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Die Sonnenbürger von St. Veit

Idyllisch liegt die Stadt St. Veit in der malerischen Berglandschaft Kärntens direkt dort, wo das Flüsschen Glan einen engen Bogen beschreibt und nach Südosten in Richtung Landeshauptstadt Klagenfurt fließt. Hier wird die Energiewende gelebt. Die einstige Herzog- wird zur Sonnenstadt.

Angefangen hat alles vor 25 Jahren mit dem Aufbau eines Blockheizkraftwerkes. Hier verheizt der große Hersteller von Holzspanplatten, Fundermax, Hackschnitzel, um Prozesswärme für die Produktion zu erzeugen. Da das Blockheizkraftwerk ohnehin ständig läuft, kam die Idee auf, gleich die Wärme für die Versorgung der Bürger der Stadt zu nutzen. Daraufhin hat St. Veit begonnen, zusammen mit Fundermax und dem Kärntener Energieversorger Kelag ein riesiges Fernwärmenetz aufzubauen. „An das Netz sind etwa 80 Prozent der Haushalte in St. Veit angeschlossen“, berichtet Andreas Reisenbauer, Manager des Projekts Sonnenstadt, das in St. Veit inzwischen klare Formen angenommen hat. „Bezogen auf die Einwohnerzahl haben wir das dichteste Fernwärmenetz Europas.“

Zwar kann St. Veit hier auf einen Vorteil zurückgreifen. Denn die alte Stadt ist im Vergleich zu anderen Orten dieser Größe in Österreich sehr kompakt angelegt. Dadurch verkürzen sich die Wege für den Anschluss der Gebäude, die am Ortsrand liegen. Das verringert nicht nur die Baukosten, weil einfach nicht so lange Trassen verlegt werden müssen, sondern auch die Wärmeverluste, die durch lange Rohrleitungen zwangsläufig entstehen.

Das Fernwärmenetz war aber nur der Grundstein für einen viel größeren Plan. „Unser Ziel ist, die komplette Energieautarkie der Stadt zu erreichen“, erklärt Andreas Reisenbauer. Dazu hat die Stadt die bisher größte kommunale Photovoltaikanlage Österreichs errichtet. Mit einer Leistung von zwei Megawatt ist sie das Flaggschiff der Sonnenstromproduktion in der Stadt. Die Anlage erfüllt gleich zwei Aufgaben. Sie produziert nicht nur sauberen Sonnenstrom und spielt viel Geld in die Gemeindekasse ein. Sie ist auch das beste Nutzungskonzept für eine Fläche in der Stadt, die seit Jahren brachlag. Denn der Solarpark steht auf der ehemaligen Mülldeponie von St. Veit. Diese kostete viel Geld und war nicht für den Bau von Gebäuden geeignet. „Wir haben überlegt, wie wir die an sich wertlose Fläche sinnvoll nutzen können“, erinnert sich Gerhard Mock, Bürgermeister von St. Veit. „Mit der Anlage haben wir aus einer Altlast Kapital geschlagen.“

Ein Sonnenpark für alle

Eine zweiter großer Sonnengenerator verdient den Namen Solarpark im wörtlichen Sinne. Die Freiflächenanlage steht unweit des Fernwärmeblockheizkraftwerks südöstlich des Stadtzentrums. Sie leistet ein Megawatt, ist aber nicht einfach nur eine Solaranlage, sondern ein Sonnenpark. Sie ist Teil des Informations- und Tourismusangebots, mit dem die St. Veiter ihre Energiewende flankieren und den Bürgern nahebringen. Die Modulreihen sind nicht einfach nur in Reih und Glied aufgestellt, wie das bei einem Solarpark üblich ist. Vielmehr sind sie im vorderen Teil locker angeordnet, sodass viel Platz für einen Gang zwischen die Modultische bleibt. Der Besucher bekommt das Gefühl, in einen Sonnengarten zu kommen.

Dass man sich mit dem Anlegen des Parks auch in ästhetischer Hinsicht Mühe gegeben hat, zeigt die riesige Sonnenuhr, deren Zeiger direkt auf die alte Burgruine gerichtet ist. Diese thront im Hintergrund über der Stadt und jetzt auch über dem Sonnenpark. Im hinteren Teil verdichten sich dann die Modultische mehr und mehr. Flankiert wird das gesamte System von zwei riesigen Trackeranlagen, die zweiachsig dem Lauf der Sonne nachgeführt werden.

3,7 Megawattstunden pro Jahr

Die beiden Freiflächenanlagen sind aber nur ein Teil der Photovoltaikleistung, die in St. Veit aufgebaut ist. Inzwischen trägt eine ganze Reihe kommunaler Gebäude Solaranlagen. Sie stehen auf den Tennishallen und den Schulen. Selbst die Tribünen des Sportstadions von St. Veit sind in Solarmodule eingekleidet. Insgesamt kommen so auf diesen Flächen noch einmal 700 Kilowatt Gesamtleistung zusammen.

Weitere Anlagen stehen auf den privaten Wohnhäusern der St. Veiter. „Insgesamt haben wir eine Photovoltaikleistung von etwa vier Megawatt installiert“, weiß Andreas Reisenbauer. „Wir erzeugen damit jährlich 3,7 Megawattstunden Sonnenenergie auf 24.000 Quadratmetern Modulfläche“, ergänzt Bürgermeister Gerhard Mock. Dazu kommen noch einmal viele solarthermische Anlagen, die dezentral Warmwasser für Freizeitbetriebe und Mehrfamilienhäuser produzieren. So ist unter anderem auf dem Hallen- und Freibad der Stadt eine große Solarwärmeanlage installiert, die das Badewasser auf angenehme Temperaturen bringt. Außerdem wird jedes neue Wohnhaus der Stadt St. Veit obligatorisch mit einer Solarthermieanlage ausgestattet.

1.000 Solardächer angepeilt

Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Die Stadtverwaltung hat vor inzwischen zwei Jahren das „1.000-Dächer-Programm“ aufgelegt. Damit will man noch mehr Eigenheimbesitzer für die Sonnenenergie begeistern. Sie sollen auch auf ihren Häusern Solaranlagen bauen – sei es zur Strom- oder zur Wärmeproduktion. „Vor allem mit Blick auf die Photovoltaik haben wir noch großen Aufholbedarf“, erklärt Reisenbauer. Denn die schon installierten Anlagen können noch längst nicht den gesamten Strombedarf der Stadt decken. Doch St. Veit ist auf einem guten Weg.

Wie der Name schon deutlich macht, geht es bei diesem Programm darum, mindestens 1.000 Dächer von Gebäuden in der Stadt mit Solaranlagen zu bestücken. Die Hauseigentümer bekommen dabei kein Geld, aber ein umfangreiches Beratungspaket, das die Stadt finanziert. Um die Bürger überhaupt mit ins Boot zu bekommen, organisiert die Stadt im Rahmen des Programms Sonnenstadt regelmäßig Informationsveranstaltungen. „Wir erklären den Bürgern dabei die Vorteile der Solarenergie, zeigen aber auch die Grenzen ganz deutlich auf“, beschreibt Reisenbauer. „Schließlich wird der Solarstrom tagsüber, wenn niemand zu Hause ist, ausschließlich ins Netz eingespeist und nicht selbst verbraucht, wenn kein Speicher vorhanden ist. Wir schenken den Bürger reinen Wein ein.“

Die Bürger mitnehmen

Es ist nicht einfach, die Bürger mitzunehmen, und die Beratungsarbeit wird im Vergleich zum Bau der großen Photovoltaikanlagen üppiger. „Doch wer sein Haus saniert oder neu baut, überlegt sich, welches Heizsystem er installiert und wie er die Stromkosten senken kann“, erklärt Reisenbauer. „Diese Leute holen wir ab. Das ist sehr beratungsintensiv. Der Eigenheimbesitzer überlegt es sich ganz genau, ob er eine Solaranlage installiert. Er hat viele Fragen, zum Beispiel: Was passiert bei Blitzschlag, wann rechnet sich die Anlage, was passiert, wenn der Wechselrichter kaputtgeht? Schließlich ist eine Investition in die Anlage in einer Größenordnung von bis zu 4.000 oder 5.000 Euro viel Geld.“

Deshalb will die Stadt auch ein Vertriebs- und Dienstleistungsmodell für Photovoltaikanlagen entwickeln. „Wir sind dazu im Gespräch mit einer Bank, haben aber noch kein aussagekräftiges Angebot“, sagt Andreas Reisenbauer. „Es wäre toll, wenn wir den Bürgern, die sich die Anlage nicht auf Anhieb leisten können, ein Leasingangebot unterbreiten könnten.“

Die Solarindustrie ist hier zu Hause

Für die Umsetzung des Programms hat die Stadt die ortsansässige Solarindustrie mit ins Boot geholt. Schließlich ist diese in St. Veit üppig vertreten. Kurz nach dem Start der Energiewende in der Stadt wurde hier das Unternehmen Greenone Tec gegründet. Inzwischen ist es zu einem der Weltmarktführer bei der Produktion von solarthermischen Kollektoren herangewachsen. In St. Veit werden Kollektoren für alle namhaften Anbieter der Welt produziert. Greenone Tec ist einer der größten OEM-Hersteller in der Branche und produziert nach den Vorgaben der Kunden. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen. Doch das Unternehmen ist auf alles vorbereitet und kann innerhalb kürzester Zeit die Produktion anpassen. Selbst Anfertigungen auf Kundenwunsch sind möglich.

Noch bevor die Photovoltaik boomte, wurden in St. Veit die ersten Solarmodule in Handarbeit gefertigt. Das war 2004. Inzwischen ist aus dieser Manufaktur der größte Modulhersteller Österreichs herangewachsen: Kioto Solar. Seit 2008 werden die Module auf vollautomatischen Linien in Großserie gefertigt. Dazu kommen noch die beiden großen österreichischen Projektierer und Anbieter von Photovoltaik- und Solarthermiesystemen Sonnenkraft und Solar Energy, die ebenfalls in der Sonnenstadt St. Veit zu Hause sind.

Passende Pakete geschnürt

Mit diesen Unternehmen hat die Stadt für die Hauseigentümer passende Pakete geschnürt. Je nach Strombedarf besteht die Wahl einer kompletten Anlage mit einer Leistung von 2,5, fünf oder 7,5 Kilowatt. „Wir schlagen damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe“, sagt Andreas Reisenbauer. „Wir stärken einerseits die lokale Solarindustrie, was wiederum Arbeitsplätze für die Bürger bedeutet. Dadurch steigern wir die Kommunaleinnahmen. Auf der anderen Seite profitieren die Bürger, indem wir ihnen helfen, die Energiekosten zu senken.“

Doch auch in St. Veit ist nicht jedes Dach für die Solarenergie geeignet. „Wir haben vor allem das Problem mit dem Denkmalschutz in der Altstadt, die immerhin aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammt“, erklärt Reisenbauer. Um genau herauszubekommen, welche Gebäude geeignet sind und welche Bürger man mit den Angeboten ansprechen muss, hat die Stadt ein Solarkataster erstellt. „Wir haben vor zwei Jahren nach dem Start des Programms innerhalb von zwei Monaten Anlagen mit einer Leistung von 400 Kilowatt verkauft“, erinnert sich Reisenbauer.

Das waren die Leute, die ohnehin schon darüber nachgedacht haben, sich eine solche Anlage anzuschaffen. Danach ist der Zubau etwas langsamer geworden, aber er geht kontinuierlich weiter, auch wenn es schwieriger geworden ist, die Leute mit dem Thema abzuholen.

Den Sonnenstrom vor Ort nutzen

Doch die Stadt kann auch schon mit dem Pfund wuchern, das sie mit dem Bau der bisherigen Anlagen schon angesammelt hat. Zudem hat St. Veit mit der Planung eines Bürgerkraftwerks auf dem Dach des Bundesschulzentrums der Stadt begonnen.

Diese wird 240 Kilowatt leisten. Jeder Bürger der Stadt kann bis zu 48 Module kaufen. Für seine Investition bekommt er eine feste Rendite von drei Prozent. Die Anlage soll im kommenden Jahr gebaut werden.

Die Sonnenstadt St. Veit wäre aber nichts ohne ein größer angelegtes Konzept, wie die produzierte Energie auch vor Ort verbraucht werden kann und nicht allein ins Netz der Kelag eingespeist werden muss.

Solarparks füllen die Stadtkasse

Immerhin kann St. Veit mit den Erzeugungsanlagen, die in der Stadt installiert sind, inzwischen 60 bis 70 Prozent des gesamten Energiebedarfs abdecken. Jedoch bisher nur rein rechnerisch.

Damit sich das ändert, hat die Stadt begonnen, die Elektromobilität voranzubringen. Inzwischen können die Bürger auf drei Elektroautos im Rahmen eines Carsharingangebotes zurückgreifen. Auch hier hat sich St. Veit langsam herangetastet. Begonnen hat es mit einem Auto. Mit zunehmender Nachfrage mussten aber noch zwei weitere Elektroautos angeschafft werden, damit die Nutzer die Autos auch buchen können. Schließlich steigen diese wieder aus, wenn sie merken, dass die Autos ständig ausgebucht sind.

So kann St. Veit schon einen Großteil des Sonnenstroms vor Ort nutzen. Es soll aber noch mehr werden. „Um die vollständige Autarkie zu erreichen, wäre beispielsweise die Speicherung des Stroms in Form von Wasserstoff denkbar“, beschreibt Reisenbauer den Plan. „Wir haben genügend Erzeugungskapazitäten, um den Strom dafür bereitzustellen, wir sind an die große Erdgasleitung von Wien nach Triest angebunden, in die man über die Methanisierung den Wasserstoff gut einspeisen kann.“

Zudem kann der Wasserstoff auch direkt für die Mobilität eingesetzt werden. Um die Möglichkeiten auszuloten und umzusetzen, wird sich St. Veit mit den Forschern der TU Graz zusammentun und ein entsprechendes Projekt starten.

Die einstige Herzog- und heutige Sonnenstadt hat das alles aus eigener Kraft geschafft, weil St. Veit frühzeitig mit der Energiewende begonnen hat. Die Stadt bekommt für den Strom aus den Solarparks 20 Cent pro Kilowattstunde Einspeisevergütung. Die beiden Anlagen spülen immer wieder Geld in die Stadtkassen, das für weitere Projekte zur Verfügung steht, um die letzten Meter auf dem Weg in die Energieautarkie zu schaffen.

www.stveit.com

E5 Österreich

Plattform der Energiewende

Nicht jede Stadt oder Gemeinde schafft es aus eigenem Antrieb, die kommunale Energiewende zu starten und umzusetzen und dabei die Bürger auf dem Weg mitzunehmen. Um den Städten und Gemeinden unter die Arme zu greifen, wurde bereits vor über zehn Jahren das Programm E5 ins Leben gerufen. Angefangen hatte alles 2004 in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Inzwischen haben, mit Ausnahme von Oberösterreich und Wien, alle Bundesländer die Idee übernommen.

E5 ist ein Qualitätssiegel und ein wesentlicher Baustein der Energiewende in Österreich. Dabei geht es nicht um die finanzielle Förderung von Projekten oder Anlagen, sondern um die organisatorische Unterstützung bei der Umsetzung kommunaler Energiewendeprojekte. In der Einstiegsphase unterzeichnet die Gemeinde mit dem Programmträger des jeweiligen Bundeslandes eine Basisvereinbarung. Zudem bildet sie ein E5-Team, das für die Umsetzung des Programms verantwortlich ist. Es arbeitet unabhängig von jeglichen politischen Strukturen in der Gemeinde und besteht aus engagierten Bürgern, Unternehmen und Organisationen der Gemeinde. Im Gegenzug bekommt sie fachliche und organisatorische Unterstützung durch einen Berater. Dieser überprüft anhand eines Maßnahmenkatalogs, welche Möglichkeiten in der Gemeinde überhaupt bestehen, die Energiewende umzusetzen. Insgesamt stehen 79 Maßnahmen in dem Katalog in folgenden Handlungsfeldern zur Verfügung:

  • Entwicklungsplanung und Raumordnung: Leitbild, Energie- und Verkehrsplanung
  • Kommunale Bauten und Anlagen: Verwaltungsgebäude, Straßenbeleuchtung, Bauhof
  • Versorgung und Entsorgung: Energie – Wasser – Abwasser – Abfall
  • Verkehr und Mobilität: motorisierter Individualverkehr, Fußgänger, Radfahrer, öffentlicher Verkehr
  • Kommunikation und Kooperationen: Bewusstseinsbildung, Motivation, Kommunikation und Kooperationen, Beratung
  • Interne Organisation: Energiebeauftragte, Gründung einer Energiegruppe, ressortübergreifende Kooperationen, regelmäßige Erfolgskontrolle.

Danach beginnt die Gemeinde, die festgelegten Projekte zu realisieren. Jährlich zieht sie zusammen mit dem E5-Berater Bilanz über die Programmarbeit. Diese kann bei Bedarf angepasst und um neue oder zusätzliche Projekte erweitert werden.

Mindestens alle drei Jahre bewertet eine unabhängige Kommission, wie weit die Gemeinde mit der Umsetzung der Maßnahmen vorangekommen ist. Je weiter die Energiewende im Ort voranschreitet, desto höher wird er eingestuft. Diese Einstufung reicht von E1 bei der Umsetzung von 25 Prozent der Maßnahmen bis zu E5, wenn mindestens 75 Prozent der Maßnahmen umgesetzt sind.

Inzwischen nehmen 194 Gemeinden und Städte am Programm teil, in denen 16,2 Prozent der Österreicher wohnen.

www.e5-gemeinden.at

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