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“Dezentral ist der Wahnsinn“

Könnte auf Angie gemünzt sein, unser aller Atom Heart Mother. Der Solarmarkt schwächelt, weil ihr Vize Siggi vor Angst fuchsteufelswild geworden ist. Bei den großen Energiekonzernen gehen die Feuer aus, Siggi fürchtet um seine Kohlekumpels. Er fürchtet um seine Genossen in den AKW und in den Kohlemeilern. In den Amtsstuben der Gemeinden in NRW, deren Anteile an RWE wertlos werden. Er fürchtet, Zitat: „die dezentrale Energieversorgung, das ist doch Wahnsinn!“ Hat er wörtlich gesagt, der Vize, beinahe stammelnd, direkt in die Kameras, als Besucher bei SMA.

Noch nie zuvor hat ein deutscher Wirtschaftsminister die Interessen der deutschen Wirtschaft derart missachtet: Statt der Industrie in unserem Land den handfesten Wettbewerbsvorteil der Eigenstromversorgung aus Photovoltaik, Windkraft oder Kraft-Wärme-Kopplung zu sichern, sorgt er sich um abgeschriebene Kohlemeiler. Statt dem Wohlstand in Deutschland eine inflationssichere Energiebasis zu verschaffen, schraubt er die Strompreise hoch: durch überflüssige Stromtrassen, durch die Blockade von Investitionen in erneuerbare Energien. Durch Strafabgaben wie die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch.

Doch dann München, die Intersolar: Mit einem Schlag waren die bedrückenden Gedanken verflogen. Denn so viele Innovationen wie in diesem Jahr waren bisher noch nie auf einer Solarmesse zu sehen, nicht in Paderborn, nicht in Freiburg oder München, nicht in San Francisco oder Shanghai. Nicht mehr Zellen und Module standen im Mittelpunkt, sondern intelligente Leistungselektronik, Stromspeicher, die Erschließung von Dächern und neue Geschäftsmodelle. Da macht sich ein ganzer neuer Industriezweig auf, um sich von der politischen Förderung abzunabeln. Nicht nur in Deutschland, nicht nur in Frankreich oder UK, sondern weltweit. Trotz des politischen Gegenwinds. Oder deshalb?

Nun feilschen die Abgeordneten im Bundestag, ob der Eigenverbrauch von Solarstrom mit 15, 30 oder 50 Prozent der EEG-Umlage bestraft werden soll. Das ist unglaublich dumm, historisch fast ohne Beispiel. Quasi Notstandsgesetze, um die Energiekonzerne zu retten. Aber der Ausgang dieser Krämerdebatte wird die Energiewende kaum aufhalten. Auch wird sich am Siechtum der Energiekonzerne nichts ändern. Die kurzfristigen Gewinne aus abgeschriebenen Kohlekraftwerken retten ihre Bilanzen nicht. Denn die großen Konzerne haben die erneuerbaren Energien verschlafen, unterschätzt, arrogant übersehen.

Sechs Messehallen, vollgestopft mit interessanten Ideen und Produkten. Zahllose ermutigende Gespräche am Messestand unserer Zeitschrift oder bei unseren Partnern, zwischendurch auf den Fluren und hinterher auf der Party: Die Solarindustrie erweist sich als robust und selbstbewusst. Die Sonnenwende wird weitergehen. Eher erleben wir den Untergang der Sozialdemokratie als das Ende der Photovoltaik.

Die Rückfahrt von München führte durch sonnige Landschaften. Überall blitzten Dächer mit Solarmodulen. Kaum eine Wolke trübte den Himmel. Der ICE eilte nach Berlin zurück, wo eine Menge Arbeit auf uns wartet. Wieder hatte ich die Stöpsel im Ohr. Wieder Pink Floyd, megamäßig. Für all diejenigen, die keine Zeit hatten, auf der Messe vorbeizuschauen: Wish you were here.