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Mehr Energie für Landwirte

Die schwerste Dürre seit Jahrzehnten traf im Sommer Landwirte in Europa besonders heftig. In vielen Regionen zeigte sich das gleiche Bild: verdorrte Felder, ausgetrocknete Flussbetten, leere Brunnen. Hitzewellen und Wasserknappheit werden durch trockenere Winter und sengende Sommer zur Normalität. Hinzu kommt die Energiekrise, die dazu führt, dass Maßnahmen für den Klimaschutz zurückgefahren statt ausgeweitet werden.

Dabei stecken im Klimaschutz große Potenziale, wenn Synergien genutzt werden. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist Agriphotovoltaik (Agri-PV), die Installation von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. Auch Deutschland hat durch die Novelle des EEG die Voraussetzungen für den Ausbau von Agri-PV-Anlagen und die Vergütung der Erträge geschaffen.

Dieses Umdenken ist auch dringend nötig, da so mehr Flächen für den Ausbau der Photovoltaik herangezogen werden können. Die Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen ist für Deutschland ein wesentlicher Faktor, um die angestrebte Vervierfachung der Solarinstallationen in nur sieben Jahren auf 215 Gigawatt bis 2030 zu erreichen.

Schutz für Pflanzen

Ein großer Vorteil der dezentralen Agri-PV-Anlagen ist, dass ihr Stromertrag oft zu einem erheblichen Teil lokal genutzt wird und der Netzanschluss meist keinen so starken Netzausbau wie bei anderen Freiflächenanlagen erfordert. Derzeit werden hauptsächlich zwei unterschiedliche Systeme verbaut: aufgeständerte Anlagen mit semitransparenten Modulen und vertikale Aufständerungen mit bifazialen Modulen.

Der Einsatz von horizontal aufgeständerten semitransparenten Modulen bietet Schutz vor den immer häufiger auftretenden Extremwetterereignissen wie Hagel, Starkregen, Frost und vor zu starker UV-Strahlung. Der Spritzmitteleinsatz kann um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Durch eine leicht integrierbare, sparsame direkte Bewässerung der Pflanzen erhalten diese in Trockenzeiten die notwendige Feuchtigkeit.

Wichtig beim Bau der Anlagen ist: Sie sollten flexibel unterschiedliche Geländegegebenheiten ausgleichen können, also Neigungen, Bodenwellen und Steigungen. Die Statik der Gestelle muss auch erhebliche Schnee- und Windlasten aushalten. Die wesentlichen drei Parameter sind in der Skizze oben dargestellt.

Bei der Planung von Agri-PV-Anlagen sind drei Variablen von Bedeutung.

Foto: Gridparity

Bei der Planung von Agri-PV-Anlagen sind drei Variablen von Bedeutung.
Solardächer für die Landwirtschaft werden nach Bedarf für Lichteinfall und Lüftung angepasst.

Foto: Gridparity

Solardächer für die Landwirtschaft werden nach Bedarf für Lichteinfall und Lüftung angepasst.

Landwirtschaft bestimmt Anlagendesign

Gebaut werden solche Anlagen in Reihen mit unterschiedlichen Gestellbreiten (a) und verschiedenen Reihenabständen (b). Beide werden im Wesentlichen durch die Art der angebauten Früchte und die Anbaumethode bestimmt. In bereits bestehenden Obstplantagen müssen dabei Kompromisse gemacht werden, während Neuanlagen für beide Gesichtspunkte – Obst- und Energieertrag – optimiert werden können. Hierzu werden weltweit derzeit von vielen landwirtschaftlichen Versuchsanstalten Testanlagen betrieben.

Die Höhe (c) wird durch die Wuchshöhe der Pflanzen bestimmt. Bei über etwa vier Meter steigen die statischen Belastungen und damit die Kosten stark an. Die Reihenabstände (b) bestimmen die auf den Flächen mögliche Installation von Solarmodulen. Liegen die Reihen mit fünf bis sechs Meter Abstand relativ nah beieinander, ergeben sich die in der Tabelle dargestellten hohen Anschlussleistungen je Hektar (ha):

Solardach für Apfelbäume

Die Agri-PV-Solardächer bieten Obstkulturen wie Kern- oder Steinobstfrüchten, aber auch anderen Spalierpflanzen wie Weinreben Schutz vor extremen Klimaereignissen. Einige Anlagen sind in Deutschland, Holland, Frankreich und Italien bereits im Betrieb und haben bei den ersten Ernten positive Ergebnisse erbracht. Auch eine im Mai 2022 in Betrieb genommene Anlage mit etwa 250 Kilowatt über der Apfelplantage Bernhardt in Kressbronn am Bodensee nutzt diesen Ansatz.

Verwendet wurden die von Gridparity entwickelten Module Almaden M50 260 Watt mit einer Transparenz von 40 Prozent. Der Apfelbauer Hubert Bernhard zeigte sich bei meinen Besuchen beeindruckt von den Strom­erträgen, die über den Erwartungen lagen. Die Entwicklung der Äpfel war ebenfalls erfreulich und die Qualitätsfaktoren lagen nur geringfügig unter denen von Vergleichskulturen seiner großen Obstplantage. Er plant daher schon den Bau einer weit größeren Anlage im Jahr 2023, sofern die Einspeisemöglichkeit gegeben ist.

Die Optimierung der Stromerträge lässt sich bei der Neuanlage einer Plantage und gleichzeitigem Bau einer Agri-PV-Anlage hinsichtlich des Strom­ertrags relativ genau ermitteln. So lassen sich bei Anlagen über Kernobstplantagen, wie Apfelbäumen, im Bereich Bodensee Erträge von etwa 985 Kilowattstunden je Kilowatt installierter Leistung erzielen. In Südtirol liegen die Erträge bei über 1.250 Kilowattstunden pro Kilowatt. Durch die Verwendung bifazialer Module mit solaraktiven Flächen oben und unten ergeben sich sogar Zusatzerträge von bis zu zehn Prozent bei gleichen Investitionskosten. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:

Bei Baukosten von 1.150 Euro je Kilowatt installierter Anlagenleistung ergeben sich Payback-Zeiträume von bis zu unter sechs Jahren, wenn der reine Stromertrag zugrunde gelegt wird. Nicht berücksichtigt ist in dieser Rechnung der Zusatznutzen für den Obstertrag durch vermiedene Umweltschäden wie Hagel, Starkregen, extreme Hitze und so weiter.

Niedrige Aufständerung für Gartenbau

Beerenkulturen wie Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Erdbeeren im Hochanbau werden in engeren Abständen sowohl der Reihen als auch der Pflanzen angelegt. Auch hier erfordert der Klimawandel Schutzmaßnahmen, die durch Agri-PV-Anlagen erreicht werden können.

Aufgrund des engeren Reihenabstandes ergibt sich bei solchen Anlagen auch die Möglichkeit, die einzelnen Reihen zu einem teilweise geschlossenen Gewächshaus zu verbinden (b in Abbildung oben). Die Anschlusswerte und dadurch auch die Stromerträge liegen bei geschlossenen Konstruktionen höher als bei offenen Konstruktionen (a in Abbildung oben).

In beiden Fällen ist die Kombination mit Systemen zur Regenwassergewinnung sinnvoll durch Dachrinnen, die das Wasser in Sammelbecken leiten. Von dort kann es – auch angereichert mit Nährstoffen – über an den Stützen befestigte Schläuche zur Tropfbewässerung genutzt werden. Erfolgt eine Bewässerungssteuerung über Feuchtigkeitssensoren im Boden, können bis zu 95 Prozent des immer kostbareren Wassers eingespart
werden.

Schematischer Aufbau einer Agriphotovoltaikanlage.

Foto: Gridparity

Schematischer Aufbau einer Agriphotovoltaikanlage.
Die Abstände von vertikal aufgeständerten Modulreihen hängen von der Art der Flächenbewirtschaftung ab.

Foto: Gridparity

Die Abstände von vertikal aufgeständerten Modulreihen hängen von der Art der Flächenbewirtschaftung ab.
Die Stromproduktion der vertikal aufgeständerten Agri-PV-Anlage unterscheidet sich von der eines normalen Solarparks.

Foto: Gridparity

Die Stromproduktion der vertikal aufgeständerten Agri-PV-Anlage unterscheidet sich von der eines normalen Solarparks.

Vertikale Aufständerung

Diese Systeme sind durch Reihen von senkrecht aufgeständerten bifazialen Doppelglasmodulen gekennzeichnet. Um einen hohen Ertrag von beiden Seiten zu erzielen, müssen Verschattungen zu allen Tageszeiten mit unterschiedlichen Winkeln der Sonneneinstrahlung vermieden werden. Daher kommen nur rahmenlose bifaziale Module mit einer hohen Leistung in Betracht, die auf beiden Seiten Strom ernten.

Die installierte Leistung je Hektar (ha) hängt auch bei dieser Installationsart von den Abständen der Reihen ab, wie die folgende Tabelle zeigt:

Der Reihenabstand wird von der landwirtschaftlichen Nutzung bestimmt. Sollen Erntemaschinen genutzt werden, dann sollte ein großer Abstand von etwa zwölf Metern gewählt werden. In diesem Fall lassen sich derzeit nur etwa 400 Kilowatt Leistung je Hektar installieren. Ist jedoch eine andere Nutzung oder auch eine Weidewirtschaft etwa mit Schafen angestrebt, dann lassen sich Anlagen mit bis zu einem Megawatt je Hektar installieren, also fast die gleiche Leistung wie bei einer gängigen Freiflächenanlage.

Die Agri-PV-Anlage unterstützt das Wassermanagement auf dem Acker.

Foto: Grid Parity

Die Agri-PV-Anlage unterstützt das Wassermanagement auf dem Acker.

Agri-PV und Klimawandel

Die Erträge liegen ähnlich hoch wie bei aufgeständerten Anlagen, sodass sich je nach der Vergütung für den produzierten Strom ebenfalls Payback-Zeiträume von nur bis zu zehn Jahren ergeben. Die Ertragskurve weicht allerdings deutlich von derjenigen von aufgeständerten Anlagen ab mit deutlichen Spitzen in den Vormittags- und
Nachmittagsstunden.

Agri-PV-Anlagen machen in vielen Trockenregionen eine landwirtschaftliche Nutzung überhaupt erst wieder möglich. Dies betrifft immer größere Landmassen in den südlichen Teilen Europas. Die italienische Regierung hat dies erkannt und fördert Agri-PV-Installationen mit 1,2 Milliarden Euro. Die Mittel fließen dabei bereits direkt in den Bau von Anlagen, da die schon existierende Krise mit mehreren 100.000 Hektar von nicht mehr nutzbarem Ackerland ein beschleunigtes Umsetzungsverfahren
erfordert.

Der Klimawandel führt dort und in vielen anderen Ländern zu extrem hohen Temperaturen und extremer Wasserknappheit. Wird mit Agri-PV-Anlagen gegengesteuert, kann sich eine langsame Umkehr der Prozesse ergeben: Der Schutz vor extremer Sonneneinstrahlung schützt die Pflanzen und der gewonnene Strom kann für den Betrieb von Pumpen zur Bewässerung und von anderen elektrischen Verbrauchern
genutzt werden.

Bewässerung einfacher verlegen

Die sogenannte Tröpfchenbewässerung ist die sparsamste aller Bewässerungsarten mit einer Wassereinsparung von bis zu 95 Prozent. Der normalerweise hohe Verlegeaufwand kann reduziert werden, da die hierfür benötigten Schläuche direkt an den Agri-PV-Gestellen befestigt werden können. Über die für die Pflanzenarten speziell angebrachten kleinen Auslässe werden nur geringe Wassermengen abgegeben, die zudem mit Nährstoffen angereichert werden können.

Die Anlagen bieten Schutz vor Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hagel. Speziell im Obstbau wird oft ein beträchtlicher Teil der Ernten durch Hagel vernichtet oder die Vermarktung beeinträchtigt. Die teuren Hagelnetze werden eingespart. Auch der Einsatz von Spritzmitteln kann bis zu 80 Prozent reduziert werden, da diese nicht mehr vom Regen abgewaschen und laufend erneuert werden müssen.

An Belange der Landwirtschaft anpassen

Den Vorteilen der Agri-PV stehen nur wenige Nachteile gegenüber. Diese betreffen die Tatsache, dass nicht alle Pflanzen oder Gewächse mit der reduzierten Lichtintensität zurechtkommen und sich zum Teil Mindererträge ergeben. Die landwirtschaftlichen Hochschulen haben weltweit bereits Kataloge entwickelt, welche Pflanzen in welchen Weltregionen betroffen sein können. In Zuchtanstalten wurden bereits Pflanzen gezielt im Hinblick auf die Wachstumseigenschaften bei geringerer Lichtzufuhr selektiert. Die vertikal aufgeständerten Agri-PV-Systeme wiederum erfordern Anpassungen der Prozesse bei der Aussaat und Ernte.

Angesichts der Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels auf die Nahrungsmittelproduktion und des immens steigenden Bedarfs an Elektrizität bei gleichzeitiger Reduzierung des Einsatzes fossiler Brennstoffe stellt der gesteigerte Einsatz von Agri-PV eine große
Chance dar. Prognosen berechnen den deutschen Elektrizitätsbedarf zur Energiewende 2040 mit bis zu 450 Gigawatt. Nach Studien des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) lassen sich in Deutschland auf landwirtschaftlich genutzten Flächen die vier- bis achtfachen Mengen erzielen.

Erträge mit Solarparks vergleichbar

Entscheidend für die breite Anwendung der Agri-PV-Anlagen sind innovative Lösungen mit wenigen Bauteilen, die hohe statische Lasten aushalten. Die industrielle Serienproduktion ist eine wichtige Voraussetzung. Die wichtigste Komponente sind jedoch extrem stabile Doppelglas-Solarmodule, die trotz hoher Transparenz dauerhaft gute Leistungen erbringen.

Durch optimal aufeinander abgestimmte Bauteile und effiziente Installationsarbeiten kann Gridparity für seine Kunden eine Agri-PV-Anlage komplett liefern und errichten mit Kosten von derzeit lediglich 1.100 bis 1.200 Euro pro Kilowatt, etwa so viel wie für aktuelle Freiflächenanlagen. Durch die Integration extrem leistungsstarker Solarmodule sind bei Agri-PV-Anlagen hohe Stromerträge je Hektar möglich, beispielsweise auch bei vertikal gebauten Anlagen. Die Flächenerträge sind mit denen normaler Freilandanlagen vergleichbar.•

Der Autor

Dr. Erich Merkle
ist Geschäftsführer von Gridparity. Zusammen mit Almaden Glas hat er bereits 2006 die ersten transparenten PV-Doppelglasmodule mit dünnen Zwei-Millimeter-Gläsern entwickelt. Die ersten Agri-PV-Anlagen installierte Gridparity bereits vor zehn Jahren in Ägypten. Seither hält Merkle Vorträge und verfasst Beiträge über dieses lange zu wenig beachtete Thema, das inzwischen eine erhebliche Dynamik gewonnen hat.

Foto: Gridparity

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