und Gas immer teurer würden. Die Handelspreise an den Energiebörsen fallen. Sondern weil Monopolisten wie Vattenfall ihre Vormachtstellung ausnutzen und Millionen Berliner mit viel zu hohen Preisen erpressen. Und weil die SPD – dieses Mal in Gestalt des Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel – die EEG-Umlage durch überflüssige Investitionen in Offshore-Windkraft und teure Stromtrassen aufbläht.

Schluss mit der Erpressung! Wir haben erneuerbare Alternativen, und in Berlin haben wir Dächer und Industriebrachen (Schönefeld – kleiner Scherz!) ohne Ende. Fläche ist das neue Asset von Berlin. Die Sozialdemokraten werden nicht müde, sich in die Brust zu schlagen, als Anwalt des kleinen Mannes. Nun haben sie die Chance, diesen Anspruch tatsächlich einzulösen. Das Berliner Stromnetz gehört in die Hand der Bürger! Oder müssen wir die SPD endgültig aus ihrer Verantwortung erlösen?