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Dachdecker

Mehr Geschäft für Dachdecker

Sie haben sich früh mit Photovoltaik beschäftigt. Damals taten sich viele Dachdecker schwer mit der Solartechnik. Warum?

Michael Zimmermann: Viele Dachdeckerbetriebe waren anfangs tatsächlich zurückhaltend gegenüber der Photovoltaik. Die Technik war neu, was Respekt und Unsicherheit hervorrief. Die Dachdecker waren zudem mit ihrer Kernkompetenz, der Dachsanierung, voll ausgelastet. Ein weiterer Punkt war die Kostensituation: Photovoltaikanlagen für Einfamilienhäuser waren oft doppelt so teuer wie die Dachsanierung selbst. Zudem warfen Hersteller von Solarmodulen mit Garantieleistungen von über 20 Jahren um sich, obwohl sie erst kurze Zeit am Markt waren. Das rief zusätzliche Bedenken hervor. Nicht zu vergessen ist, dass es auch nicht jedem Dachdecker gelang, einen Elektriker für eine Kooperation zu gewinnen.

Wie bewerten Sie den Markt heute?

Die Zeiten haben sich gewandelt. Seit zwei bis drei Jahren erleben wir ein spektakuläres Comeback der Photovoltaik. Photovoltaikanlagen sind heute nicht mehr nur Subventionsobjekte, sondern wesentlicher Bestandteil der Gebäudetechnik, und zwar auf unseren Dächern.

Haben sich auch die Dachdecker verändert?

Ja, parallel dazu hat sich das Dachdeckerhandwerk weiterentwickelt. Getrieben sowohl durch politische Veränderungen als auch durch das Streben nach Nachhaltigkeit ist die energetische Dachsanierung zu einem Kernbereich unserer Arbeit geworden. Vor diesem Hintergrund haben wir vor zwei Jahren die ganzheitliche Weiterbildung zum ZVDH-zertifizierten PV-Manager im Dachdeckerhandwerk ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit unseren Bildungseinrichtungen und Landesverbänden haben wir mittlerweile über 3.000 PV-Manager ausgebildet.

Können Sie das Thema Aus- und Weiterbildungen noch genauer erläutern?

Die Weiterbildung zum PV-Manager umfasst insgesamt 40 Stunden und deckt nicht nur die Dachmontage ab, sondern beinhaltet auch Grundlagen der Elektrotechnik sowie Aspekte des Marketings. Zusätzlich gibt es eine 40-stündige praxisorientierte Weiterbildung für unsere Fachkräfte auf der Baustelle. Der Fokus liegt hier stärker auf der praktischen Umsetzung, einschließlich der Dachmontage und Elektrotechnik. Nach Abschluss dieser Weiterbildung qualifizieren sich unsere Mitarbeiter automatisch zur elektrotechnisch unterwiesenen Person. Zusätzlich ist Energietechnik ein fester Bestandteil unserer Gesellenausbildung im dritten Lehrjahr, wo Auszubildende diesen Schwerpunkt wählen können.

Welche inhaltlichen Aspekte behandeln Sie in der Weiterbildung zum PV-Manager?

Die Weiterbildung umfasst neben der Montage von Photovoltaikanlagen auch Grundlagen der Elektrotechnik, um sich mit dem Kooperationspartner des Elektrohandwerks auf Augenhöhe austauschen und Kunden beraten zu können. Wichtige Themen sind Statik, Brandschutz, Arbeitssicherheit, Anlagenauslegung und Wirtschaftlichkeit. Zusätzlich decken wir unternehmerische Prozesse und effiziente Angebotserstellung ab, um einen ganzheitlichen Ansatz zu vermitteln.

Wo liegt die Grenze zwischen Dach- und Elektrogewerk?

Die Gewerkegrenze wird im Wesentlichen nach der Montage der Module erreicht, beginnend beim Wechselrichter. In der Praxis montieren die Dachdecker nach dem Aufbau der Unterkonstruktion die Module und schließen diese auch an. Dies kann man aus organisatorischen Gründen nicht anders bewerkstelligen. Danach übernimmt der Elektriker als Elektrofachkraft. Er unterstützt aber auch schon vorher den Dachdecker, der als elektrotechnisch unterwiesene Person tätig ist.

Ist das eine neue Herausforderung – miteinander zu reden?

Unsere Zusammenarbeit ist darauf ausgelegt, dass jeder Fachbereich sich auf das konzentriert, was er am besten kann. Diese Kooperation zwischen Dachdeckern, Elektrikern und Heizungsbauern ist entscheidend, um die Energiewende zu realisieren und die Kundenwünsche zu erfüllen.

Welche Vorteile haben die Gewerke von der Zusammenarbeit?

Wenn ein regionaler Dachdeckerbetrieb mit einem regionalen Elektrobetrieb kooperiert, vergrößern sich der Einzugsbereich und der Zugang zu den Kunden für beide Betriebe. Denn beide werben eigenständig ihre Aufträge ein. Mal kauft der Elektriker das Material für die Photovoltaikanlage und bezahlt den Dachdecker mit vernünftigen Montagepreisen. Oder andersherum. Wichtig ist, auf Augenhöhe zu arbeiten, miteinander für die Kunden ansprechbar zu sein. Die Kunden wollen nicht mehrere Aufträge ausgeben. Am liebsten wollen sie mit einem Ansprechpartner arbeiten, alles aus einer Hand bekommen.

Der Dachdecker wird also kein halber Elektriker?

Keineswegs, wir sind keine Elektriker light, das wollen wir gar nicht sein. Die Photovoltaik greift stark in die genannten Handwerke ein, auch und vor allem in unsere Kompetenz als Dachdecker. Uns geht es um langfristig sichere Anlagen, die obendrein optisch gut aussehen. Darauf haben wir Lust. Es geht nicht um Konkurrenz unter den Gewerken, sondern um Partnerschaft. Nur so kommen wir weiter. Wir brauchen jeden, der Module aufs Dach bringen kann, wenn er sich an die Regeln hält. Oft werden die Anforderungen an das Dach, seine statische Standsicherheit und die Regendichtheit leider unterschätzt.

Sie haben schon viele Solardächer begutachtet. Was fällt Ihnen als Dach­decker besonders auf?

Mir fällt auf, dass viele gewerkefremde Fachkräfte nicht mit den Fachregeln des deutschen Dachdeckerhandwerks vertraut sind. Dies führt oft zu einer unzureichenden Einschätzung der Qualität von Dacheindeckungen oder Abdichtungen. Photovoltaikanlagen haben eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Idealerweise sollte das Dach in der Lage sein, sie über diesen Zeitraum zu tragen.

Wo sehen Sie dabei Probleme?

Bei Steildächern sind Zusatzmaßnahmen wie Folien, Unterspann- oder Unterdeckbahnen oft die Schwachstellen. Ähnliche Probleme treten bei Abdichtungen auf, wo es häufig an fachlicher Einschätzung über deren Haltbarkeit mangelt. Im schlimmsten Fall wird das Dach bei der Montage der Photovoltaikanlage beschädigt oder die Anlage muss demontiert werden, weil das Dach die erforderliche Lebensdauer der Anlage nicht gewährleisten kann.

Immer mehr Dachdeckerbetriebe widmen sich der Photovoltaik.

Foto: ZVDH

Immer mehr Dachdeckerbetriebe widmen sich der Photovoltaik.

Also bewerten Sie das Dach in seiner Komplexität, nicht nur bezüglich der Dachsteine?

Genau, ein Dach ist weit mehr als die Summe seiner Einzelteile. Es ist die gesamte Komplexität, die über die Haltbarkeit entscheidet. Schwachstellen wie die Folie der Unterspannbahn können zum Problem werden. Ebenso problematisch ist es, wenn bei der Installation von Solarmodulen die Eindeckung beschädigt wird, etwa durch das Abschlagen von Dachziegeln. Es geht nicht darum, die Verwendung von Dachhaken generell zu verbieten, sondern um die Wahl der richtigen Installationstechnik.

Darauf hat der Markt mit innovativen Lösungen reagiert …

Viele Hersteller von Dachziegeln und Dachsteinen bieten mittlerweile Originalsysteme an, die keine Schwachstellen in der Eindeckung darstellen. Diese Systeme gewährleisten, dass unabhängig davon, ob ein Solarträger oder ein Ziegel eingedeckt wird, die Regensicherheit des Daches nicht beeinträchtigt wird. Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber Methoden, die die Regensicherheit durch Abschlagen oder das Bearbeiten der Falze mit Hammer oder Flex gefährden. Die fachgerechte Installation stellt sicher, dass die Integrität des Daches vollständig erhalten bleibt.

Wie würden Sie an die Dachinstallation der Anlage herangehen?

Ich empfehle immer die Bestandsaufnahme des Daches als ersten Schritt. Wichtig ist zu verstehen, welche Rolle die Unterkonstruktion des Daches spielt. Wo die Kräfte eingeleitet werden. Wie man auch nach der Installation der Solarmodule sicherstellt, dass man das Dach weiterhin inspizieren kann. Viele Anlagen werden bislang auf Dächern gebaut, die nicht einmal dafür ausgelegt sind, betreten zu werden.

Können Sie das kurz erläutern?

Gerne. Bei der Installation einer Anlage geht es zunächst um die Einschätzung der Tragfähigkeit des Daches. Dies betrifft nicht nur geneigte Dächer mit Holzunterkonstruktionen, sondern auch Flachdächer, deren Unterkonstruktion nicht zwangsweise aus massivem Beton bestehen muss. Gerade bei Industriedächern gibt es öfter Leichtdachkonstruktionen mit Trapezblechen. Entscheidend ist die Frage, ob das Dach die zusätzliche Last der Photovoltaikanlage tragen kann. Bei Flachdächern muss zudem die Druckbelastbarkeit der Wärmedämmung berücksichtigt werden.

Wird das oft unterschätzt?

Durch die Installation der Photovoltaikanlage wird aus einer zuvor ungenutzten Dachfläche eine genutzte. Dabei geht es nicht nur um das zusätzliche Gewicht, sondern auch um die Wartung der Anlage, für die das Dach begehbar sein muss. Ein häufiges Problem bei der Montage ist die Beschädigung der Wärmedämmung durch fehlenden Schutz, was zur Notwendigkeit einer kompletten Erneuerung der Dämmung und Dachabdichtung führen kann.

Die statische Prüfung des Daches auf Eignung für eine Photovoltaikanlage übertragen einige Anbieter auf ihre Kunden. Wie sehen Sie das?

Aus baurechtlicher Sicht trägt der Bauherr die Verantwortung für sein Gebäude, einschließlich der Tragfähigkeit des Daches. Aber auch der Auftraggeber muss sich dieser Verantwortung bewusst sein. Das ist wichtiger Teil einer umfassenden Beratung. Wir als Handwerker müssen unsere Kunden darüber aufklären, vor allem dann, wenn es tatsächlich zu Problemen kommen kann.

Der in vielen Angeboten vorformulierte Textblock, dass der Bauherr für die Statik zuständig sei, reicht also nicht aus?

Das ersetzt keine fundierte Beratung. Wenn Zweifel an der Tragfähigkeit des Daches bestehen, ist es in jedem Fall ratsam, einen Statiker hinzuzuziehen. Es geht aber nicht nur um statische Fragen. Auch die Versicherungen haben spezielle Vorschriften, insbesondere im Bereich des Brandschutzes. Die VdS 6023 stellt bewährte Dachkonstruktionen, die als harte Bedachung gelten und damit zu den anerkannten Regeln der Technik gehören, unter Generalverdacht. Dies geht so weit, dass alle Bitumenabdichtungen, unabhängig von der Art der Wärmedämmung, als risikobehaftet eingestuft werden. Dies kann zu einer Erhöhung der Versicherungsprämie oder im schlimmsten Fall zur Nichtversicherbarkeit des Gebäudes führen.

Wie kompliziert ist das Thema Brandschutz?

Insgesamt ist der Brandschutz ein komplexes Thema, auch innerhalb der einzelnen Landesbauordnungen. Teilweise kann unabhängig vom Modultyp bis an die Nachbargrenze gebaut werden. Teilweise muss bei Verwendung von Doppelglasmodulen ein Abstand von 50 Zentimetern oder analog zur Musterbauordnung sogar ein Abstand von 1,25 Metern eingehalten werden.

Insgesamt geht es nicht nur um die Eindeckung, oder?

Auch die Bauphysik spielt bei vollsparrengedämmten Holzkonstruktionen plötzlich eine große Rolle. Funktionierende Dächer kollabieren plötzlich, nach dem Motto: der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Denn plötzlich fehlt die Rücktrocknung im Sommer durch die Montage der Module. Die Feuchtigkeit kann nicht mehr austrocknen. Dann spricht man von selbstkompostierenden Dächern.

Es reicht also nicht, nur die Eindeckung in Augenschein zu nehmen?

Nehmen wir das Beispiel Schiefer: Die Montage von Anlagen auf Schieferdächern führt manchmal dazu, dass das komplette Dach erneuert werden muss. Das fängt damit an, dass durch das Begehen des Daches ohne Übung sehr viele Schiefer beschädigt werden können. Auch die Montage und Eindeckung von geeigneten Systemen erfordert eine sehr hohe Fachkenntnis in der Schiefertechnik.

Was ist zu beachten, um die Anlage wartungsgerecht zu installieren?

Durch die Montage der Module ist das Dach nicht mehr einsehbar. Schäden werden dann erst bemerkt, wenn es zu spät ist. Beim Schieferdach funktionieren dauerhaft nur Indachanlagen. Auch die Montage von Klemmen auf die Falze bei Stehfalzdächern führt sehr oft zur kompletten Zerstörung der Dacheindeckung. Diese Metalleindeckungen sind gar nicht dafür vorgesehen, zusätzliche Lasten durch die Solarmodule tragen zu können. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Derzeit wird viel über gewerbliche Anlagen auf Hallen mit Flachdächern gesprochen. Was halten Sie davon?

Hier gibt es sehr viele Punkte zu beachten. Einer davon ist die Haltbarkeit der Dachabdichtung. Auf einer zehn Jahre alten PVC-Dachbahn sollte keine Photovoltaikanlage installiert werden, die 25 Jahre ihren Dienst leistet. Des Weiteren ist bei der Tragfähigkeit des Daches zu berücksichtigen, ob noch genügend Lastreserven vorhanden sind. Die Druckbelastbarkeit der Wärmedämmung muss ebenso geprüft werden wie die Möglichkeit der späteren Wartung. Spätestens bei der Planung einer Anlage auf dem Flachdach ist der Arbeitsschutz zu berücksichtigen. Einfache Anschlagsysteme (Sekuranten) sind dort nicht mehr zulässig. Wird das Dach mehr als sechs Mal pro Jahr begangen, sind kollektive Absturzsicherungen, also Geländer an der Attika, vorzusehen.

Das Dachdeckerhandwerk hat eigene Normen. Welche Rolle spielt dabei die Photovoltaik?

Bei der Planung und Ausführung unserer Dächer gelten für uns in erster Linie die Fachregeln des deutschen Dachdeckerhandwerks. Dies ist der Beurteilungsmaßstab für Sachverständige und Juristen bei der Planung und Ausführung unserer Dächer. Wir haben insgesamt 20 Fachausschüsse, von A wie Abdichtungen bis Z wie Zimmerarbeiten, die an der Erarbeitung unseres gewerkeübergreifenden Regelwerkes mitwirken. Das ist der große Unterschied zu einer eindimensionalen Norm: Die Fachregel befasst sich mit allen Fragen rund um Dach und Fassade. Für die Photovoltaik haben wir ein eigenes Merkblatt „Solartechnik für Dach und Wand“ als Bestandteil unseres Regelwerks. Die Fachregel hat den Status einer anerkannten Regel der Technik und ist auch ohne besondere Vereinbarung einzuhalten.

Welche Chancen ergeben sich für die Betriebe Ihres Verbandes?

Für uns gilt das Gleiche wie für das Elektrohandwerk oder die Heizungsbauer. Die Energiewende tut unserem Handwerk gut, auch unternehmerisch. Mir persönlich macht es großen Spaß zu sehen, dass das Handwerk eine sehr gute Perspektive hat. Die Photovoltaik löst viele Probleme unserer Kunden mit überschaubarem Budget. Deutschland hat rund 19,3 Millionen Wohngebäude. Mehr als die Hälfte muss in den nächsten 20 Jahren saniert und solarisiert werden. Das bringt viel Arbeit für die Fachhandwerker und zieht junge Menschen an. Man kann nicht nur demonstrieren, sondern auch montieren.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

Im Interview

Michael Zimmermann

ist Dachdeckermeister und öffentlich bestellter und vereidigter ­Sachverständiger für das Dachdeckerhandwerk, Photovoltaik, ­Wärmeschutz und Schimmelpilzschäden. Zudem ist er gemeinsam mit seinem Sohn Kevin Geschäftsführer der Zimmermann ­Bedachungen GmbH in Ockenheim.

Er engagiert sich in der Berufsorganisation und ist seit 2017 ­Vizepräsident im Zentralverband des Deutschen Dachdecker­handwerks (ZVDH) zuständig für Fachtechnik und Digitalisierung.