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“Die Heizkörper sterben aus“

Carbon-4 ist ein neuer Farbanstrich, der obendrein Wärme spendet. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Andreas Hild: Es handelt sich um einen Anstrich, der mittels einer Gleich- oder Wechselspannung von 24 Volt angeregt wird, Wärme abzugeben. Im Anstrich sind leitfähige Carbonfasern und andere Partikel enthalten, die den elektrischen Strom ganzflächig in Wärme umwandeln. Dazu haben wir ein Patent angemeldet und erhalten. Technisch gesehen handelt es sich um eine flächige Strahlungsheizung.

Wie warm wird der Anstrich im Betrieb?

Etwa 40 bis 45 Grad Celsius auf der Wand. Man kann ihn aber auch als elektrische Bodenheizung nutzen, mit Estrichaufbau oder ohne. Etwa 50 Prozent seiner Wärme gibt er als Strahlungsleistung ab. Dadurch wird der Raum mit sehr geringem Energiebedarf auf sehr komfortable Weise aufgeheizt. Die früher bekannten Heizkörper fallen weg, ebenso die wassergeführten Heizregister. Einfach den Anstrich aufbringen, das ist alles. Die Heizleistung ergibt sich aus der Anstrichdicke und der Fläche, über die Wärme abgestrahlt wird.

Wie wird die elektrische Heizfläche kontaktiert?

Über hauchfeine Kupferstreifen, nur 0,2 Millimeter stark und 20 Millimeter breit. Sie werden im Abstand von 60 Zentimetern mittels Klebebändern aufgeklebt und sind per Kabel mit dem Transformator verbunden. Man kann Netzstrom nutzen, der im Trafo auf 24 Volt Wechselspannung reduziert wird. Oder man geht direkt mit Gleichstrom ins System, etwa aus einer Solarbatterie. Das hat den Vorteil, dass es keine Wechselfelder mehr gibt, die elektromagnetische Verträglichkeit ist optimal. Deshalb passen Photovoltaik, Solarbatterien und unser Farbanstrich ideal zusammen.

Warum gehen Sie mit den Spannungen nicht höher?

Weil es nicht notwendig ist. Mit 24 Volt dürfen Sie sogar im Nassbereich arbeiten. Unser Anstrich Carbon-4 kommt oft bei Badsanierungen zum Einsatz, um eine Fußbodenheizung mit geringem Aufwand nachzurüsten. Zuerst wird eine Unterschicht aufgebracht, um die Reflexion der Wärme aus der Wand zu unterstützen. Danach kommt der Heizanstrich, den Sie problemlos mit Fliesen oder mit anderen Materialien abdecken, die den Wärmeübergang wenig behindern. Man kann in den Anstrich bohren, wie in jeden normalen Putz. Oder drüberspachteln.

Es gibt eine ähnliche Idee mit Heizfolien …

Damit hat der Erfinder von Carbon-4 umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Er kommt aus der Infrarotheizungsbranche und hat für die Industrie solche Heizfolien entwickelt. Allerdings können Sie eine solche Folie nicht überstreichen oder überputzen, auf der glatten Oberfläche hält nichts. Das ist bei Carbon-4 anders. Nachdem Sie die Heizschicht aufgetragen und kontaktiert haben, können Sie problemlos darüberstreichen beziehungsweise einen geeigneten Wandaufbau aufbringen. Auch hat die Folie immer eine bestimmte Heizleistung pro Quadratmeter. Manchmal reicht das nicht aus.

Wie lange sind Sie damit schon am Markt?

Seit etwa fünf Jahren. Der Erfinder kommt aus Österreich, unsere Firma sitzt in Baierbrunn bei München. Meine Aufgabe ist es, die Geschäfte zu entwickeln und den internationalen Vertrieb aufzubauen. Wir richten uns ausschließlich an Fachhandwerker. Das ist kein Produkt für den Baumarkt, das ist eine Sache für Profis. Denn man kann je nach Fläche und Dicke die Heizleistung genau nach den Wünschen der Kunden auslegen. Bisher haben wir ungefähr zwischen 16 und 20 Megawatt Heizleistung installiert.

Zum Beispiel?

Man kann Heizzonen im Gebäude schaffen, hat also völlig neue Möglichkeiten der Wärmegestaltung. Unsere Partnerbetriebe werden von uns zertifiziert, denn die Anwendungen der Heizfarbe sind sehr vielfältig. Neben den Flächenheizungen für den Neubau sind es die erwähnten Badsanierungen, aber auch Sanierungen von schimmelbefallenen Wänden.

Erläutern Sie diesen Fall bitte kurz?

Schimmel geht auf kalte Wände zurück, deren Temperatur unter dem Taupunkt liegt. Dort kondensiert Feuchtigkeit, der Nährboden für den Schimmel. Mit unserem Heizanstrich heben wir die Temperatur der Wand, verlegen den Taupunkt in die Wand hinein. Denn der Anstrich ist diffusionsoffen. So hat Schimmel keine Chance mehr. Man kann die Heizfläche und die Temperatur exakt so einstellen, dass der Schimmel verschwindet. Auch hinter Möbeln beispielsweise, wo sich oft kalte Wandflächen ausbilden.

Also könnte man damit sogar punktuell wirksam werden?

Freilich. Der Handwerker kann die elektrische Leitfähigkeit des Anstrichs je nach gewünschter Anwendung selbst einstellen. Die Idee an sich ist nicht neu: Elektrische Lacke sind seit 1940 bekannt. Man kennt sie aus der Industrie oder als Heizung für Autospiegel. Wirklich neu ist die Idee, die elektrische Heizung in einen Anstrich zu verlegen, der so einfach und vielseitig verarbeitbar ist wie ein konventioneller Anstrich. In Kirchen, in denen Konvektionsheizungen oft nicht möglich sind, können wir damit bestimmte Zonen heizen.

Benötigen Ihre Partner besondere Vorkenntnisse?

Es handelt sich um ein hochwertiges Produkt, mit dem man Räume beheizen kann. Also sollten die Handwerker Erfahrungen aus der Heiztechnik mitbringen. Man braucht zudem ein gewisses technisches Verständnis für diese neue Art zu heizen. Wassergeführte Heizungen werden nie wärmer als die Temperatur im Vorlauf. Wird keine Wärme am Heizkörper abgefordert, ist die Temperatur genauso hoch wie im Vorlauf. Infrarotheizungen können einen Hitzestau verursachen, weil das System elektrische Leistung nachschiebt.

Was muss man bei der Heizfarbe beachten?

Unser Heizanstrich liefert genau genommen keine dauerhafte Leistung, sondern stellt eine bestimmte Temperatur ein. Ist sie erreicht, schaltet der Thermofühler im System die Leistung ab. Die Ansprechzeiten sind sehr kurz. Das passt gut mit den Anforderungen an das Lastmanagement zusammen, die Sie in der Photovoltaik und von den Stromspeichern her kennen. So gesehen, muss man bei der Planung einiges beachten.

Welches Produkt liefern Sie aus? Ein Pulver? Oder eine vorbereitete Anstrichmasse?

Als gebrauchsfähigen, wasserbasierten Anstrich in Eimern zu zwölf Litern. Der Anstrich ist aufgrund seiner Zusammensetzung immer schwarz, dadurch ergibt sich seine Leitfähigkeit. Wenn er an der Wand abgetrocknet ist, kann er überspachtelt oder übermalt werden, je nach Farbwunsch des Kunden.

Wie lange dauert die Verarbeitung?

Ein Haus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche ist innerhalb von drei Tagen mit einer funktionsfähigen Heizung ausgestattet. Dann können die Nachgewerke ins Gebäude. Der erste Anstrich selbst braucht etwa eine Stunde, um zu trocknen. Er wird trocken geheizt, danach kann man den zweiten Anstrich auf die vorgewärmte Schicht aufbringen. Der Anstrich ist wasserbasiert, frei von Lösungsmitteln oder Giften. Er erfüllt alle Innenraumstandards.

Vertreiben Sie direkt an die Installateure?

Wir gehen über den Großhandel, der installierende Betriebe beliefert. Das sind zum Beispiel Sanitär Wahl in Baden-Württemberg oder Partner in Berlin und Hamburg. Auch in anderen Ländern machen wir das mit Partnern, die dort wie Großhändler auftreten und die Handwerker vor Ort schulen.

Wie entwickelt sich die Nachfrage?

Wir haben unser Geschäft in jedem Jahr verdoppelt. Der Heizanstrich macht die wassergeführte Heizung überflüssig und bietet eine Alternative zur Wärmepumpe. Nehmen Sie ein Appartement von 100 Quadratmetern als Beispiel. Mit unserem Anstrich passt die gesamte Heizung auf die Rückbank eines Pkw. Rohre, Heizgeräte und Heizkörper sind Geschichte. Und man braucht weniger Heizenergie, um denselben Komfort zu erzielen. Es gibt schon Energieversorger, die spezielle Stromtarife für die Farbheizung anbieten.

Das Interview führte Heiko Schwarzburger.

www.carbon-4.com

Yshield GmbH & Co. KG

Heizfarbensystem Ytherm aus Niederbayern

Die Yshield GmbH aus Ruhstorf in Niederbayern entwickelt und produziert seit 2003 elektrisch leitfähige Abschirmfarben auf Carbonbasis zur Abschirmung von Räumen und Gebäuden gegen elektromagnetische Felder. Zudem bietet das Unternehmen unter dem Markennamen Ytherm Heizfarben an.

Das Heizfarbensystem besteht aus verschiedenen Komponenten (Heizfarben, Steuerungen, Montagezubehör), die von Fachbetrieben (Maler, Heizung, Elektro) zu einem Gesamtsystem installiert werden. Ergebnis ist ein modernes und unsichtbares Infrarotheizsystem.

Die Hauptkomponenten (Heizfarben, Steuerungen und diverses Zubehör) werden in Ruhstorf entwickelt und produziert. Ytherm sucht Fachbetriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Partner für den Vertrieb und die Installation der Systeme.

www.yshield.com/de

Dr. Andreas Hild

ist bei Carbon-4 für die weitere Entwicklung des Geschäftsmodells und der Elektronik zuständig. Zudem leitet er den internationalen Vertrieb und ist in der Schulung der Handwerker tätig.

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