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Übertriebene Erwartungen

Der polnische Photovoltaikmarkt ist ein Embryo: unsichtbar, aber mit sehr hohen Erwartungen bedacht. So bezeichnet ein Insider den polnischen Solarmarkt. Grzegorz Wisniewski ist Präsident des Instituts für Erneuerbare Energien, ein unermüdlicher Vordenker der Energiewende in unserem östlichen Nachbarland. „Vor allem unter jungen Menschen gilt die Solarenergie als große Hoffnung“, erläutert er. „Aber eine politische Strategie gibt es nicht.“ Wisniewski ist ein kleiner Mann, der sich gegen das große Rad der Regierungsbürokratie in Warschau stemmt. Viele Gesetzesinitiativen sah er kommen und gehen. Nun liegt der Entwurf eines Fördergesetzes für erneuerbare Energien auf dem Tisch, in das vornehmlich ausländische Investoren große Hoffnungen setzen. Wisniewski hingegen ist skeptisch: „Derzeit warten alle ab, was in der Regierung entschieden wird“, meint er. Zwar seien zwischen 300 und 400 Megawatt Photovoltaik in der Planung, aber niemand weiß, wie die Förderung tatsächlich aussehen wird. Klar scheint zumindest: „Das Fördergesetz kommt nicht vor der Sommerpause“, urteilt Pawel Garlak, Chefredakteur der Fachzeitschrift Instalator Polski. „Und es wird einige komplizierte Vorschriften zur Ausführung beinhalten.“ Nach der Sommerpause, das bedeutet: frühestens im September. Dann ist die Solarsaison in Polen vorbei, die ersten Schneeböen aus Sibirien fegen über das flache Land. Bis dahin wird der Photovoltaikmarkt in Polen weiterhin unsichtbar bleiben und unerreichbar fern für deutsche Investoren oder Installateure. Sie warten ab, wie sich die gesetzlichen Vorschriften entwickeln. Denn in Spanien und Tschechien haben sie sich bereits die Finger verbrannt:Dem schnellen Boom durch die hohen Einspeisevergütungen folgte die jähe Ernüchterung, als die Regierungen in Madrid und Prag auf die Budgetbremse traten.

Aber der europäische Photovoltaikverband EPIA führt Polen in seiner Statistik nicht auf, weil der Markt nicht einmal 100 Megawatt erreicht. „Polen hat die Erwartungen 2012 nicht erfüllt, die Aussichten für 2013 bleiben schwach“, resümieren die Autoren des Marktreports für 2012, der unlängst erschien. In diesem Jahr werden voraussichtlich nur 3,5 Megawatt durch Großanlagen mit mehr als 100 Kilowatt installiert. Insgesamt dürfte der polnische Markt 2013 rund 50 Megawatt erreichen. Bis 2020 rechnen Analysten mit einem Zubau von jährlich rund 90 Megawatt.

Mehr als 200 Betriebe

Immerhin gibt es in Polen schon mehr als 200 Photovoltaikunternehmen, vor allem Installateure und Händler. 2007 war es gerade eine Handvoll gewesen. Davon stellen 14 Betriebe verschiedene Komponenten her: Module und Montagetechnik.

Auch eine großzügige Einspeisevergütung wird den polnischen Photovoltaikmarkt nicht nach oben schießen, wie seinerzeit Spanien oder Tschechien. „In Polen ist es sehr schwierig, Zugriff zum Stromnetz zu bekommen“, warnt Grzegorz Wisniewski. „Die Photovoltaik passt nicht zu den Anschlussvorschriften der Netzbetreiber. Und in den ländlichen Gebieten ist das Netz so schwach, dass man höchsten 150 Kilowatt anschließen kann.“

Zwei hohe Hürden

Das polnische Stromnetz befindet sich fest in den Händen von vier Energieversorgern, die russische und schwedische Kohle verstromen. Wenn jemand eine Photovoltaikanlage anschließen will, muss er den Ausbau des Anschlusspunktes selbst bezahlen. Das ist ein enormes Risiko. „Außerdem haben die Polen in der Regel nicht so viel Geld wie die Deutschen oder die Tschechen“, meint Pawel Garlak vom Instalator. „Schon jetzt drängen tschechische Installateure auf den polnischen Markt, weil sie einen Vorsprung in der Photovoltaik haben.“ Garlak hat im März eine viel beachtete Konferenz organisiert, zu der rund 200 Installateure nach Warschau kamen. Mit seinem Fachblatt, einer Schwesternzeitschrift der photovoltaik, propagiert er die Sonnengeneratoren als neues Standbein für die polnischen Elektriker. Denn auch in Polen steigen die Strompreise. Chancen sieht er vor allem bei den kleinen und Mikroanlagen für den Eigenverbrauch. Die Preise für Photovoltaik liegen in Polen auf ähnlichem Niveau wie in Deutschland (1,3 Euro je Watt), allerdings sind die Einkommen viel geringer. Mehr als drei oder vier Kilowatt kann sich ein durchschnittlicher Arbeitnehmer mit eigenem Häuschen sicher nicht leisten. Auch werden solche Anlagen in der Regel als Inselsysteme betrieben, um Ärger mit dem Netzbetreiber zu vermeiden. Nur in einigen Regionen gibt es Förderprogramme, die Photovoltaik bezuschussen.Einigen wenigen Unternehmen ist es bislang gelungen, größere Solaranlagen zu installieren. So wurde in der Nähe von Krakow vor Jahresfrist die erste Ein-Megawatt-Anlage errichtet, von Solar Tech Invest. „Entscheidend war unsere Expertise beim Netzanschluss“, berichtet Firmenchef Konrad Klimek. Sein Unternehmen hat in den vergangenen Jahren in erster Linie Umspannwerke für den Netzanschluss in der Mittelspannung und Hochspannung gebaut, etwa für Windfarmen und Biogaskraftwerke. „In Polen haben wir heute bereits viele Experten, die mit Photovoltaik umgehen können“, sagt er. „Aber es gibt nur wenige Fachleute, die sich mit Hochspannung bis 240 Kilovolt auskennen.“ Nach Einschätzung von Karol Lasocki von der Beratungsfirma K&L Gates verträgt das polnische Hochspannungsnetz lediglich sieben Gigawatt aus erneuerbaren Energien, die weitgehend durch Windräder abgedeckt sind. Bis 2020 sollen es neun Gigawatt werden, bis 2025 zehn Gigawatt. „Derzeit sind schon 20 Gigawatt Windleistung angeschlossen oder in der Planung, so dass im Hochspannungsnetz keine Reserven für Solarstrom vorhanden sind“, analysiert er. „Wir gehen jedoch davon aus, dass zahlreiche Windprojekte nur verzögert oder gar nicht umgesetzt werden. Dadurch könnte sich eine Lücke für die Photovoltaik öffnen.“

Vieles in der Schwebe

Er hält es für viel einfacher, die Photovoltaikgeneratoren an die Niederspannung und Mittelspannung anzuschließen, wie es auch in Deutschland die Regel ist. Zudem erwartet er wachsenden Druck aus Brüssel, weil Polen die EU-Direktive 2009/28/EC noch immer nicht umgesetzt hat. Sie regelt den freien Zugang zum Stromnetz für alle Erzeuger. Lasocki verweist auf die schwelende Debatte um das neue Fördergesetz in Polen. So ist bislang nicht geklärt, ob es ein Einspeisemanagement geben wird. Windräder können vom Netzbetreiber auf 60 Prozent ihrer Leistung abgeregelt werden, gegen Entschädigung. Für Photovoltaik ist ein solcher Passus bislang nicht vorgesehen. Auch wird im Sejm verhandelt, Photovoltaikanlagen mit Batterien beim Netzanschluss zu bevorzugen.

Netzanschluss ungeklärt

Und völlig unklar ist immer noch, wer die Sonnengeneratoren überhaupt anschließen darf. „Zum Fördergesetz wird es ein Handbuch geben, in dem die Ausführungsbestimmungen präzisiert werden“, verrät Pawel Garlak. „Demnach müssen die Installateure zertifiziert sein. Das ist noch mal eine große Hürde.“ Garlak will die Details auf einer Folgekonferenz am 13. Juni in Warschau präsentieren. Denn viele polnische Installateure stehen in den Startlöchern, hoffen auf ein neues Standbein. Sie wollen die Zeit bis zum Herbst nutzen, um sich auf die Eventualitäten der neuen Förderung einzustellen. Klar ist: In Polen mahlen die Mühlen sehr langsam, wie andernorts auch. Ob die polnische Regierung die Fehler anderer Märkte wiederholt, werden wir sehen. Aber der Tanker kommt in Bewegung. Im Sommer wissen wir mehr.

Treffen der Installateure im Juni in Warschau

Im März fand in Warschau eine viel beachtete Konferenz zur weiteren Entwicklung der Photovoltaik in unserem östlichen Nachbarland statt. Mehr als 250 Planer und Installateure trafen sich, um die Auswirkungen des geplanten Fördergesetzes für erneuerbare Energien (RES) zu diskutieren. Eine kleine Industrieschau rundete die Veranstaltung ab, die von der Zeitschrift „Instalator Polski“ organisiert wurde. „Instalator Polski“ ist eine Schwesterzeitschrift der „photovoltaik“, seit dem Frühjahr gibt die Redaktion in Warschau ein Sonderheft zur Photovoltaik heraus. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni.

Für den 13. Juni 2013 ist zudem eine zweite Konferenz der polnischen Solarteure geplant. Sie wird in der Manager-Hochschule in der Kaweczynska Straße 36 im Warschauer Stadtteil Praga-Polnoc stattfinden, auf der östlichen Uferseite der Wisla. Die Tagung wird sich erneut um das Fördergesetz RES drehen, dessen Grundzüge bis dahin feststehen sollten. Sie gibt auch deutschen Herstellern von Photovoltaikkomponenten Gelegenheit, sich in dem jungen polnischen Markt zu präsentieren. Die Veranstalter erwarten rund 300 Teilnehmer, also deutlich mehr als zur Auftaktveranstaltung im März.

Vor allem im Süden Polens und im Osten sind die natürlichen Bedingungen sehr günstig für die Photovoltaik. Diese Regionen haben eine Sonneneinstrahlung wie Teile der Ukraine. Auch an der Ostseeküste sind die Sonnendaten sehr gut, vergleichbar mit der deutschen Sonneninsel Usedom. Allerdings gibt es bislang kaum Erfahrungen mit Photovoltaik, vor allem nicht mit größeren Anlagen. Deshalb wird sich die Konferenz neben den rechtlichen Rahmenbedingungen auch der Weiterbildung und Schulung der Installateure widmen. Die Bildung starker Marken und Einkaufsbeziehungen mit Partnern aus der Industrie sind ein weiterer Schwerpunkt. Es wird erwartet, dass sich der polnische Photovoltaikmarkt sehr kleinteilig entwickelt, mit Dachanlagen von wenigen Kilowatt. Das ist ein wichtiger Unterschied zur Ukraine, in der bisher vor allem Solarparks entstehen, mit bis zu 100 Megawatt Leistung. Die Solarfelder konzentrieren sich auf die Region Odessa und auf die Krim.

Nähere Informationen zur geplanten Konferenz finden Sie im Internet unter:

www.polskiinstalator.com.pl

www.elektroinstalator.com.pl

Heiko Schwarzburger

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