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Auf der Website von SMA lächeln dem Betrachter unter dem Menüpunkt „Aufsichtsrat“ zwölf Herren auf den Stufen vor der SMA-Zentrale entgegen. Darunter findet sich die Information, der Aufsichtsrat von SMA sei paritätisch besetzt. Das bedeutet mit jeweils sechs Aktionärs- und sechs Arbeitnehmervertretern. Paritätisch heißt in diesem Falle nicht: mit gleich vielen Frauen und Männern.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat festgestellt, dass im vergangenen Jahr der Frauenanteil in denVorständen der größten 200 Unternehmen bei lediglich 3,2 Prozent lag. 877 der insgesamt 906 Vorstandsposten sind mit Männern besetzt. In den größten 100 Betrieben sowie in den 30 Dax-Unternehmen gab es sogar nur 2,2 Prozent Frauen in Top-Positionen.

Wie es um den Frauenanteil in der Solarbranche bestellt ist, ist schwer zu bestimmen, da dies kein eigener Wirtschaftszweig im Sinne der offiziellen Klassifikation des Statistischen Bundesamtes ist. In allen Branchen mit Bezugzur Photovoltaiktechnik beträgt der Frauenanteil insgesamt rund 32 Prozent. Der für die Solarbranche so wichtige Handwerksbereich hat etwa 30 Prozent Frauenanteil, wobei die Elektro- oder Bauberufe mit 15 bis 18 Prozent nach unten ausreißen.

Die Zahlen der Statistik decken sich mit den Angaben der Unternehmen: Bosch Solar Energy gibt seinen Frauenanteil mit etwa 25 Prozent an, bei Centrosolar liegt er etwas höher, Solon erreicht sogar 39 Prozent. DerEquipment-Hersteller Centrotherm nennt einen Frauenanteil von 21 Prozent und steht damit im Vergleich gar nicht so schlecht da: Nach Angaben des Branchenverbands VDMA sind hierzulande im Bereich Maschinen- und Anlagenbau nur sieben Prozent der 912.000 Beschäftigten Frauen.

Mit diesen Zahlen lässt sich jedoch keine Aussage darüber treffen, welchen Anteil Frauen in Führungspositionen haben. Die Photovoltaikbranche ist eine noch sehr junge Branche. Was den Frauenanteil in der Führungsriege angeht, unterscheidet sie sich aber herzlich wenig von älteren Industriezweigen. Die zwölf lächelnden Herren von SMA sind da keineswegs die große Ausnahme. Sieht man sich exemplarisch die Vorstände der zehn Solarunternehmen Bosch Solar Energy, Centrosolar, Centrotherm, Conergy, Q-Cells, Roth & Rau, SMA, Solarworld, Solon und Sunways an, findet sich gerade einmal eine Frau: Marion Helmes. Die promovierte Betriebswirtin ist seit Juli 2010 Finanzvorstand bei Q-Cells.

In den Aufsichtsräten zeigt sich ein ähnlich düsteres Bild: In den zehn betrachteten Unternehmen ergibt die weibliche Quote mickrige 0,2 Prozent. Das ist noch weit unter Durchschnitt. Dem DIW zufolge liegt der Frauenanteil bei den 200 größten Unternehmen in denAufsichtsräten bei 10,6 Prozent. Ein Drittel aller großen Unternehmen hat überhaupt keine Frau im Aufsichtsrat, und das Gros der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder wird zudem von der Arbeitnehmerseite entsandt, dies ist auch bei zwei der insgesamt nur vier weiblichen Aufsichtsmitglieder der betrachteten Solarunternehmen der Fall: Bosch Solar Energy und Q-Cells.

Nur eine Aufsichtsratschefin

Centrotherm hat von den befragten Firmen mit der Professorin Brigitte Zürn die einzige weibliche Aufsichtsratsvorsitzende. Als Wirtschaftsberaterin kommt sie aus einer klassischen Männerdomäne, hat dort aber, wie sie sagt, nie Probleme gehabt. „Ich empfinde Centrotherm als sehr offen gegenüber dem Thema Frauen in Führungspositionen“, so Zürn. Bis 2007 hatte das Unternehmen mit Evelyn Hartung auch ein weibliches Vorstandsmitglied. Dass sich momentan im Vorstand von Centrotherm keine Frau finde, liege nicht daran, dass das Unternehmen nicht wolle. „Es gab einfach keine weibliche Bewerberin.“ Trauen sich die Frauen nicht oder kommen sie gar nicht auf solche Posten, von denen aus sie sich auf Führungspositionen bewerben können? Das Phänomen, weshalb die meisten hochqualifizierten Frauen beim Aufstieg innerhalb von Unternehmen oder Organisationen spätestens auf der Ebene des mittleren Managements hängen bleiben und nicht bis in die Führungsetage kommen, wird in der Wissenschaft „gläserne Decke“ genannt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft sind es Schwierigkeiten, nach einer Elternzeit wieder in den Job einzusteigen und als Mutter die Karriere fortzusetzen. Genauso sind die männlichen Netzwerke zu nennen, die Frauen davon ausschließen, in Aufsichtsräte, Vorstände und Managementpositionen aufzusteigen. Dazu kommt, dass die Solarbranche von Natur aus sehr techniklastig ist. „Wir haben eine 100-prozentige Frauenquote beispielsweise in der Personalabteilung. Leider bewerben sich aber zu wenige Frauen mit naturwissenschaftlichen oder Ingenieursabschlüssen“, sagt Torsten Knödler, PR-Manager bei Centrotherm.

Brigitte Schneider-Gmelch, studierte Physikerin und Geschäftsführerin der auf Beratung von Unternehmen im Bereich der regenerativen Energien spezialisierten SG PowerConsulting, bietetregelmäßig in Solarunternehmen den Kurs „Photovoltaik-Kompakt“ an. Den Frauenanteil in diesen Kursen beziffert sie mit der vernichtend geringen Quote von ein bis zwei Prozent.

„Aus meiner langjährigen beruflichen Erfahrung würde ich sagen, dass Frauen nur dann eine Chance gegeben wird, wenn ein akuter Fachkräftemangel herrscht. Eine Zeitlang war dies zum Beispiel in der Halbleiterbranche der Fall“, sagt Schneider-Gmelch. „Natürlich gibt es einige Frauen in Entscheidungspositionen in der Branche. Aber meist sind das Persönlichkeiten, die bereits durch ihre eigene Familiengeschichte an den Bereich herangeführt wurden.”

„Kaum weibliche Vorbilder“

Dass sich zu wenige Frauen für einen ingenieurwissenschaftlichen oder technischen Beruf interessieren, stellen auch Ulrike Röhr und Deborah Ruggieri, Autorinnen der Studie „Erneuerbare Energien – ein Arbeitsmarkt für Frauen!“ fest. Im Durchschnitt liegt der Frauenanteil bei den Ingenieursfachrichtungen Maschinenbau und Elektrotechnik bei zehn Prozent. „Viele Frauen unterschätzen leider ihre naturwissenschaftlichen Fähigkeiten, weil ihnen vielfach immer noch von Kindesbeinen an vermittelt wird, Technik sei nichts für sie“, sagt Brigitte Schulz, Vorsitzende des Arbeitskreises Ingenieurinnen beim Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik (VDE). „Dazu kommt, dass es kaum weibliche Vorbilder gibt und gerade Elektrotechnik ein langweiliges, dröges Image hat.“ Der Arbeitskreis organisiert Informationsveranstaltungen wie den „Girls Day“, um jungen Mädchen zu zeigen, dass naturwissenschaftliche Studiengänge Türöffner zu einer weiten Spanne beruflicher Möglichkeiten von Entwicklung bis hin zum Vertrieb mit guten Verdienst- und Entwicklungsperspektiven sein kann. Für Frauen, die bereits in technischen Berufen arbeiten, bietet der Arbeitskreis Coaching- und Mentoring-Programme an.

Röhr und Ruggieri nennen „die männlich dominierte Arbeitskultur als Hemmnis für die Karrieren von Frauen in der Energiewirtschaft“. Diese Arbeitskultur zeige sich unter anderem darin, dass in der traditionell männlich geprägten Energiewirtschaft selten familienfreundliche Arbeitszeitmodelle vorhandenseien – eine Grundvoraussetzung bei vielen Frauen für die Bewältigung von beruflichen und familiären Pflichten.

Solon ist dieses Thema bewusst angegangen. „Um Frauen und Männern den Anreiz zu geben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, haben wir gezielt Flexibilität in unsere Arbeitszeiten integriert und bieten Unterstützung in der Kinderbetreuung an“, sagt Sylvia Ratzlaff, Pressesprecherin des Berliner Modulherstellers. Unter der Vorraussetzung, dass die betrieblichen Belange erfüllt werden, können die Solon-Mitarbeiter – außer in der Produktion, wo dies durch den Schichtbetrieb nicht möglich ist – ihre Arbeit zeitlich selbst einteilen.

Wenn es zum Beispiel dringend erforderlich ist, dass ein Mitarbeiter aus familiären Gründen einmal in der Woche zu Hause bleiben muss, ist das möglich. Jeder Mitarbeiter ist mit einem Laptop und viele auch mit einem Handy ausgestattet, es kann also jederzeit auch von zu Hause aus gearbeitet werden.

Einen Betriebskindergarten gibt es noch nicht, wohl aber die Möglichkeit einer Kindernotbetreuung. Wenn ein Mitarbeiter kurzfristig auf eine Dienstreise muss oder anderweitig verhindert ist, übernimmt das Unternehmen die Kosten für die Betreuung der Kinder. Dabei arbeitet Solon mit einem mobilen Dienst zusammen, der über eine Hotline jederzeit und auch am Wochenende erreichbar ist. Dann kommt entweder eine Betreuungsperson nach Hause oder der Mitarbeiter kann sein Kind in eine externe Betreuung geben.

Bosch Solar gibt ebenfalls an, die Chancengleichheit stärken zu wollen, beispielsweise durch eigene Weiterbildungsprogramme für Frauen wie Mentoring-Programme, aber auch Seminare zu Themen wie Selbstmarketing oder Verhandlungsführung. In diesem Jahr soll das firmenweite Frauennetzwerk women@bosch etabliert werden. Es ist geplant, dass sich dort Frauen aller Standorte, Geschäftsbereiche und Hierarchieebenen treffen – auch um sich gegenseitig zu unterstützen.

„Qualität setzt sich durch. Frauen haben bei uns gute Karrieremöglichkeiten“ – lautet zusammengefasst die Antwort der Solarunternehmen auf die Frage, ob es ein Gleichstellungsprogramm oder eine Frauenbeauftragte gibt. Gäbe es eine verpflichtende Quotenregelung, könnten sich die Unternehmen nicht auf dieser Aussage ausruhen. Denn dann müssten Frauen so lange prinzi-piell bevorzugt behandelt werden, bis die angestrebte Frauenquote im entsprechenden Gremium oder Bereich erreicht ist. Hinter einer solchen Regelung steht die Hoffnung, dass die langfristige Besetzung durch das einmalige Durchbrechen einer vorhandenen stabilen Struktur verändert wird. Natürlich impliziert eine solche Regelung ein Geschmäckle und wird insbesondere von bereits erfolgreichen Frauen nicht befürwortet. „Ich bin nicht für eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote. Ich denke, bei der Besetzung von Posten sollte es nur auf das Fachwissen einer Person ankommen“, sagt Brigitte Zürn.

„Traut euch“ – ist ihr Appell an ihre Kolleginnen. Natürlich hat Zürn recht, dass es durchaus die Aufgabe der Frauen ist, sich ins rechte Licht zu rücken, an sich zu glauben, sich in Netzwerken zu organisieren und sich auf Führungspositionen zu bewerben.

Die Beschäftigtenzahlen sprechen jedoch durchaus für eine Quote. Auch der Blick auf die Entwicklung der Gleichberechtigung in Deutschland zeigt, dass ohne das entsprechende Gesetz von 1958 die faktische Gleichberechtigung von Mann und Frau im privatrechtlichen Bereich wesentlich langsamer vorangeschritten wäre. Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung. Es gilt nicht nur als ungerecht, wenn sie aufgrund von Tradition und historischer Ungleichheit auch in der modernen Gesellschaft in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Ein weiteres Argument für einen erhöhten Frauenanteil formuliert Sylvia Ratzlaff von Solon so: „In unserer Branche sind wir auf hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte angewiesen. Wir streben einen guten Mix aus qualifizierten Frauen und Männern an, denn nur in dieser Heterogenität kommen wir als Unternehmen weiter.“

UnternehmenAnzahl Männer im VorstandAnzahl Frauen im VorstandAnzahl Männer im AufsichtsratAnzahl Frauen im Aufsichtsrat
Bosch Solar Energy4051
Centrosolar Group3030
Centrotherm5021
Conergy4060
Q-Cells3162
Roth & Rau3030
SMA70120
Solarworld4030
Solon3060
Sunways4030

Verhältnis Männer/Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten großer Solarunternehmen.Stand: 9. Februar 2011, Quelle: Daniela Becker

Daniela Becker