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STANDPUNKT DER WOCHE

Detlef Neuhaus: “Derzeit dreht sich die Stimmung“

Sonnenstrom ist Solidarstrom: Detlef Neuhaus ist CEO von Solarwatt in Dresden. Er hat konkrete Vorschläge, wie Deutschland von der solaren Energiewende profitieren kann. Dabei geht es ihm weniger ums Geld, viel mehr um den Abbau von Bürokratie und Hürden.

Wie erleben Sie die gegenwärtige Debatte in der Politik und in den Medien?

Detlef Neuhaus: Vom Gefühl her würde ich sagen, dass sich die Wahrnehmung für die erneuerbaren Energien und unsere Technologie in den vergangenen beiden Jahren deutlich verbessert hat. In sehr kurzer Zeit ist eine globale Massenbewegung für Klimaschutz und nachhaltige Technologien entstanden, niemand kann mehr davor die Augen verschließen. Plötzlich erleben wir sogar den Schulterschluss mit der Wirtschaft. Dass die Photovoltaik enorme Chancen bietet ist in der Breite der Gesellschaft angekommen.

Wie meinen Sie das?

Die Photovoltaik und die Stromspeicher haben eine große Zukunft vor sich. Es wird immer selbstverständlicher, sie einzusetzen. Ob in diesem Geschäft die deutschen Anbieter noch mitspielen, muss ich jedoch mit einem Fragezeichen versehen. Mehr als 85 Prozent des Weltmarkts bei den Solarmodulen werden mittlerweile aus China bedient. Wir haben nur eine Chance, wenn wir Innovationen nach vorn treiben, Solar-Anlagen als ganzheitliches System betrachten und die das Zusammenspiel solcher Systeme mit den Sektoren Wärme und Verkehr beherrschen.

Im Klimapaket wurde der Deckel für die Photovoltaik auf 98 Gigawatt erweitert. Reicht das, um die solare Energiewende in Deutschland zu beleben?

Keineswegs. Den Deckel zu erhöhen, wird allein nicht reichen. Vor allem müssen wir aufhören, den Nutzern Steine in den Weg zu legen. Warum wird die EEG-Umlage für Eigenstrom ab zehn Kilowatt überhaupt noch aufrechterhalten? Die Anmeldung der Anlagen und die Meldepflichten sind viel zu kompliziert, ebenso die Steuererklärung für Privatkunden.

Wie könnte das konkret aussehen?

Mein Vorschlag: Die Anmeldung wie die Registrierung der Anlage muss über ein zentrales System erfolgen, um die Prozesse transparenter und schneller zu gestalten. Die Besteuerung muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden, um nicht diejenigen zu bestrafen, die die Energiewende vorantreiben: Die Eigenverbrauchsbesteuerung muss ersatzlos gestrichen und Photovoltaikanlagen im Privatbereich steuerlich freigestellt werden. Vor Ort genutzter Strom ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Er entlastet das Netz, weil die Stromnachfrage sinkt, so dass auch weniger Netzausbau nötig ist. Die Finanzierung kann durch eine Umschichtung bei den Förderungen gewährleistet werden.

Wie könnten Millionen Mieter in Deutschland von sauberem und kostengünstigem Sonnenstrom profitieren?

EEG-Anlagen auf Mehrparteien-Häusern müssten wie Einfamilienhäuser betrachtet werden: Das bedeutet, keine EEG-Umlagepflicht und keine Sondervergütung für Mieterstrom. Aktuell verhindern die steuerlichen und behördlichen Auflagen die Energiewende in den Städten. Das erste Gesetz zur Förderung von Mieterstrom aus dem Jahr 2017 macht solche Modelle unnötig kompliziert und teilweise sogar wirtschaftlich unrentabel. Das schreckt eher davon ab, in Sonnenstrom zu investieren, als die Menschen zu ermutigen.

Für die Abschaffung von Ölheizungen soll es deutliche Anreize geben …

Das ist ja wirklich ein Witz. Bis auf den heutigen Tag werden Ölbrennwertkessel staatlich gefördert, nun bekommen die Betreiber sogar noch eine Abwrackprämie. Erst geben wir Steuergelder aus, um sie einzubauen, dann, um sie loszuwerden. Irgendwie verstehe ich das nicht. Andererseits gibt es die Photovoltaik, eine Technologie, die ausgereift ist. Die mit einfachen Mitteln produziert werden kann, die jahrzehntelang problemlos läuft und hinterher ohne ökologische Risiken zurückgebaut und recycelt werden kann. Da wird es plötzlich schwierig, da türmen sich die Hürden auf.

Okay, reden wir über die Förderung von Elektroautos …

Das lässt sich über eine CO2-Bilanz gut darstellen. Will man wirklich saubere und nachhaltige Mobilität voranbringen, geht es nur über klare Vorgaben. Wenn wir die E-Autos am Ende mit Kohlestrom antreiben, dann könnten wir auch gleich Dieselautos fördern. Die Förderung von E-Autos muss klar an das Betreiben mit grünem Strom gekoppelt werden. Das lässt sich über eine CO2-Bilanz gut darstellen.

Wichtig finde ich zudem, dass wir die Strompreise flexibilisieren. Als Anreiz sollten die Netzentgelte dahingehend reformiert werden, dass bei lokalem Eigenverbrauch diese nur reduziert berechnet werden. Ebenfalls könnten zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Preise gelten, um beispielsweise das Beladen von Elektroautos in Nicht-Spitzen-Zeiten zu verschieben und so das Stromnetz zu entlasten.

Die Solarbranche hat schwierige Fahrwasser hinter sich. Welche Motivation trieb Sie an, den Kurs zu halten?

Wenn ich an etwas glaube und von dessen Richtigkeit überzeugt bin, dann brauche ich keinen externen Anschub, dann kommt die Motivation von innen heraus. Ich spüre, dass wir immer mehr Rückhalt aus der Bevölkerung bekommen. Dass die Politik unsere Technologie zunehmend als Chance versteht. Ich denke, in den nächsten zehn Jahren wird es deutlich positiver laufen. In Dubai liegen die Stromgestehungskosten aus Photovoltaik mittlerweile bei 1,53 Cent je Kilowattstunde. In Deutschland sind wir bei vier Cent. Das ist schon sehr, sehr nahe an Null.

Die Fragen stellte Heiko Schwarzburger.

Sonnenstrom ist Solidarstrom: Hier finden Sie viele andere Statements zur solaren Energiewende und den Chancen für Deutschland.

Alle Interviews und Statements lesen Sie im Novemberheft der photovoltaik, das am 14. November 2019 erschienen ist. Diese Ausgabe steht ganz im Zeichen der politischen Debatten um die Energiewende und ihre Chancen für Deutschland. Abonnenten können alle Beiträge nach Erscheinen auch online lesen. In unserem neuen Webshop gibt es unsere Hefte zudem auf Einzelbestellung.