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Wir lassen uns nicht länger deckeln

Es geht wieder aufwärts. Durch unermüdliches Engagement ist es der Solarbranche in Deutschland gelungen, nach Jahren des Einbruchs und der Stagnation endlich wieder Fahrt aufzunehmen. Der vom BSW und der Intersolar ermittelte Geschäftsklimaindex für die Photovoltaikbranche erreichte in diesem Frühjahr die höchsten Werte seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005.

Massive Kostensenkungen in weiten Teilen der Wertschöpfungskette und Sonderausschreibungen für Solarparks ermöglichen die lang ersehnte Marktbelebung. Doch im bislang größten Marktsegment, den Solardächern, droht dieser Entwicklung bereits in wenigen Monaten ein jähes Ende, wenn es der Branche mit vereinten Kräften jetzt nicht gelingen sollte, die 52-Gigawatt-Begrenzung in letzter Minute noch zu kippen.

Gut 48 Gigawatt installiert

Aktuell sind gut 48 Gigawatt Photovoltaikleistung in Deutschland installiert. Je näher der Förderdeckel und damit das Ende der Einspeisevergütung beziehungsweise Marktprämien für neue Anlagen bis zu einer maximal installierten Leistung bis 750 Kilowatt Leistung rückt, desto schneller könnten weitere neue Anlagen dieser Größenklasse gebaut werden. Ähnlich wie vor früheren politischen Einschnitten und Kürzungen gilt ein Installationswettlauf um die verbleibende Förderung als wahrscheinlich, bevor der Markt für Gebäude-Photovoltaik bei Beibehaltung des Deckels einen herben Einbruch erlebt.

Sollte der Deckel tatsächlich Bestand haben, wird der Photovoltaikzubau auf Gebäuden auf wenige hundert Megawatt pro Jahr einbrechen. Auch Wissenschaftler und Regierungsgutachter warnten wiederholt davor. Damit würde die Bundesregierung nicht nur weiterhin ihre Klimaziele verpassen, sondern auch viele tausend Arbeitsplätze in der eben erst wieder wachsenden Solarbranche aufs Spiel setzen. Ein geradezu absurdes Szenario in Zeiten einer sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise!

Parlamentarier sind zerstritten

Jüngste Gesetzesnovellen fordern zwar die rechtzeitige Verabschiedung einer Anschlussregelung vor Erreichen der 52-Gigawatt-Marke, diese blieb bislang aber aus, da eine parlamentarische Arbeitsgruppe im Bundestag insbesondere bei Fragen der Windkraft zerstritten ist.

Keine andere energiepolitische Maßnahme ist so wirksam und steht gesellschaftsübergreifend zu Recht so symbolbeladen und mit so hohen Akzeptanzwerten für einen wirksamen Klimaschutz wie der Ausbau der Solarenergie. Für die Abschaffung des 52-Gigawatt-Förderdeckels für Photovoltaikanlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hatte sich in vom BSW initiierten Umfragen wiederholt eine überwältigende Mehrheit der Bundesbürger ausgesprochen. Zwei von drei Befragten stimmen der Aussage zu, dass die Bundesregierung zu wenig für den Ausbau der Solarenergie unternehme.

Drei von vier Bürgern fordern, dass die Solarförderung so gestaltet werden soll, dass Photovoltaikanlagen auf größeren Dächern, zum Beispiel von Mehrfamilienhäusern oder Gewerbe- und Industriegebäuden, leichter errichtet werden können. Nur sechs Prozent halten ein Auslaufen der Förderung nach Erreichen der 52-Gigawatt-Marke für richtig.

Preise und Leistungen stimmen

In der Bevölkerung hat sich längst herumgesprochen: Die Förderung neuer Solaranlagen steht inzwischen in einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und belastet nicht mehr den Strompreis. Dafür sorgt nicht zuletzt ein „atmender“ Degressionsmechanismus im EEG: Die Fördersätze und Marktprämien werden danach monatlich schrittweise gesenkt und spiegeln zeitnah die Marktentwicklung und erfreuliche Preis-Lernkurve von Solarsystemen.

Die Vergütung sinkt schneller, wenn mehr neue Solardächer gebaut werden als politisch angestrebt. Die jährlichen Ausbaukorridore dieses „atmenden Deckels“ sind zwar viel zu niedrig angesetzt, anders als der 52-Gigawatt-Deckel ist damit aber ein Mindestmaß an Investitionssicherheit verbunden. Der „atmende Deckel“ vermeidet nachweisbar eine von Teilen der Politik befürchtete Überhitzung des Marktes und eine Überförderung.

Überflüssiger Deckel im EEG

Der ebenfalls in Paragraf 49 EEG fixierte 52-Gigawatt-Deckel geht hingegen gänzlich an der Marktrealität vorbei und ist Gift für den Klimaschutz! Denn Absatz 5 dieses Paragrafen legt fest, dass sich die Einspeisevergütung für alle neuen Photovoltaikanlagen bis 750 Kilowatt auf null verringert, wenn die Summe der installierten Leistung der Solaranlagen 52.000 Megawatt überschreitet.

Massive Bremsmanöver aus den Reihen einer damals noch anders gepolten konventionellen Energiewirtschaft und eine gnadenlos inszenierte Kostendebatte bereiteten vor acht Jahren den Boden für die Installation des 52-Gigawatt-Deckels im Jahr 2012. Zahlreiche andere Ausbaubremsen wie zum Beispiel die „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage auf solaren Eigenverbrauch) und die Festlegung viel zu geringer Wachstumskorridore für die Photovoltaik folgten. Sie ließen die Nachfrage für Jahre einbrechen.

Förderbedarf massiv gesunken

Doch seitdem hat sich in der Energiewirtschaft, in der Solartechnik und der Erwartungshaltung der Gesellschaft ein grundlegender Wandel vollzogen, kaum ein Stein liegt noch auf dem anderen. Inzwischen hat sich die Photovoltaik zur preiswertesten Stromerzeugungsform gemausert und ist im Kraftwerksmaßstab bereits wettbewerbsfähig – erste PPA-Projekte zeugen davon.

Selbst Photovoltaikanlagen auf Dächern können teilweise schon für unter zehn Cent pro Kilowattstunde Solarstrom liefern. Damit ist der Förderbedarf massiv gesunken – und könnte noch geringer sein, wenn klimafreundliche Selbstversorger und die dezentrale Belieferung von Gewerbe- und Wohnquartieren mit Solarstrom nicht mit der EEG-Umlage und einer Fülle bürokratischer Auflagen belastet würden.

Lackmustest für Glaubwürdigkeit

Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund mehr, die Entwicklung der Photovoltaik in Deutschland weiterhin derart zu deckeln und auszubremsen! Immer mehr Menschen fragen sich zu Recht: Wie sollen die Pariser Klimaziele erreicht werden, wenn der Photovoltaikausbau jetzt nicht schnell vervielfacht wird? Wie soll nach dem Atomausstieg der Kohleausstieg gelingen, wenn nicht mit deutlich mehr Solarenergie?

Im Koalitionsvertrag von 2018 bekennen sich CDU, CSU und SPD ausdrücklich zu den nationalen, europäischen und internationalen Klimazielen. Bis 2030 streben sie einen Anteil von etwa 65 Prozent Erneuerbaren Energien an. Die Umsetzung dieser Ankündigungen und der Abbau von Marktbarrieren für Solardächer, allen voran des 52-Gigawatt-Deckels und der „Sonnensteuer“, wird neben der Vervielfachung der jährlichen Ausbauziele zum Lackmustest der politischen Glaubwürdigkeit.

Wirtschaft und Industrie fordern Solarenergie

Zahlreiche Dach- und Bundesverbände aus dem Mittelstand, Handwerk, Energie- und Immobilienwirtschaft, aus Mieter-, Verbraucher- und Umweltschutz unterstützen die Forderung, den 52-Gigawatt-Deckel ersatzlos zu streichen. Allein die 15 Erstunterzeichner des vom BSW initiierten Appells vertreten die Interessen von mehreren 100.000 Unternehmen und mehr als zehn Millionen Bürgerinnen und Bürgern.

Auch im September werden wieder tausende Menschen auf die Straße gehen, um wirksame Klimaschutzmaßnahmen einzufordern, zahlreiche Solarunternehmen dürften sich diesmal dem Aufruf der Jugend anschließen. Doch eigentlich wollen sie auf die Dächer und in die Fabriken und nicht auf die Straße.

Kein Joker im Verhandlungspoker

Der weitere Ausbau von Solardächern eignet sich nicht als Faustpfand oder Joker im aktuellen Verhandlungspoker der Regierungsparteien um den weiteren Ausbau der Windkraft an Land oder höhere Strukturhilfen für den Kohleausstieg. Eine überwältigende Mehrheit der Wähler aller Parteien erwartet eine Einstellung der Kohleförderung, nicht aber der Förderung von Solardächern.

Es bleibt die Erwartung und Hoffnung, dass sich nach den Landtagswahlen in den neuen Bundesländern innerhalb der Koalition endlich tragbare Kompromisse für einen beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland finden lassen. Die im BSW organisierte Solar- und Speicherbranche steht bereit, eine deutlich größere Verantwortung im künftigen Energiesystem für die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität zu übernehmen.

Ökostromlücke ist vermeidbar

In einer gemeinsamen Studie haben BSW, EuPD und die führende Innovationsplattform der neuen Energiewelt „The smarter E Europe“ der Bundesregierung in diesen Tagen einen Weg gewiesen, wie sich eine Ökostromlücke infolge des Atom- und Kohleausstiegs ebenso vermeiden lässt wie eine anhaltende unerträgliche Zielverfehlung beim Klimaschutz.

Das Potenzial ist vorhanden: Millionen für die Solarstromerzeugung geeignete Dächer auf Ein- und Mehrfamilienhäusern, auf Gewerbe- und Industriehallen, auf öffentlichen Gebäuden sind noch immer ungenutzt. Wir wissen, dass unsere Mitgliedsunternehmen das Knowhow und die technischen Lösungen haben, um auf all diesen Flächen günstig und klimafreundlich Solarstrom zu erzeugen. Für die erforderliche Vervielfachung des Photovoltaikausbaus müssen wir so viele Dachbrachen wie möglich für den Klimaschutz aktivieren und gleichzeitig noch deutlich mehr Solarparks auf geeigneten Freiflächen errichten.

Es spricht alles für den dauerhaften Erfolg der Photovoltaik, für den Umstieg auf eine klimafreundliche, günstige und dezentrale Stromversorgung. Es liegt nun an der Politik, den oft wiederholten Bekenntnissen für mehr Energiewende und Klimaschutz endlich Taten folgen zu lassen und die Solarenergie zu entfesseln!

Damit das gelingt, brauchen wir eine starke Branche, die mit einer Stimme spricht und ihre Lösungen selbstbewusst präsentiert. Der BSW wird sich gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen weiterhin mit aller Kraft für die Entfesselung der Solarenergie einsetzen. Es steht viel auf dem Spiel, machen Sie mit.

Der Autor: Carsten Körnig ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Solarwirtschaft (BSW-Solar) in Berlin.

Carsten Körnig