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Vorrang für grünes Tanken

Es ist eine viel diskutierte Tatsache, dass Elektroautos nur dann kohlendioxidneutral fahren, wenn sie mit grünem Strom betrieben werden. Deshalb ist für eine Weiterentwicklung der Elektromobilität die Verfügbarkeit einer zugänglichen, auf erneuerbaren Energien basierenden Ladeinfrastruktur essenziell. Die gesamte Ladeinfrastruktur umfasst Mitte Juli laut dem Portal Going Electric für Deutschland 4.813 Stromtankstellen, für die Schweiz 455 Ladesäulen.

In 30 Minuten laden

Wie viele dieser Stationen durch grünen Strom versorgt werden, ist nicht ersichtlich. Auffällig ist jedoch die geringe Verbreitung von Schnellladestationen. Gerade einmal fünf Prozent der Stationen in Deutschland und 15 Prozent der Stationen in der Schweiz sind mit Schnelllademöglichkeiten ausgestattet, wobei Schnellladung eine Ladung mit mehr als 22 Kilowatt bezeichnet. Allerdings sind nur Schnellladestationen zwischen 44 und 50 Kilowatt in der Lage, ein Elektroauto, wie einen E-Golf oder einen BMW i3, innerhalb von 30 Minuten zu 80 Prozent zu laden. Wird ein Auto zu Hause an einer konventionellen Schuko-Steckdose geladen, verlängert sich die Ladezeit im Vergleich dazu auf acht bis zehn Stunden. Klar ist also, dass ein breites Netz an Schnellladestationen basierend auf grünem Strom die Attraktivität der Elektromobilität deutlich erhöht.

Eine der rund 70 Schnellladestationen in der Schweiz steht am Hauptsitz der DMG Mori in Winterthur. Das Projekt zeichnet sich vor allem durch die Einbindung von Solarstrom aus Photovoltaikanlagen sowie eines Großspeichersystems aus, das auch nachts eine grüne Schnellladung mit bis zu 50 Kilowatt an der E-Tankstelle ermöglicht.

Konzept für die gesamte Versorgung

Die Ladestation in Winterthur ist Teil des Energiekonzepts für den gesamten Konzernsitz. Bereits in der Planung des 2014 neu errichteten Hauptgebäudes wurden Energieeinsparmaßnahmen unter anderem bei Heizung, Kühlung, Fassade und Beleuchtung miteinbezogen. Somit entspricht das Gebäude dem Minergie-Standard, dem höchsten Energiestandard der Schweiz. In der Zentrale in Winterthur sind alle europaweiten Vertriebs- und Serviceaktivitäten gebündelt. Hier arbeiten insgesamt rund 200 Mitarbeiter.

Angestoßen wurde das Projekt durch das Energieeffizienzprogramm des Konzerns. Das Ziel: In den Jahren zwischen 2012 und 2015 sollte der Energieverbrauch unternehmensweit um 30 Prozent sinken. Im Rahmen des Programms wurden an allen Standorten Effizienzanalysen durchgeführt, um die Potenziale zur Energieeinsparung zu ermitteln. Zusätzlich wurden weltweit Systeme für das Energiemonitoring eingeführt, um den Effekt der Maßnahmen zu überprüfen. An jedem Standort wurde außerdem analysiert, inwieweit die eigene Stromproduktion durch regenerative Energien geleistet werden kann.

Autarkie erhöhen

Die größte Herausforderung lag nicht in der Einsparung von Energie in einem bestehenden Gebäude, sondern vielmehr in der richtigen Simulation des Verbrauchsverhaltens des effizienten Gebäudes, da es sich noch in der Planung befand. Erklärtes Ziel war es, einen hohen Autarkiegrad der Versorgung des Gebäudes durch erneuerbare Energien über den Tag hinweg zu gewährleisten. Die optimale Auslegung der Leistung des Energieparks hing somit stark mit dem tatsächlichen Verbrauch des Gebäudes zusammen – je höher der Verbrauch, desto höher muss die Eigenerzeugung sein.

Tracker verbessern Solarausbeute

Insgesamt umfasst der Energiepark in Winterthur auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern eine Leistung von rund 280 Kilowatt. Diese werden vor allem durch die 42 Photovoltaik-Nachführsysteme der Marke Suncarrier erzeugt. Durch ihre kontinuierliche Ausrichtung nach der Sonne ermöglichen die Nachführsysteme rund 35 Prozent Mehrertrag als starre Systeme. Die kleinen Systeme des Suncarrier 22 erlauben einen Drehwinkel von plus und minus 45 Grad und erzeugen mit ihrer Modulfläche von 21,34 Quadratmetern bis zu 4,3 Kilowatt je Flügel. Angetrieben werden die Flügel über einen elektrohydraulischen Antrieb mit Kolbenstange.

Netzbezug nur nachts

Die größeren Systeme Suncarrier 260 können sich maximal um 220 Grad drehen und erreichen somit bis zu 51 Kilowatt. Die Konstruktion ist auf einem Betonfundament angebracht und wird von einem elektrischen Motor mit Bremsfunktion und dreistufigem Planetengetriebe angetrieben. Durch die Nachführung können vor allem bereits morgens höhere Erträge erzielt werden, was eine bessere Verteilung der Energie über den Tag hinweg ermöglicht. Zusammen erzeugen die Photovoltaikanlagen am Standort rund 330.000 Kilowattstunden pro Jahr, genug Strom, um 100 Haushalte ein Jahr lang zu versorgen.

Vor Ort bedeutet dies, dass sowohl die Elektrotankstelle durch erneuerbare Energien versorgt wird als auch Teile des Gebäudes. Konkret ist das Gebäude über weite Teile des Tages energieautark und nur bei Dunkelheit auf den Netzbezug angewiesen. Durch die höhere Stromproduktion an sonnigen Tagen lässt sich somit eine bilanzielle Autarkie erreichen. Rein bezogen auf die Elektromobilität wäre es möglich, mit dem über das Jahr erzeugten Strom 2,3 Millionen Kilometer zu fahren – das entspricht etwa 57 Erdumrundungen. Dabei wird ein Verbrauch von 14 Kilowattstunden auf 100 Kilometern angenommen.

Die E-Tankstelle in Winterthur wird für die Ladung des internen E-Golf-Fuhrparks genutzt, steht aber auch externen Elektrofahrzeugfahrern gratis zur Verfügung. Das Angebot wird von Externen gerne genutzt, durchschnittlich mit 25 Ladungen pro Woche. Die Ausstattung der E-Tankstelle wurde darauf ausgerichtet, dass die Poolfahrzeuge des Standorts optimal mit erneuerbaren Energien geladen werden und ein künftiger Ausbau des Fuhrparks möglich wäre. Konkret umfasst die Station deshalb zwei Ladesäulen mit jeweils einem Typ 2 mit 43 Kilowatt AC, einem Chademo mit 50 Kilowatt DC und einem CCS mit ebenfalls 50 Kilowatt DC-Anschluss.

Speicher glättet Lastspitzen

Der elektrische Fuhrpark am Standort steht Mitarbeitern umsonst bereit und wird von diesen als kostengünstige Alternative mit hohem Fahrspaß genutzt. Gleichzeitig wird durch die Nutzung von Elektroautos auch die Umwelt geschont. Pro E-Golf werden, im Vergleich zu einem VW Polo, etwa 3.200 Kilogramm Kohlendioxid gespart, bei einer angenommenen Laufleistung von 30.000 Kilometern pro Jahr.

Damit die Fahrzeuge auch bei Dunkelheit, wenn die Photovoltaiksysteme keine Energie erzeugen, Ökostrom laden können, wurde ein Energiespeichersystem in das Gesamtkonzept integriert. Der installierte Cellcube FB 200-400 verfügt über eine Leistung von 200 Kilowatt und eine Speicherkapazität von 400 Kilowattstunden. Basierend auf der Vanadium-Redox-Flow-Technologie ist das System in Leistung und Kapazität frei skalierbar und weist eine lange Lebensdauer mit praktisch unbegrenzter Zyklisierung auf. Neben der Versorgung der E-Tankstelle dient das Speichersystem vor allem zur Maximierung des Eigenverbrauchs. Der Speicher kann jedoch ebenfalls zur Absicherung sensibler Bereiche, zur Glättung von Lastspitzen oder auch als netzunabhängige Komplettlösung genutzt werden. Ist das Speichersystem in Winterthur mit 400 Kilowattstunden Kapazität vollgeladen, wäre es in der Lage, 40 Haushalte 24 Stunden lang mit Energie zu versorgen oder ein Elektroauto für rund 2.800 Kilometer Fahrleistung zu laden.

Intelligentes Monitoring

Die Ladungen an der E-Tankstelle machen nur einen geringen Teil des Verbrauchs des erzeugten Stroms aus. Der größere Anteil wird für den Betrieb des Gebäudes genutzt, um hier einen optimalen Autarkiegrad zu erreichen.

Inwieweit dies möglich ist und wer die größten Verbraucher sind, lässt sich auch aus dem installierten Energiemonitor ersehen. Mit 50 installierten Messstationen zum Beispiel in den Büroräumlichkeiten, an den Druckluftkompressoren für die Maschinen im Showroom, an der Ladestation, aber auch an den Solaranlagen und dem Niederspannungshauptverteiler des Gebäudes wird sowohl die Erzeugung der Energie als auch der Verbrauch der einzelnen Nutzer überwacht. Ein Detaillierungsgrad der Übersicht des Energiebedarfs bis hin zu einzelnen Einheiten wie der Küche, dem Showroom oder der E-Tankstelle ist so einfach möglich.

Was das Profil zeigt

Die Energieerzeugung und der Energieverbrauch lassen sich in übersichtlichen Auswertungen des Energiemonitors sichtbar machen. Der abgebildete Lastgang zeigt beispielhaft eine solche Auswertung für den Standort Winterthur. In Blau ist der gesamte Strombedarf des Standorts abgebildet, in Gelb die Stromproduktion, die aus dem Energiepark resultiert, in Violett die Arbeit des Speichersystems Cellcube und in Orange die Ladungen an der E-Tankstelle. Aus der Auswertung, hier beispielhaft am 14. Juli, wird ersichtlich, dass das Gebäude zwischen 10 Uhr morgens bis etwa 18 Uhr praktisch komplett autark versorgt wurde. Zusätzlich zeigt die Grafik, dass über den Tag verteilt zwischen 7 Uhr morgens und 23 Uhr am Abend die E-Tankstelle acht Mal genutzt wurde.

Autos laden mit Vorrang

Auffällig ist hier vor allem der letzte Bezug an der E-Tankstelle. Dieser erfolgte mit der vollen Ladeleistung von 50 Kilowatt und dies über einen längeren Zeitraum hinweg. Aufgrund dieses Ladeprofils liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier um die Ladung eines Tesla-Fahrzeugs handelte. Die Ladung der E-Tankstelle erfolgt über den Cellcube, weshalb die orange Kurve der E-Tankstelle jeweils von einer violetten Kurve des Cellcube gespiegelt ist beziehungsweise mit einem Einbruch in der violetten Ladekurve einhergeht. Grundsätzlich hat in der Steuerung des Gesamtsystems die Elektromobilität am Standort Winterthur Vorrang. Das heißt, sollte gleichzeitig ein Auto laden und es zum Einbruch der Leistung der Photovoltaikanlage kommen, wird das Auto mit voller Leistung weiter aus dem Speichersystem beladen, während für den Verbrauch des Gebäudes ein Netzbezug stattfindet.

Zusammenspiel mit dem Speicher

Gut ersichtlich ist das Zusammenspiel der Photovoltaikanlage mit dem Speicher. Als beispielsweise um 14 Uhr die Stromerzeugung einbricht, vermutlich weil einige Wolken Teile der Anlage verschatten, bricht die Beladung des Cellcube ein und der erzeugte Strom wird statt für die Beladung des Speichers zur Deckung des Bedarfs im Gebäude genutzt.

Durch den im Gebäude integrierten Energiemonitor ist nicht nur die Auswertung von Stromerzeugung und Stromverbrauch möglich, sondern es wird vielmehr ein Energiemonitoring und -controlling im gesamten Unternehmen umgesetzt. Bei der DMG Mori wird dies im Rahmen des sogenannten 15/30-Programms über weltweit mehr als 100 Standorte hinweg angewendet.

4,6 Millionen Euro über 30 Jahre sparen

Das Gesamtsystem am Standort Winterthur wurde größtenteils intern durch die Gildemeister Energy Solutions als Teil der DMG Mori Aktiengesellschaft entwickelt. Alles in allem ermöglichen die effiziente Bauweise und die Integration von erneuerbaren Energien und Elektromobilität am Standort in Winterthur in den nächsten 30 Jahren Einsparungen von rund fünf Millionen Schweizer Franken (4,6 Millionen Euro). Neben dem ökonomischen Effekt wird auch ein ökologischer Effekt erzielt: Die Einsparungen betragen rund 185 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.

www dmgmori.com

Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Mehr öffentliche Ladesäulen gefordert

In Ballungszentren gibt es derzeit keine ausreichende Versorgung mit öffentlichen Ladepunkten, beklagt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW. Deshalb soll ein Programm über rund 100 Millionen Euro in Zukunft 10.000 Ladesäulen ermöglichen. Finanziert von Staat von Wirtschaft. „Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, wird ohne den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur nicht gelingen“, sagt Roger Kohlmann, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Branchenverbands. Die Energiewirtschaft sei bei dem auf absehbare Zeit noch defizitären Infrastrukturaufbau in Vorleistung gegangen. Der weitere Ausbau in diesem Segment werde jedoch nur von öffentlicher Hand und Wirtschaft gemeinsam zu bewältigen sein. Der BDEW fordere deshalb den Aufbau von 10.000 zusätzlichen Ladesäulen, erklärt Kohlmann.

Zum Status von normalen AC-Ladepunkten heißt es in einem Positionspapier des BDEW: „Gerade in Städten mit vielen Einwohnern ohne eigene Stellplätze oder auch mit Car-Sharing-Anbietern ist bei steigendem Fahrzeughochlauf und unter aktuellen Rahmenbedingungen zukünftig keine ausreichende Versorgung mit öffentlich zugänglichen Ladepunkten sichergestellt.“

Wenn die Bundesregierung ernsthaft die Elektromobilität in Deutschland aufbauen will, muss sie zeitnah neben der Schnellladeinfrastruktur ein Netz öffentlicher Normalladesäulen realisieren, betont Kohlmann. Die Elektroautos und die entsprechende Infrastruktur seien zwei Seiten ein und derselben Medaille. Der Vorschlag der Energiewirtschaft für ein unterstützendes Finanzierungsprogramm liege auf dem Tisch.

Das 10.000-Säulen-Programm des BDEW soll insbesondere dazu beitragen, dass in den kommenden zwei Jahren eine Grundausstattung an öffentlich zugänglichen Normalladesäulen aufgebaut wird.

Jede Säule habe dabei zwei Ladepunkte. Dies sei für Fahrer ohne regelmäßigen Stellplatz mit Lademöglichkeit wichtig oder wenn der Kunde sein Fahrzeug sofort laden will. Die Gesamtkosten des Programms beliefen sich auf rund 100 Millionen Euro. Sie sollen auf Wirtschaft und Staat verteilt werden.

www.bdew.de

Der Autor

Christian Kleinhans

leitet die Projektentwicklung der Gildemeister Energy Solutions mit Sitz in Würzburg. Dabei handelt es sich um eine Tochter der DMG Mori Aktiengesellschaft aus Winterthur in der Schweiz.

www.energy.gildemeister.com

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