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Mehr Licht für die Zelle

Glas ist durchsichtig, das weiß doch jedes Kind. Manchmal bricht es, manchmal hat es Kratzer. Meist können wir das verschmerzen. Nur bei Weingläsern, Autoscheiben und Solarmodulen nicht.

Jeder Solarexperte weiß: Schmutz und Kratzer mindern die Leistung – letztlich macht sich das im Geldbeutel der Kunden bemerkbar. Deshalb lohnt ein genauerer Blick auf diesen oft gering geschätzten Werkstoff, der in der Solarbranche so selbstverständlich ist wie die Luft zum Atmen.

Dabei ist das Solarglas ein Material, in dem viel Wissen und Erfahrung steckt. Denn es gibt viele Eigenschaften und Beschichtungen, die das Glas veredeln und bestimmte Anwendungen optimieren.

Gussglas, auch Rollglas genannt, entsteht in Walzwerken. Der flüssig-heiße Glasbrei wird zwischen zwei Walzen verpresst und erstarrt. Die Abdrücke der Walzen (Rollen) strukturieren die Oberflächen der Scheiben. Die zweite Möglichkeit, Glasscheiben herzustellen, ist die Floatlinie. Die meisten unserer Fenstergläser, Auto- oder Displayscheiben sind mit diesem Verfahren hergestellt.

Bei F-Solar in Osterweddingen bei Magdeburg steht eine solche Floatglaslinie. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Thomas Keyser begeben wir uns auf einen Rundgang durchs Werk. 750 Tonnen Glas verlassen täglich den Schmelzofen, in dem sich permanent 2.500 Tonnen Schmelze befinden. Die Temperatur im Ofen: 1.600 Grad Celsius. Der Ofen läuft 20 Jahre ununterbrochen: 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage pro Jahr. Reparaturen und Wartungsarbeiten werden im laufenden Betrieb durchgeführt.

Glas am laufenden Band

Am Anfang steht das Gemenge, ein Gemisch aus Sand, Soda und Kalk. Permanent wird es in den Ofen gefüllt, geschmolzen und verlässt am Ende als dickflüssiger Glasstrom den Ofen.

Auf einem flüssigen Zinnbad, ungefähr 50 Meter lang und 3,60 Meter breit, wird die Schmelze zum Rohglas geformt. Wie Honig zerfließt das Glas auf dem Zinn. Weil das Zinn eine hohe Oberflächenspannung hat, kann sich die heiße Glasschmelze damit nicht verbinden, sie schwimmt absolut plan darauf.

Um die Glasdicke und die Breite des endlosen Glasbandes zu variieren, kommen sogenannte Toproller zum Einsatz. So entstehen dünnere oder dickere Gläser, millimetergenau nach Plan. Danach durchläuft das Glas einen 100 Meter langen Rollenkühlofen, der es auf rund 200 Grad Celsius herunterkühlt.

Es ist ein ziemlich langer Fußmarsch vom Schmelzofen bis zum Ende der Kühlstrecke, wo man das Glas zum ersten Mal wirklich sehen kann. Am kalten Ende beginnt die Verarbeitung, und das Endlosband wird in Jumboscheiben geschnitten, auf 3,20 mal sechs Meter.

Das Besondere am Solarglas

Für Abnehmer aus der Solarindustrie laufen jährlich zwei bis drei Kampagnen. Für sie wird der Eisenanteil im Glas reduziert.

Dafür genügt es nicht, einfach einen Schalter umzulegen. Das Gemenge in seiner Zusammensetzung zu verändern und die Temperatur im Ofen anzupassen, dauert einige Tage. Denn die Schmelztemperatur im Ofen berücksichtigt die Zusammensetzung der Rohstoffe. Eisen absorbiert Wärme. Wenn der Eisenanteil geringer ist, muss in der Schmelze eine um 100 Grad Celsius höhere Temperatur herrschen. Der Eisengehalt wird von 700 auf 100 Parts per million heruntergefahren.

Erst wenn tatsächlich eisenarmes Glas den Ofen verlässt, eignet es sich für Solarmodule. Eisenarmes Glas ist deshalb für Solarmodule so wichtig, weil Eisenoxid die Lichtdurchlässigkeit mindert. Weniger Licht erreicht die Solarzelle, sie erzeugt weniger Strom.

Bei eisenhaltigen Gläsern sieht man an der Kante den Grünstich, eisenarme Gläser haben ihn nicht. Ist der geringe Eisengehalt einmal eingestellt, dauert eine Kampagne mindestens sechs Wochen.

Wissen und Erfahrung

Die produzierten Gläser wandern ins Lager und warten auf die weitere Verarbeitung. Nächster Schritt ist die Antireflexbeschichtung. Sie erfolgt in mehreren Vakuumkammern.

In dieser Anlage stecken viel Grips und Patente: Sie kann auch gängiges Architekturglas mit Wärmeschutz oder Sonnenschutz beschichten. F-Solar hat in diesem Arbeitsschritt viel Wissen und Erfahrung gesammelt. Jumboscheiben zu beschichten ist effizienter und qualitativ hochwertiger als die nachträgliche Beschichtung bereits geschnittener Modulgläser. Die Antireflexschicht ist nur 100 Nanometer dünn. Sie besteht aus Siliziumoxid.

Eine feste Verbindung

Später, beim thermischen Vorspannen, verbindet sich diese Schicht untrennbar mit dem Glas. Geschäftsführer Thomas Keyser vergleicht die poröse Oberfläche unter dem Mikroskop mit den Wolkenkratzern von Lower Manhattan. Diese poröse, zerklüftete Struktur lenkt das Sonnenlicht ins Glas und damit auf die Solarzellen.

Die Porosität reicht aber nicht bis hinab zum Rohglas, sondern nur etwa bis zur Hälfte der insgesamt 100 Nanometer dünnen Beschichtung. Die Seite, die zum Glas zeigt, ist komplett geschlossen, eine Diffusionsbarriere. Sie verhindert, dass Partikel wie zum Beispiel Natrium an die Oberfläche geraten. Dann könnte das Glas korrodieren, ein unumkehrbarer Schaden.

Diese Antireflexbeschichtung darf man nicht mit prismiertem Glas verwechseln, wie es für Module mit hoher Antiblendwirkung verwendet wird. Das kann man nur im Rollglasverfahren herstellen. Die strukturierten Rollen erzeugen eine entsprechende Oberfläche.

Der letzte Schliff

Antireflexbeschichtung und prismierte Oberflächen sind also zwei verschiedene Dinge. Nach der Beschichtung folgt die kundenspezifische Endfertigung: Die Gläser werden geschnitten, die Kanten geschliffen, erforderliche Bohrungen eingebracht. Danach folgen eine weitere Wäsche und eine optische Prüfung mit Kameras und den geübten Augen der Mitarbeiter.

Im letzten Arbeitsschritt werden Gläser thermisch vorgespannt. Sollten sie doch einmal brechen, dann möglichst in kleine, stumpfe Stücke. In einem Tunnel werden die Scheiben auf 650 Grad Celsius erhitzt. Während dieses Aufheizens verbindet sich die Antireflexschicht fest mit dem Glas.

Anschließend wird mit hohem Druck kühle Luft eingepresst. Glas ist ein schlechter Wärmeleiter. Deshalb bleibt der Kern der Scheibe heiß. Außen zieht sich das Glas aufgrund der geringeren Temperatur zusammen. So entsteht Druckspannung in den oberflächennahen Zonen, im Inneren herrscht Zugspannung.

Reinigung beansprucht Gläser

Im fertigen Solarmodul ist die Antireflexschicht die äußere Haut. Sie wird beim Transport, bei der Lagerung, der Installation und vor allem bei der Reinigung strapaziert. Sie entscheidet über die Langlebigkeit des Produkts und seine Erträge.

F-Solar hat gemeinsam mit dem Fraunhofer CSP in Halle eine Studie erstellt, die die Reinigungsbeständigkeit von Antireflexgläsern untersucht. Verschiedene Gläser wurden im Labor den gleichen Reinigungszyklen ausgesetzt.

Ein im Sol-Gel-Verfahren beschichtetes Vergleichsglas hatte anfangs einen leicht höheren Transmissionsgrad als das vakuumbeschichtete Glas. Sprich: Module mit diesem Glas und dem gleichen Moduldesign hätten ein paar Watt Leistung mehr aufweisen können.

Beide Gläser verloren bei der Reinigungsbeanspruchung mit 100 Bürstenhüben an Transmission – mit einem wichtigen Unterschied: Beim vakuumbeschichteten Glas war eine leichte Verringerung der Transmission zu erkennen, beim Vergleichsprodukt war die Antireflexschicht nach derselben Beanspruchung stark beschädigt und die Transmissionswerte schlechter.

Tunnelblick auf den Flasher

Thomas Keyser ist überzeugt von der Qualität seiner Solargläser, weiß aber auch um die Zwänge der Modulhersteller: „Die längere Lebensdauer sehen Sie nicht im Flasher, die drei Watt pro Modul, die der anfänglich höhere Transmissionsgrad bringt, schon – und nur dafür ist der Kunde bereit zu zahlen.“

Die Photovoltaikindustrie schöpft bisher längst nicht alle Möglichkeiten aus, die das Glas zu bieten hat. Noch ist sie zu sehr auf das Ergebnis des ersten Flashertests fixiert: Anfängliche hohe Leistung aus dem Modul ist wichtiger als dauerhaft hohe Erträge. Das wird sich nach Ansicht von Keyser erst ändern, wenn dieser Tunnelblick aufgegeben wird.

Schon zwölf Millionen Quadratmeter Glas mit Antireflexbeschichtung hat F-Solar an die Solarindustrie geliefert. Solarglas macht jedoch nur einen kleinen Teil der Floatglas-Produktion aus, weltweit nur rund vier Prozent. Ein Engpass beim Glas ist also nicht zu erwarten.

Auch für solarthermische Anwendungen und konzentrierende Photovoltaik liefert F-Solar die passenden Gläser. Zudem hat sich das Unternehmen Kunden in der Ölförderung erschlossen.

Um die Ausbeute einer Bohrstelle zu erhöhen, pumpen die Förderer heißen Wasserdampf ins Bohrloch (Enhanced Oil Recovery). Der Dampf wird mit Gasbrennern erzeugt. Absurd: Gas wird zum Ölfeld gepumpt und verbrannt, um Wasserdampf herzustellen.

Ein anderes Konzept ist, den Wasserdampf in riesigen Gewächshäusern mit Sonnenkraft zu produzieren. Dafür wird jede Menge antireflexbeschichtetes Solarglas benötigt. F-Solar aus Osterweddingen liefert es – unter anderem in den Nahen Osten.

www.fsolar.de

Fraunhofer CSP

Abrasionseigenschaften von Beschichtungen verglichen

Weil F-Solar viele Gläser für solare Anwendungen in Wüstengegenden liefert, muss die Antireflexschicht besonders haltbar sein. In solchen Regionen legt sich nämlich immer wieder Wüstenstaub auf die Module. Sie müssen regelmäßig gereinigt werden – und das meist trocken! Die oberste Glasschicht wird also ganz besonders beansprucht.

Drei Gläser im Test

Forscher am Fraunhofer CSP haben in einem Versuchsaufbau die Haltbarkeit der AR-Schicht untersucht. Im Test waren drei Gläser: ein unbeschichtetes Glas von F-Solar, ein Glas mit AR-Schicht von F-Solar und ein kommerziell verfügbares Referenzglas mit AR-Beschichtung, die im Sol-Gel-Verfahren aufgebracht wurde. Zunächst wurde im Versuchsaufbau dafür gesorgt, dass nur die Reflexions- beziehungsweise Transmissionseigenschaften der Frontschicht in den Messergebnissen zu Buche schlagen.

Die Reflexionseigenschaften der Gläser wurden vermessen und danach die Gläser mit Staub bedeckt und bis zu 500 Bürstenhüben ausgesetzt. Die Trockenreinigung diente sozusagen als Worst-Case-Szenario für das Glas. Dabei wurde angenommen, dass ein Bürstenhub einem Reinigungsvorgang entspricht. Jeweils in Intervallen wurde der sich verändernde Reflexionsgrad gemessen und daraus ein Transmissionsgrad für die beschichtete Glasoberfläche errechnet.

Das Ergebnis

Das Vergleichsglas hatte anfangs einen leicht höheren Transmissionsgrad. Er betrug rund 99 Prozent. Typische Transmissionsgrade eines gesamten Glases liegen bei 90 bis 91 Prozent. Hier wurde jedoch nur die Transmission an der Oberfläche ermittelt. Dieser Oberflächen-Transmissionsgrad fiel jedoch bereits nach 100 Bürstenhüben signifikant auf rund 96, 5 Prozent ab.

Die im Vakuumdepositverfahren beschichtete Glasoberfläche von F-Solar hatte anfangs einen leicht niedrigeren Transmissionsgrad von rund 98 Prozent, hielt jedoch den 100 Bürstenhüben viel besser stand. Der Transmissionsgrad fiel nur auf 97,5 Prozent und war damit ein Prozent besser als der des Vergleichsglases.

Die Forscher leiten daraus eine gute Beständigkeit der Antireflexschicht ab. Für die Praxis heißt das: In Gegenden, wo Solargläser häufig gereinigt werden müssen, ist die Beständigkeit der Antireflexschicht ein Zünglein an der Waage, wenn anhaltend gute Energieerträge erzielt werden sollen. Diese Studie stellt den Auftakt für weitere Projekte dar, die die Beständigkeit von Gläsern im Reinigungsprozess untersuchen sollen.

www.csp.fraunhofer.de

Kurz nachgefragt

„Die Märkte für BIPV differenzieren sich“

Luxor Solar ist schon seit Längerem mit speziellen Produkten für die Bauwerkintegration (BIPV) am Markt. Wie schätzen Sie die Nachfrage ein?

Thomas Dessoi: Wir sehen, dass sich die Märkte vor allem in Europa sehr unterschiedlich entwickeln, sich differenzieren. Dies ist teilweise auf die in der Vergangenheit unterschiedlichen normativen und regulativen Vorgaben zurückzuführen. Deutschland hängt dem Trend zu mehr bauwerkintegrierter Photovoltaik hinterher. Unsere europäischen Nachbarn im Norden und Westen sind uns hier lange voraus. Wollte man in Deutschland früher ein Solarmodul über Kopf montieren, war die Zertifizierung durch das DiBT notwendig. In Benelux, Frankreich und Skandinavien gab es diese Hürden nicht.

Was ist die Folge?

In den Benelux, Frankreich und Skandinavien spielen ästhetische Anforderungen eine viel größere Rolle, und sie werden deutlich zügiger umgesetzt. Ein tolles Beispiel sind zum Beispiel spezielle Solarschindeln in Full-Black-Optik, die wir für unseren Kunden Solartag in Dänemark entwickelt haben. Die ersten Projekte wurden bereits realisiert. Diese Glas-Folie-Schindeln haben 9, 14 oder 16 Zellen und bilden gleichzeitig eine aktive Dachhaut.

In den Benelux, Frankreich und Skandinavien spielen ästhetische Anforderungen eine viel größere Rolle, und sie werden deutlich zügiger umgesetzt. Ein tolles Beispiel sind zum Beispiel spezielle Solarschindeln in Full-Black-Optik, die wir für unseren Kunden Solartag in Dänemark entwickelt haben. Die ersten Projekte wurden bereits realisiert. Diese Glas-Folie-Schindeln haben 9, 14 oder 16 Zellen und bilden gleichzeitig eine aktive Dachhaut.

Wie bewerten Sie den BIPV-Markt in Schweden?

Er ist eher von größeren Projekten getrieben. Hier spielen Carports und Fassaden im gewerblichen und öffentlichen Bereich eine größere Rolle. Auch in Benelux merken wir, dass ästhetische Lösungen immer wichtiger werden. Vor allem in Holland steigt die Nachfrage, hier mit dem Fokus auf Wohngebäuden.

Welche Produkte werden in Holland nachgefragt?

Bei Bestandsimmobilien sind Indachlösungen, häufig mit Glas-Glas-Modulen gefragt. Bei Neubauten oder Dachsanierung werden immer stärker Solarziegel favorisiert. Für unseren Partner Zep B.V. haben wir ein optisch ansprechendes und leistungsstarkes Laminat entwickelt, für den Zep-Solarziegel. Diese werden in Schwarz oder in klassischem Ziegelrot angeboten. Die Solarmodule sind nahezu unsichtbarer, vollintegrierter Bestandteil der Gebäudehülle.

Gibt es Nachfrage aus Belgien oder Luxemburg?

Auch Belgien werden die Glas-Glas Solarmodule unserer Eco Line und Secure Line nachgefragt, als transparente wie auch als Black Edition. Sie werden überwiegend in Aufdachanlagen verwendet. In Luxemburg besteht ebenfalls eine hohe Nachfrage nach attraktiven Solarmodulen, mit Schwerpunkt Full Black. Ich gehe davon aus, dass die Erhöhung der Einspeisevergütung für das Jahr 2019 in Luxemburg die Nachfrage nochmals steigern wird, auch bei der BIPV..

www.luxor-solar.de

Thomas Dessoi

leitet den Vertrieb Deutschland bei Luxor Solar in Stuttgart. Zuvor war er für ein Medienhaus in den erneuerbaren Energien tätig.

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