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Vorsichtig ins Web 2.0

Martin Staffhorst verwaltet eine Institution der Solarszene: www.top50-solar.de. Im Jahr 2000 gegründet und seitdem mit so vielen Relaunchs versehen, dass sich der Ingenieur aus dem schwäbischen Bad Überkingen gar nicht mehr an die genaue Zahl erinnern kann. Begonnen hat Top50-Solar als Website mit einem Ranking der wichtigsten Solarseiten im Internet, mittlerweile ist es zu einem der wichtigsten Firmenverzeichnisse von Händlern, Installateuren, Herstellern und Projektierern in Deutschland geworden. Inzwischen sind auch ein englischer, spanischer, portugiesischer, italienischer und niederländischer Ableger dazugekommen; ein französischer soll auch noch folgen. Anfang März 2011 ist Staffhorst mit einem ambitionierten neuen Projekt gestartet, einem Expertenportal auf Top50-Solar. Das Prinzip ist simpel: Jeder kann anonym eine Frage eingeben, die dann von einem der Fachleute beantwortet wird. Deren Liste liest sich inzwischen wie ein Who-is-Who der deutschen Solarszene: Firmenchefs wie Matthias Willenbacher von Juwi oder Leonhard Haaf von Tauber Solar zählen dazu, Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Andrew Murphy (Murphy & Spitz Umweltconsulting) oder Journalisten wie Franz Alt und Rolf Hug (Solarserver). Rund 120 Experten sind inzwischen gelistet, an Werktagen gehen meist zwei Antworten online.Je nach Sichtweise geht Top50-Solar, mehr als zehn Jahre nach seinem Start, damit einen vorsichtigen Schritt in Richtung Web 2.0, also einem interaktiven Internet, bei dem die Nutzer selbst die Inhalte mitbestimmen wie auf Wikipedia, Facebook oder in Internetforen – oder bleibt weit dahinter zurück, weil die Interaktivität auf das Stellen von Fragen beschränkt bleibt. Pöbelnde Trolls in den Foren, Spam, der Austausch gepflegten Halbwissens unter Laien oder „Like-it“-Buttons wie bei Facebook – all die mittlerweile viel diskutierten Formen des interaktiven Internets – vermeidet das Portal jedenfalls.

Dennoch hätte ein bisschen mehr Web 2.0 dem Expertenportal gutgetan. Eineerste böse Überraschung lauert schon bei der Eingabefunktion für eigene Fragen, die im Nirwana verschwinden. Ihr Status bleibt unklar und wird auf der Homepage nicht angezeigt. Selbst die Möglichkeit, durch eine E-Mail bei deren Beantwortung benachrichtigt zu werden, lässt sich nicht gleich beim Absenden der eigenen Frage aktivieren, sondern nur durch eine zusätzlich abgeschickte Mail vom eigenen Account. Das ist unnötig kompliziert. Wer keine Mail abschickt, dem bleibt nur häufiges Klicken auf die Website, ob die Antwort schon online gestellt wurde.

Top50-Solar ist ein Low-Budget-Portal. Honorar erhalten die Fachleute derzeit keines. „Visibilität“, wie es Staffhorst nennt, ist der einzige Vorteil, der für sie dabei herausspringt. „Wir haben die Expertenplattform speziell suchmaschinenoptimiert und somit dafür gesorgt, dass die Expertenprofile wie auch deren Beiträge bei Google sehr gut gerankt sind“, sagt er. Ein Kriterium, das für Firmenchefs oder Professoren, die ohnehin mit ihren Qualifikationen in der Öffentlichkeit stehen, nicht unbedingt einen Anreiz darstellen dürfte. Dennoch müsste das kein Hindernis sein – schließlich ist in der Netzkultur, siehe etwa Wikipedia, die Bereitschaft, sein Wissen kostenlos mit anderen zu teilen, größer als offline. In der Praxis hatte allerdings Anfang November mehr als die Hälfte der Fachleute noch keinen einzigen Beitrag verfasst.

Geht eine Frage ein, sortiert die Redaktion zunächst Spam oder sinnlose Fragen aus. „Dann haben die Experten in ihrem Login Zugriff auf offene Fragen und können diese auswählen.“ Nur wenn diese es wünschen, werden sie auch persönlich bezüglich offener Fragen angeschrieben. Die Antworten werden vor der Freischaltung von der Top50-Redaktion kontrolliert, allerdings nur auf äußere Kriterien wie die Werbefreiheit des Beitrags, nicht auf Richtigkeit: „Die Experten sind ja die Fachleute“, sagt Staffhorst.

Die Fragen werden konkreter

Aber was bringt das Portal seinen Nutzern bislang inhaltlich? „Die Fragen“, sagt Staffhorst, „sind inzwischen spezieller geworden.“ Anfangs sei das Thema etwa Blitzschutz ganz allgemein gewesen. „Aber zuletzt gab es dann eine Frage nach der Nachrüstung dafür auf einem Dach und wer in diesem Fall für die Kosten zuständig ist.“ Auch Antworten bezüglich einer Garantie bei der Insolvenz des Modulherstellers, dem Elektrosmog von Photovoltaikanlagen oder der Schneelast darauf, um nur ein paar Beispiele zu nennen, bieten nützliches Hintergrundwissen. Mit der Zeit könnte hier eine beachtliche Datenbank zusammenkommen.

Fehlerfrei ist das Portal allerdings nicht. Modulwechselrichterhersteller dürften von der Top50-Solar-Expertenantwort vom August überrascht sein, dass ihre Produkte in Deutschland nicht zugelassen sind. In üblichen Internetforen wäre eine solche Stellungnahme vermutlich schnell korrigiert worden. Zumindest eine Nachfragefunktion wäre bei Top50-Solar wohl sinnvoll.

Staffhorst spricht jedenfalls davon, dass die jetzige Online-Version der Expertenplattform nur die „Version 1.0“ sei. „Bei unseren Webprojekten verfolgen wir immer die Philosophie, relativ schnell zu launchen und dann die Seite mit dem Feedback der Nutzer weiterzuentwickeln.“ Derzeit habe das Forum ein paar hundert Zugriffe am Tag, sagt er – „mit steigender Tendenz“.

Ergänzung:

Top50 Solar hat den Artikel mittlerweile in seinem Blog kommentiert: http://blog.top50-solar.de/

Martin Reeh