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DC statt AC, WLAn statt Kabel

Bei der Gebäudeversorgung wird Autarkie diskutiert, bei elektrischen Verbrauchern im öffentlichen Raum ist der Trend bereits klar: Straßenbeleuchtung, Videoüberwachung oder Kommunikationssysteme werden komplett aus Kleinwindkraft und Photovoltaik gespeist.

Ein Treffen in Berlin

Eine kleine Batterie hält den Strom für die Nacht vor, wenn keine Sonne scheint. „Die sogenannte letzte Meile Kupferkabel wird zunehmend durch WLAN ersetzt“, sagt Miriam Tuerk. „Die neuen Geräte mit LED oder effizienter Elektronik haben nur noch einen geringen elektrischen Leistungsbedarf, nur geringe Stromstärken beim Anschluss. Dafür lohnt sich der Ausbau der Stromnetze nicht mehr.“

Miriam Tuerk ist Geschäftsführerin der Firma Clear Blue Technologies aus Toronto in Kanada. Bei einem Besuch in Berlin stand sie für ein Gespräch zur Verfügung. Ihre Vision ist beeindruckend: „Statt auf teures Kupfer und Netzausbau setzen wir auf Fernmonitoring und Fernsteuerung durch WLAN, ohne Anschluss ans Stromnetz.“

Kleinteiliges Geschäft

Clear Blue Technologies hat sich auf das kleinteilige Geschäft mit elektrischen Systemen spezialisiert, die im öffentlichen Raum, auf dem Firmengelände oder in Siedlungen nicht wegzudenken sind. Sie beleuchten Straßen und Wege bei Nacht.

Videokameras überwachen Plätze und Zäune. Masten für den Mobilfunk versorgen Handys mit Netzzugang oder schalten die Funksysteme für Ambulanzen, die Polizei und die Feuerwehr.

So zahlreich, dass man sie übersieht

Diese Systeme sind so zahlreich, dass man sie beinahe übersehen kann. „Früher hatte eine Straßenlaterne einen Leistungsbedarf von rund 300 Watt und mehr, denn das Licht kam von Halogenlampen“, nennt Miriam Tuerk ein Beispiel. „Die meiste Energie wurde als Wärme abgestrahlt, nicht in Form von Licht. Heute nutzt man dafür LEDs, die kalt laufen und nur 30 Watt benötigen.“

Deutlich geringerer Leistungsbedarf

Sicherheitskameras brauchen rund 60 Watt. „Die Kosten für eine Verkabelung pro Meter machen bei diesen kleinen Leistungen keinen Sinn mehr“, urteilt Tuerk.

Mithilfe kleiner Solarmodule, Windräder und Speicherbatterien lassen sie sich autark versorgen. Auf diese Weise sinkt nicht nur der Strombedarf der Geräte, sondern auch die Verluste durch die Kupferadern.

Denn die meisten Menschen unterschätzen, wie viel elektrische Leistung das Stromnetz selber schluckt, beispielsweise durch den Eigenstrombedarf im Betrieb und die Leistungsverluste im Metall. „Deshalb ist die Offgrid-Versorgung ein großer Markttreiber“, sagt Miriam Tuerk. „Sie ist ökonomisch preiswerter als Strom aus dem Netz. Das Stromnetz erlebt denselben Wandel wie die Datennetze: Die letzte Meile wird kabellos.“

Das Problem – besser: die Herausforderung – bei der Eigenstromversorgung solcher Offgrid-Systeme besteht in ihrer Zuverlässigkeit. „Dafür haben wir einen speziellen Laderegler entwickelt“, erläutert die Expertin. „Er beinhaltet auch die DC-Steller für die Solarpaneele und die Batterie.

Reine DC-Versorgung

Solche kleinen, unabhängigen Systeme brauchen nicht nur kein Stromnetz mehr, sie verabschieden sich auch vom Wechselstrom. Die Technik von Clear Blue Technologies setzt ausschließlich auf Gleichstrom (DC). Dadurch werden die Systeme noch effizienter, weil die Wandlungsverluste und Probleme durch Blindleistungen entfallen. Der entscheidende Vorteil ist jedoch ein anderer: DC-Technik ist nicht von den Standards und Vorschriften für die AC-Netze abhängig. Man kann dieselbe Anschlusstechnik überall auf der Welt einsetzen, braucht nur eine einzige Zertifizierung.

Das kanadische Unternehmen ist bereits in 35 Ländern aktiv, auch in Deutschland, Frankreich, in mehreren afrikanischen Staaten und natürlich in Nordamerika. Es ist an der Börse in Toronto und seit November 2018 in Frankfurt am Main gelistet und baut seine Geschäfte aus. In diesem Jahr stieg die Zahl der Mitarbeiter auf rund 50, vor einem Jahr waren es noch 20.

Smarte Analyse integriert

In die Hardware integriert ist smarte Analysesoftware, um die Anlagen bei Schlechtwetter oder zu Zwecken der Wartung zu diagnostizieren. Zwischen 70 bis 80 Prozent der Betriebsfälle werden online abgebildet, integriert sind zudem Wetterprognosen. Denn manchmal kann es sinnvoll sein, die elektrische Leistung im System zu reduzieren, um einige Tage Dunkelflaute zu überstehen.

Ein System für die ganze Welt

Der kabellose Anschluss der Geräte hat enorme Vorteile: Sie kommen mit geringen Spannungen aus, weil man die Leistungsverluste in der unter Umständen langen Verkabelung nicht zu berücksichtigen braucht. Jeder Meter Kabel kostet Kupfer, kostet Baggerstunden und manuelle Arbeit, die sehr teuer ist.

Außerdem gibt es keine juristischen oder administrativen Hürden, weil das Anschlusskabel über ein fremdes Grundstück verlaufen müsste oder eine Straße kreuzt. Ein wichtiger Knackpunkt ist der integrierte Batteriespeicher. Bisher wurden dafür Blei-Säure-Batterien verwendet, vor allem bei netzunabhängigen Masten für den Mobilfunk. „Die neuen Lithiumbatterien erreichen jetzt ein Preisniveau, das ihren Einsatz in den Offgrid-Systemen rechtfertigt“, meint Tuerk. „Dadurch bauen wir die Batterien kleiner.“

Bisher wurden Lithium-Eisenphosphat-Batterien für den Einsatz in solchen Nanogrids zertifiziert. Sie laufen mit 24 Volt, die Batteriemodule leisten 40, 80, 120, 160 oder 240 Amperestunden.

Die Anforderungen an die Batterien sind sehr hoch. Abgesehen von den gelegentlich rauen Umweltbedingungen müssen sie schnell laden und wieder schnell entladen. Also brauchen sie eine flinke Steuerung. Dafür hält das Unternehmen fünf Patente, auch für die Einbindung der Wetterprognosen in die Offgrid-Systeme.

Volle Freiheit bei den Komponenten

Und: Mit dem speziellen Controller lassen sich alle Bautypen von Solarmodulen, Batterien und Endgeräten frei wählen. Jede Komponente ist mit dem Herz des Systems kompatibel. Das Monitoring und den Betrieb kann der Kunde selbst übernehmen oder an Clear Blue Technologies abgeben. Bei tiefen Temperaturen machen die Batterien schlapp, deshalb sind Installationen am Polarkreis eher schwierig. „In Deutschland oder Großbritannien ist es jedoch problemlos möglich“, schätzt Miriam Tuerk ein.

Anspruchsvolle Projekte

Rund 50 Prozent der Projekte von Clear Blue Technologies sind in mittleren Breiten wie in Deutschland angesiedelt, nicht nur in Afrika oder Arabien, wo die Sonne intensiver und länger scheint. Auch hierzulande drücken die hohen Anschlusskosten.

Das verstehen die Kunden sehr gut. So wurden die Parkplätze einer Fabrik von Playmobil in Nürnberg mit Offgrid-Kameras ausgestattet, ebenso bei einer Firma in Heilbronn.

Auf diese Weise wurden die Parkplätze in die Sicherheitsüberwachung der Unternehmen eingebunden.

Dass sich die Offgrid-Technik lohnt, beweist ein Beispiel aus Toronto: Dort hätte der Netzanschluss von 40 neuen Straßenleuchten eine Investition von 35.000 kanadischen Dollar (rund 35.000 Euro) bedeutet – pro Lampe!

Bei der Offgrid-Lösung wurden sie über WLAN und Steuerbox angeschlossen. Das Monitoring erfolgt über eine Cloud im Internet. Das smarte System kostete in der Summe rund 400.000 kanadische Dollar – weniger als ein Drittel.

35.000 Euro pro Lampe?

Fällt die Anlage aus, geht sie in Lichtbetrieb über. Die Steuerung schaltet die Lampen nicht aus, weil die Photovoltaik weiterhin Strom in die Batterien schiebt. Zudem ist es aus Sicherheitsgründen viel besser, wenn die Notbeleuchtung funktioniert, anstatt die Straße in Dunkel zu hüllen.

Auch Mercedes-Benz hat in seinem Werk in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama solche Systeme eingesetzt, für Solarlichter auf dem Parkplatz der Mitarbeiter. Der spanische Mobilfunkanbieter Telefónica will in Südamerika 100 Millionen neue Kunden erreichen – in Regionen, die keinen Zugang zum Stromnetz haben.

Eine Milliarde Menschen ins Internet

Telefónica möchte auf teure Dieselaggregate verzichten, also werden die Mobilfunkmasten mit Photovoltaikmodulen, kleinen Windrädern und Speicherbatterien gespeist.

Es geht noch größer: Die Deutsche Telekom will gemeinsam mit Facebook, Intel und Nokia in den kommenden fünf Jahren rund eine Milliarde Menschen zusätzlich ins Internet bringen.

Die Ausschreibungen für die unabhängigen Offgrid-Systeme im Mobilfunk laufen bereits. Auch bei diesem gigantischen Projekt läuft die Zeit für teure Stromnetze oder stinkende Dieselaggregate ab.

www.clearbluetechnologies.com

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