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“Die Investition muss sich in einem Jahr amortisieren“

Wird die Umrüstung von den Betreibern verschlafen?

Stefan Galler: Für größere Solarparks schätzen wir die Situation so ein, dass die meisten Anlagen bereits im letzten Jahr aufgerüstet wurden. Für Photovoltaikanlagen im Megawattbereich müssen sich Betreiber überlegen, ob sich eine weitere Investition rentiert. Teilweise ist die Zustimmung der Investoren nötig. Zudem sind vorab die technischen Gegebenheiten zu klären. Dies geht natürlich nicht von heute auf morgen.

Welche Photovoltaikanlagen benötigen künftig eine Fernsteuerung?

Betreiber von Anlagen ab 500 Kilowatt Leistung, die den Ökostrom ab April 2015 direkt vermarkten wollen, müssen eine Fernsteuerbarkeit nachweisen. Aber: Bis Ende Februar 2015 müssen die Anlagenbetreiber bereits an die Versorgungsunternehmen melden und damit entscheiden, ob sie eine Direktvermarktung oder Marktprämie wählen. Die Managementprämie von 0,4 Cent pro Kilowattstunde ist direkt an die Voraussetzung gekoppelt, ob eine Anlage fernsteuerbar ist.

Das entspricht vier Euro mehr pro Megawattstunde. Was bleibt davon dem Betreiber?

Dies hängt vor allem vom Vertrag zwischen Anlagenbesitzer und Direktvermarkter ab. Bisher war es ein guter Schätzwert, dass sich der Betreiber und der Direktvermarkter die Prämie teilen. Sicherlich hat sich das Verhältnis in den vergangenen Monaten zugunsten der Betreiber verbessert, da die Vermarkter ihre internen Prozesse weiter optimieren konnten. Hat der Anlagenbesitzer die Möglichkeit, den Direktvermarkter zu wechseln, sollte er sich einige Angebote von verschiedenen Direktvermarktern anschauen.

Besteht die Gefahr, dass ein Direktvermarkter Insolvenz anmeldet? Was dann?

Dass ein Anlagenbetreiber von einer Insolvenz seines Direktvermarkters betroffen ist, kann man nie ganz ausschließen. Für diesen Fall sieht das EEG 2014 vorübergehend eine Ausfallvergütung von 80 Prozent der Marktprämie vor. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die installierte Fernsteuerlösung eine Reihe von verschiedenen Direktvermarktern unterstützt, damit sich bei späterem Wechsel die auftretenden Mehrkosten in Grenzen halten.

Wie viele Direktvermarkter gibt es am Markt?

Uns sind rund 30 Anbieter bekannt. Wobei es viele kleine Stromhändler gibt, die in das Geschäft einsteigen, beispielsweise eigenständige Töchter von Netzbetreibern. Die großen Anbieter wie zum Beispiel Trianel, Statkraft und Energy2Market sind eher übersichtlich. Die Schwerpunkte in den Portfolios sind allerdings sehr unterschiedlich.

Ihre Firma ist erst seit einigen Monaten am Markt. Sind Sie zu spät dran?

Nein, zumindest sagen das unsere Auftragsbücher. Viele Anlagenbetreiber haben sich die Umrüstung erst für dieses Jahr vorgenommen. Es könnte auch sein, dass sich einige den 1. April strategisch als Sonderkündigungstermin aufbewahren.

Wie lange dauert es, die Steuerung einzubauen?

Lieferung und Einbau der Steuerung sind prinzipiell kurzfristig möglich. Eine Verzögerung tritt auf, wenn eine Projektierung der Anlage nötig wird. Dies ist der Fall, wenn keine ausreichende Dokumentation vorhanden ist. Der gesamte Prozess kann sich im Anschluss noch mal verzögern, wenn kein Test der Fernsteuerbarkeit durchgeführt werden kann – beispielsweise aufgrund beschneiter Module. Fazit: Mit vier Wochen sollte der Anlagenbetreiber mindestens rechnen.

Was ist die Besonderheit bei der direkten Vermarktung von Solaranlagen?

Knapp 32 Gigawatt Windleistung an Land wurden Ende 2014 direkt vermarktet. Die meisten Windkraftanlagen liegen dabei zwischen drei und fünf Megawatt Leistung. Bei der Photovoltaik ist das anders: Es gibt viele kleine und noch mehr Kleinstanlagen. Deshalb ist der Kostendruck für die Installation einer Fernsteuerung enorm hoch. 5.000 Euro oder auch 2.500 Euro sind dann zu teuer. Denn die neue Investition sollte sich innerhalb eines Jahres wieder amortisieren – das besagt eine ungeschriebene Investorenregel.

Wie teuer darf eine Fernsteuerung also sein?

Das kann man überschlagen: Eine Anlage mit 500 Kilowatt Leistung in Freiburg produziert im Jahr etwa 500 Megawattstunden Strom. Das ergibt eine Prämie von 2.000 Euro. Wenn sich Betreiber und Vermarkter die Marktprämie gleich aufteilen, verdient der Betreiber 1.000 Euro. Das ist der Betrag, den er für eine Fernsteuerung ausgeben kann.

Jetzt kommt Ihre Firma ins Spiel ...

Unser Ansatz war es, die günstigste Systemvariante zu entwickeln. Die Lösung ist hochintegriert und speziell auf die Anwendung zugeschnitten, um kostengünstig angeboten zu werden. Ein Gerät aus mehreren Industriekomponenten für diverse Anwendungen und mit vielen Schnittstellen kostet eben mehr Geld. Unser Preis liegt bei etwas unter 1.000 Euro. Wir lassen das Gerät in Deutschland fertigen und spielen anschließend unsere Software drauf.

Im Jahr 2016 ist die Vermarktung von Anlagen mit 100 Kilowatt Leistung gesetzlich vorgeschrieben. Wie weit kann und muss der Preis bis zum nächsten Jahr noch runter?

Es gibt Direktvermarkter, die sich eine Lösung für 300 Euro wünschen. Bisher sind diese Anlagen für die Direktvermarktung allerdings nicht wirklich interessant. Ein Grund dafür sind die Kosten der Umrüstung. Eine Mischkalkulation zwischen Betreiber und Vermarkter ist denkbar. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Stromhändler die Geräte an seine Kunden vermietet.

Aber es bleibt nicht nur beim Preis für das Gerät ...

Stimmt. Die Zeit für die Absprache bindet Ressourcen, und Installation sowie Testbetrieb müssen auch bezahlt werden. Immerhin fährt dafür ein Techniker ins Feld. Die Hardwarekosten rücken dann immer mehr in den Hintergrund, gerade bei kleinen Anlagen. Alle Prozesse müssen weiter eingedampft und verschlankt werden, damit es für Anlagen mit einer Leistung unter 250 Kilowatt wirtschaftlich bleibt.

Muss auch künftig ein Installateur ins Feld?

Bisher ist es so, dass die Hersteller das Gerät selbst einbauen. Künftig muss das Gerät auch von denen eingebaut werden, die eine Anlage betreuen. Dann nimmt der Anlagenelektriker die Fernsteuerung einfach mit, wenn er das nächste Mal bei der Anlage ist. Die Konfiguration muss deshalb einfach sein. Für kleine Anlagen ist ein extra Feldeinsatz einfach zu teuer.

Welche Rolle spielen die Netzbetreiber?

Eine Vielzahl der existierenden Lösungen greift in das Netzsicherheitsmanagement des Netzbetreibers ein und klemmt sich direkt dazwischen. Die Geräte können das Signal des Netzbetreibers manipulieren und so die Vorgabe der Direktvermarkter an den Parkregler weiterreichen. Problematisch wird es, wenn die Fernsteuerbox ausfällt und der Netzbetreiber vom Anlagenregler getrennt wird. Wir haben deshalb eine Lösung mit einem Sicherheitsbypass entwickelt, der im Fall einer Störung der „Direktvermarkterbox“ das Netzsicherheitsmanagement nicht beeinträchtigt.

Was kann bei einem Konflikt mit dem System des Netzbetreibers passieren?

Der Netzbetreiber kann die Anlage nicht mehr steuern und nimmt diese vom Netz. Wenn die Anlage am Freitagnachmittag vom Netz geht, kann es sein, dass niemand vor Montag früh die Störung vor Ort behebt, damit die Anlage wieder zugeschaltet werden darf. Je größer die Anlage, desto höher der finanzielle Schaden. Eine Anlage, die der Netzbetreiber nicht ansteuern kann, wird ohne Kompensationszahlungen vom Netz genommen. Allein der Anlagenbetreiber ist für die technische Verfügbarkeit der Steuerung zuständig. Unser Sicherheitsrelais, das die Steuerung abklemmt, ist also eine Art Versicherung.

Es gibt im neuen EEG eine weitere Voraussetzung: Neben der Fernsteuerung muss die sogenannte Ist-Einspeisung für den Stromhändler zugänglich sein.

Richtig. Er muss die Leistung der Einspeisung direkt mit übertragen bekommen. Dies ist in der Praxis die größte Hürde. Die meisten Energiezähler sind gar nicht erst in die Anlagenüberwachung eingebunden, da sie sich in der meist entfernten Übergabestation befinden. Speziell bei alten Windkraftanlagen ist dies ein Hindernis. Auch hierfür haben wir eine Lösung entwickelt, so dass die Daten über ein zweites Gerät über Mobilfunk übertragen werden können.

Gibt es die Möglichkeit einer Überwachung durch das Steuerungsgerät?

Ja, die gibt es. Unsere Geräte informieren die Betreiber bei einem Steuerungsereignis per E-Mail. Darüber hinaus bieten wir ein Portal, das bei Bedarf Steuerergebnis und Ist-Leistung abruft. Ein automatisierter Datenexport ermöglicht es dem Betreiber, unsere Geräte in sein Monitoringsystem zu integrieren.

Das Gespräch führte Niels Hendrik Petersen.

Fernsteuerlösung

Worauf Betreiber bei der Wahl achten sollten

  • Ist die gewählte Fernsteuerlösung kompatibel mit der Schnittstellentechnik der Anlagenregelung und der Fernwirktechnik des Netzbetreibers?
  • Kann der Einspeisezähler mit angebunden werden – insbesondere wenn er weiter entfernt ohne Datenverbindung zur eigentlichen Anlagenregelung installiert ist?
  • Werden die technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers (TAB) durch die Fernsteuerlösung nicht beeinträchtigt beziehungsweise korrekt umgesetzt? Insbesondere sollte die gewählte technische Lösung das Einspeisemanagement des Netzbetreibers jederzeit konform zu dessen TAB umsetzen.
  • Ist ein späterer Wechsel des Direktvermarkters mit der gewählten Fernsteuerlösung ohne weitere Umrüstung jederzeit möglich?
  • Kann die Fernsteuerlösung ins Monitoringsystem des Betreibers eingebunden werden, um diese wichtige Komponente in die Anlagenüberwachung zu integrieren?
  • Stellt die Fernsteuerlösung dem Betreiber eine eigene Überwachungsmöglichkeit zur Verfügung, um Status- und Betriebsinformationen sowie nachvollziehbare Informationen über die Steuerzeiten von Netzbetreiber und Direktvermarkter zu erhalten (zum Beispiel via E-Mail oder über ein Portal)?
  • Welche Kosten entstehen durch zusätzliche Protokollwandler und Router, Fernanbindung von Zählern, Kommunikationsanbindungen (zum Beispiel Antennenanlagen), Lizenzgebühren?

Für die Klärung der technischen Fragen bieten Sachverständige und Gutachter Unterstützung an.

http://www.be4energy.de

Stefan Galler

Elektrotechnikingenieur Galler (links) ist Geschäftsführer bei Be4Energy mit Sitz in Berlin. Er leitete zuvor die Arbeitsgruppe Netzintegration bei Skytron Energy. Nach knapp sechs Jahren beim Berliner Unternehmen machte er sich im Sommer 2014 mit seinem Arbeitskollegen und studierten Informatiker Milan Rompe selbstständig. Die Firma konzentriert sich auf kleine und verteilte Energiesysteme und Anlagen. Die entwickelte Soft- und Hardware soll es ermöglichen, viele kleine Erzeuger und auch Verbraucher intelligent zusammenzuschließen.

nhp

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