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Varta prescht vor — Speichermarkt geht in die nächste Runde

Schnurstracks reift der Markt

Schnurlose Energieversorgung, und schnurstracks reift der Markt für Heimspeicher. Denn der geplante Börsengang von Varta läutet die nächste Runde im ohnehin umkämpften Speichermarkt ein. Varta will – und wird – 200 Millionen Euro einnehmen, um neue Fabriken zu bauen und Kapazitäten zu akquirieren. Im Geschäftssegment Energy Storage stehen auch Zukäufe auf der Agenda.

Varta war ein sogenannter Second Mover, ist erst spät mit Speicherbatterien für Photovoltaik aufgetreten. Das Wachstum der vergangenen drei Monate war moderat, gemessen am kometenhaften Aufstieg anderer Anbieter. Doch zwölf Prozent jährliches Wachstum sind nachhaltig, eine gute Grundlage für den nächsten Schritt. Nach anfänglichem Zögern backt Varta nun große Brötchen, und zwar richtig große: Der Vertrieb ist bereits in 75 Ländern der Welt aktiv.

DIE Batteriemarke schlechthin, historisch gesehen

Der Börsengang ist gut geplant, denn in Zeiten niedrigster Zinsen suchen die Anleger nach wertträchtigen Aktien. Varta ist DIE Batteriemarke schlechthin, historisch gesehen. Fast 130 Jahre Firmengeschichte zeigen, dass das Unternehmen schon manchen Hype und manche Baisse überstanden hat. Viel wichtiger ist jedoch die Wachstumsstrategie der Firma: Varta will die Kompetenzen in der Elektrochemie der Batterien mit der hauseigenen Kompetenz in der vollautomatisierten Fertigung verbinden. Allein 2015 liefen 900 Millionen Mikrobatterien von den Bändern, unter anderem in Ellwangen in Baden-Württemberg.

Noch werden in den Varta-Speichersystemen  Element, Home und Family asiatische Rundzellen verbaut. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Hersteller auch eigene Lithiumzellen für die Heimspeicher und die Power Packs fertigen wird. Aus den Erfahrungen bei den Mikrobatterien ruht die Zukunft auf drei Säulen: auf globalem Vertrieb, auf Vorsprung bei der Maschinentechnik für die Massenproduktion und auf der Weiterentwicklung der Energiedichte der Speicherzellen.

Strategisch mit langem Atem

Varta konstruiert seine Produktionslinien selbst, auch die komplexe Chemie der Lithiumzellen mit rund 150 Parametern wird gut beherrscht. Doch ebenso sind die Ingenieure in der aussichtsreichen Technologie der Zink-Luft-Batterien unterwegs. Dass Varta strategisch und mit langem Atem in den jungen Markt drängt, zeigt auch die Kooperation mit Volkswagen. Sie läuft im Joint Venture Varta Micro Innovation GmbH mit Sitz in Graz.

Die Zeit ist reif, der Markt ebenso. Varta prescht vor, während einige Konkurrenten bereits schwächeln. Samsung dürfte im Segment der Heimspeicher keinen Stich mehr sehen, weil die Pleite mit dem Galaxy Note 7 die Marke schwer angeschlagen hat. Auch bei den Heimspeichern oder gewerblichen Anwendungen gibt es Probleme mit der Qualität und der Performance. Wenigstens gehen sie nicht in Flammen auf. Der japanische Produzent Sony hat den Markt verlassen und die defizitäre Batteriesparte an einen Partner im Land der aufgehenden Sonne verkauft.

Ein schrumpfender Club

Der Club der Anbieter, die global agieren, wird immer kleiner. Das jüngste Ranking von EuPD Research hat ergeben, dass allein im deutschsprachigen Raum rund 60 Anbieter von Stromspeichern unterwegs sind. Doch nur fünf sind nennenswert: Sonnen, Senec, E3/DC, LG Chem und Solarwatt. Varta hatte im ersten Halbjahr den neuen Element noch nicht auf dem Markt, sicher wird das Unternehmen in kommenden Rankings eine Rolle spielen. Auch Fronius als kleinen, aber feinen Anbieter aus Österreich sollte man nicht unterschätzen, zumindest nicht in Europa.

Solarwatt ist mit Eon verbunden und hat mit dem Investor Stefan Quandt einen starken Rückhalt, finanziell gesehen. Sonnen aus Wildpoldsried hat erst unlängst 76 Millionen Euro eingesammelt, um weiter zu wachsen. Dort ist General Electric ein starker Partner, beispielsweise für die Märkte in Übersee. Auch Senec (Deutsche Energieversorgung) hat in diesem Jahr neues Geld eingeworben und den Vertrieb ausgebaut. LG Chem trat mit der neuen Resu-Serie auf, die sukzessive im europäischen Markt verfügbar ist. E3/DC hat sein Produktportfolio neu geordnet und die Preise angepasst, um weitere Marktanteile zu gewinnen. Da ist Bewegung drin, viel Bewegung.

Nimmt man Varta und Fronius aus, wird es für andere Anbieter als die oben Genannten schwer. Das mussten sogar Tesla und Mercedes-Benz lernen. Der amerikanische Hersteller hat bundesweit rund 300 Speicher installiert, grob geschätzt. Gegenüber 15.000 installierten Systemen im ersten Halbjahr sind das zwei Prozent . Irgendwie kommt das PR-Tamtam von Elon Musk bei den deutschen Solarkunden nicht an – erst recht nicht bei den Installateuren. Anders in den USA: Dort ist Tesla freilich der Platzhirsch.

Auch der Stromspeicher mit dem Stern tut sich schwer, im hiesigen Markt Fuß zu fassen. Kein Wunder: In der Elektromobilität hat Mercedes-Benz einen eher zweifelhaften Ruf, da wurde die Marke faktisch demontiert. In der Haustechnik existiert die Marke bislang gar nicht. So könnte sich die Hoffnung als trügerisch erweisen, dass der Heimspeicher bei den Installateuren und ihren Kunden ein Selbstläufer ist. Andererseits hat Mercedes offenbar erkannt, wohin die Reise geht, und nimmt nun Geld in die Hand: Der Bau einer neuen Fabrik in Kamenz ist angekündigt. Auch in Stuttgart scheinen die Bosse nun eher langfristig zu planen. Ob das beim Marketing für die Haustechnik ankommt, werden wir sehen.

Spannend ist die Frage, welche Zukäufe Varta in den Monaten nach dem Börsengang melden wird. Der Markt für Stromspeicher steht vor der Neuordnung, so viel ist gewiss. Die Anlaufphase des jungen Marktes neigt sich ihrem Ende zu. Übrig bleiben nur diejenigen Anbieter, die große Stückzahlen zu sehr günstigen Preisen fertigen und absetzen können. Die Speicher sind in der Welt angekommen. Nun beginnt das große Geschäft.