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Mit Argusaugen geprüft

Inzwischen sind weltweit Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 280 Gigawatt installiert. Auch wenn der Zubau in Europa derzeit stockender vorangeht, hält der Photovoltaikboom weltweit an. Immer mehr Anlagen werden innerhalb kürzester Zeit aufgebaut und ans Netz angeschlossen.

Der Zeit- und Kostendruck bleibt dabei nicht ohne Folgen. Immer noch werden bei der Planung und Installation der Systeme und Komponenten viele Fehler gemacht. Das führt dazu, dass die prognostizierten Erträge nicht erreicht werden, sicherheitsrelevante Mängel vorliegen oder die Anlage aufgrund von Planungs- und Intallationsfehlern gar nicht erst an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen werden kann.

Den Baufortschritt kontrollieren

Längst haben vor allem die geldgebenden Banken und Investoren großer Solarkraftwerke und kommerzieller Dachanlagen erkannt, dass das Risiko am Ende viel zu hoch ist, in schlecht performende Photovoltaikanlagen investiert zu haben. Aus diesem Grund fordern vor allem die Geldgeber, dass ein ausführliches Abnahmegutachten nach Fertigstellung der Solaranlage erstellt wird.

Grundsätzlich empfehle ich, bei größeren Investitionen eine zusätzliche Baufortschrittskontrolle mit Zwischenabnahmen einzuführen. Bei dieser Zwischenabnahme kann der Gutachter bereits Fehler an Stellen entdecken, die später nicht mehr zugänglich oder einsehbar sind. Vor allem die Gleichstromverkabelung von dachparallelen Anlagen oder die Verlegung von Kabeln im Erdreich kann der Gutachter nur während der Bauphase kontrollieren und Auffälligkeiten oder sogar Mängel feststellen. Später ist das nur noch mit einem erheblichen Mehraufwand möglich. Mit diesen Baufortschrittskontrollen und Zwischengutachten bekommt der Investor gleichzeitig einen Überblick, ob das Kosten- und Zeitbudget eingehalten wird und an welchen Stellen Korrekturen im Projekt vorgenommen werden müssen.

Viele Fehlerquellen beachten

Grundsätzlich sichtet der Prüfer zunächst die Planungsunterlagen, unabhängig davon, ob es sich um eine Zwischen- oder Endabnahme handelt. Danach erfolgt die Begutachtung der Photovoltaikanlage vor Ort. Von der Unterkonstruktion über die Module, Wechselrichter, Verteilungen und die Verkabelung bis zur Übergabestation überprüft er jede installierte Komponente mit Blick auf die Planungsunterlagen, die Einhaltung der Herstellervorschriften, die Qualität der Bauausführung und die Konformität mit einschlägigen Normen und Vorschriften. Dazu zählen unter anderem die Normen der Reihe DIN VDE 0100-xxx, 0126-23 (62446), 0185-305-x, 61643-x.

Die Zahl der einzelnen Prüfpunkte ist üppig und die der Mängel noch viel größer, sodass diese in einem Beitrag gar nicht komplett aufgezählt werden können. Einige häufig vorkommende Beispiele sollen zeigen, wo der Prüfer überall seine Augen haben muss.

Verkabelung genau anschauen

Das Spektrum bei der Installation der Unterkonstruktion reicht beispielsweise von losen Schraubverbindungen an den Gestellen bis zu schief montierten Modulklemmen und Klemmpunkten, die nicht nach Vorgabe der Modulhersteller am Modul gesetzt sind. Bei dachparalleler Montage fällt oft auf, dass die Montage der Module in horizontaler Richtung Stoß an Stoß erfolgt und der Installateur keinen Spielraum für eine Längenausdehnung der Module lässt.

Eine häufige Fehlerquelle ist immer wieder die nicht fachgerechte Verkabelung des gesamten Systems. Nicht selten werden für den Übergang der Modulstecker auf die Stringleitungen Steckverbindungen verschiedener Hersteller eingesetzt. Selbst bei angegebener Kompatibilität eines Herstellers mit anderen Anbietern weisen die Stecker und Buchsen trotzdem Fertigungstoleranzen auf.

Dies führt zum Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz in die Verbinder. Die Übergangswiderstände nehmen zu. Solche Fehler führen immer wieder zu Ausfällen, und im Extremfall können sie sogar die Ursache für einen Brand in der Anlage sein.

Ein weiterer häufiger Mangel ist die Nichtbefestigung von Kabeln bei einer vertikalen Leitungsführung. Viele Monteure vergessen: Kabelbinder eignen sich nicht zur Befestigung von Kabeln. Hier ist der Einsatz von Schellen notwendig, welche einen gleichmäßig verteilten Anpressdruck auf die Kabel ausüben.

Häufig wird bei Dachanlagen auf das Hochbinden der Stecker und Leitungen verzichtet, sodass die Kabel und Steckverbinder direkt auf der obersten Schicht der Dachs aufliegen. Dadurch besteht bei Regen die Gefahr, dass Wasser in die Verbindung eintritt. Im Extremfall reißt der nächste Schneerutsch auf dem Schrägdach die Kabel auseinander.

Gelegentlich stellen die Gutachter der Solarpraxis Engineering auch eine nicht korrekte Verstringung der Solarmodule fest. Hierbei ist, abweichend von den Planungsvorgaben, ein Modul zu wenig beziehungsweise ein Modul zu viel im String verbaut. In anderen Fällen entspricht die Stringverschaltung bei Freiflächenanlagen mit mehreren horizontalen Modulreihen nicht der vom Planer vorgegebenen Eingangsbelegung der Wechselrichter hinsichtlich der verfügbaren MPP-Tracker.

Je nachdem, wie groß der Abstand zwischen den Modulreihen ist, können in den Morgen- und Abendstunden die untersten Module in jeder Reihe eines Solarparks verschattet werden. Dann ist es relevant, ob die unterste Modulreihe auf einen MPP des Wechselrichters geschaltet ist oder zusammen mit darüber liegenden Modulen auf einen MPP aufläuft. Denn im letzteren Fall wird zusätzlich die Leistung des gesamten oberen Strings verringert, wenn der unterste String verschattet ist.

Wechselrichter dürfen nicht überhitzen

Immer wieder stellen die Gutachter fest, dass die Installateure beim Einsatz dezentraler Systeme die Wechselrichter auf der Südseite des Gebäudes ohne eine Überdachung befestigen. Das führt dann zum sogenannten Temperatur-Derating der Wechselrichter. Dabei reduziert der Wechselrichter seine Leistung, um seine einzelnen Bauteile und Komponenten vor Überhitzung zu schützen, wenn die Sonne direkt auf sein Gehäuse scheint.

Ein anderer Grund für ein solches Derating ist, dass die Wärmeabfuhr der Wechselrichter nicht richtig funktioniert, weil sie so installiert wurden, dass sie sich gegenseitig aufheizen. Denn wird ein Wechselrichter im Abluftstrom eines anderen Gerätes installiert, kann er keine frische Luft zur Kühlung ansaugen, sondern nur die warme Abluft des anderen Gerätes.

Schutzeinrichtungen prüfen

Bei den Unter- und Hauptverteilungen reichen die Mängel von unsachgemäßen Kabeldurchführungen in das Gehäuse bis zu losen Verschraubungen an Klemmen. Teilweise werden auch immer wieder die falschen Kabelschuhe oder Prismenklemmen beim Übergang von Aluminiumkabeln auf Kupferanschlüsse angewandt oder erst gar nicht eingesetzt.

Ein zentraler Teil der Abnahmen beinhaltet auch die Prüfung aller sicherheitsrelevanten Komponenten und Einrichtungen. Das beginnt beim Potenzialausgleich und reicht über die Erdung bis zum Einsatz von Blitzschutz- und Überspannungskomponenten. Hierzu zählt auch die Überprüfung des NA-Schutzes und des Blindleistungsrichtungs-Unterspannungsschutzes.

Mit dem Ertragsgutachten abgleichen

Ein weiterer Schritt bei der Abnahme ist eine visuelle Sichtkontrolle der Solarmodule. Der Gutachter dokumentiert die Anzahl der Module und prüft, ob identische Module mit der gleichen Leistungsklasse verbaut wurden. Die Kontrolle umfasst sowohl Auffälligkeiten auf der Modulvorderseite wie Delaminierungserscheinungen und Zellfehler als auch Beschädigungen der Rückseitenfolie oder starke Verschmutzungen aufgrund des Baubetriebs.

Häufig wird die visuelle Kontrolle begleitet von thermografischen Untersuchungen mithilfe einer Wärmebildkamera. Als ISO-zertifizierte Thermografen können die Gutachter der Solarpraxis Engineering bei der Abnahme Hotspots an den Modulen oder nicht fachgerecht installierte Anschlüsse zum Beispiel in den Verteilungen nachweisen.

Bei größeren Investitionssummen empfiehlt sich eine stichprobenhafte Untersuchung der Solarmodule in einem Labor oder eine direkte Kennlinienmessung von Modulstrings vor Ort, um Auffälligkeiten festzustellen. Diese Prüfpunkte fordern die Banken immer häufiger.

Ein weiterer Punkt der Endabnahme ist der Vergleich der Bauausführung mit dem Ertragsgutachten. Hierbei werden die verwendeten Daten aus dem Ertragsgutachten hinsichtlich Reihenabständen, Ausrichtung und Anstellwinkel abgeglichen.

Oftmals stellen die Gutachter dabei fest, dass in der Realität Objekte wie Bäume oder Gebäude die Anlage verschatten, die im Ertragsgutachten nicht berücksichtigt wurden. Diese Abweichungen sind zwar nicht sicherheitsrelevant, aber für den Gesamtenergieertrag der Photovoltaikanlage entscheidend.

Eigene Checklisten erstellt

Letztendlich gehört zu einem vollständigen Abnahmegutachten auch die Überprüfung der Systemdokumentation auf Vollständigkeit und Konformität mit dem Ist-Zustand der erbauten Anlage. Grundlegend erfolgt diese Prüfung nach den Vorgaben der DIN EN 62446. Zusätzlich zu den in der Norm aufgeführten Punkten haben die Gutachter der Solarpraxis Engineering eigene Checklisten erstellt, mit denen sie die Prüfungen ergänzen.

Inhaltlich prüft der Gutachter das Vorliegen eines Lageplans, eines Modulbelegungsplans, eines einpoligen Schaltplans des gesamten Systems – des sogenannten Single-Line-Diagramms – und eines Plans der Gleich- und Wechselstromverkabelung. Zu einer vollständigen Systemdokumentation gehören außerdem noch ein Erdungs- und Potenzialausgleichsplan, Pläne zu Monitoring und Parkregelung sowie ein Trassenplan zum Netzanschlusspunkt, falls sich dieser nicht auf dem Gelände befindet.

Bei der Überprüfung der Systemdokumentation checkt der Gutachter zudem die Vollständigkeit aller Datenblätter und Handbücher der verbauten Komponenten sowie das Vorhandensein der Einstellwerte von Wechselrichter, Trafo- und Übergabestation.

Monitoring muss funktionieren

Er prüft auch die vom Installateur durchgeführten Gleich- und Wechselstromabnahmemessungen unter anderem hinsichtlich der Leerlaufspannung, des Kurzschlussstroms, des Potenzialausgleichs und des Isolationswiderstands. Dabei muss er genau bewerten, ob die Messergebnisse plausibel sind und die Messungen ordnungsgemäß durchgeführt wurden.

Oft beobachten die Gutachter der Solarpraxis Engineering, dass die Anlage bereits am Netz ist, aber das Monitoring noch nicht vollständig läuft. In diesem Fall können Fehler zu hohen Ertragsausfällen führen. Durch die Banken oder den Investor werden häufig die letzten fünf Prozent der Investitionssumme zurückbehalten, bis eine Überprüfung der Ist- und Sollwerte der Erträge im laufenden Betrieb vorliegt.

Dazu liest der Gutachter nach etwa dreimonatiger Betriebszeit die Werte aus dem Monitoring aus und verifiziert sie. Diese Daten gleicht er dann mit den prognostizierten Ertragswerten ab, um die Funktionsfähigkeit und Performance der Photovoltaikanlage nachzuweisen. Die Anlagenbetreiber und Investoren sollten deshalb auf keinen Fall auf ein Abnahmegutachten verzichten, auch wenn es von der Bank eventuell nicht verlangt wird. Denn bereits während der Bauphase ist eine unabhängige Qualitätskontrolle unabdingbar, um spätere Folgekosten zu vermeiden. Mit einem Zwischen- oder Abnahmegutachten kann der Bauherr, Generalunternehmer oder Investor gezielt auf den Installateur zugehen, um Auffälligkeiten und Mängel abstellen zu lassen.

www.solarpraxis.com

Der Autor

Mario Wolff

ist Projektleiter bei der Solarpraxis Engineering in Berlin und nach seinem Studienabschluss der Umwelttechnik/Regenerative Energien im Jahr 2001 auf dem Gebiet der Photovoltaik tätig. Mario Wolff ist zertifizierter Sachverständiger und verfügt über eine Zertifizierung als Thermograf ITC Level 1 nach ISO 18436. Er und seine Kollegen der Solarpraxis Engineering werden von den größten projektfinanzierenden Banken im Photovoltaikbereich als Gutachter anerkannt.

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