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Schweiz: Wintersonne nutzen

Gute Nachrichten aus der Schweiz: Das Parlament hat im Herbst 2022 mit dem „dringlichen Bundesgesetz zur kurzfristigen Bereitstellung einer sicheren Stromversorgung im Winter“ die Voraussetzungen für einen raschen Zubau von solaren Freiflächenanlagen in den Bergen geschaffen. Der Anspruch auf ein vereinfachtes Bewilligungsverfahren und auf zusätzliche Fördermittel gilt demnach bis Ende 2025 oder bis zu einer Jahresproduktion von insgesamt zwei Terawattstunden. Mit dem neuen Bundesgesetz löst das Parlament kurzfristig einen willkommenen Impuls für alpine Anlagen aus.

Deckt den Bedarf von 300.000 Haushalten

Axpo nimmt dieses positive Signal sogleich auf und will bis 2030 Solaranlagen mit mehr als 1,2 Gigawatt Leistung in den Alpen und im Schweizer Mittelland zubauen. Damit ließe sich rechnerisch der Jahresbedarf von mehr als 300.000 Haushalten decken. „Verbesserte Rahmenbedingungen durch die Politik, welche derartige Investitionen überhaupt erst ermöglichen, zusammen mit den höheren Marktpreisen für Strom, erlauben diese Offensive“, ­erklärt Axpo-CEO Christoph Brand. Das neue Ziel bedeutet eine Versechsfachung der vorherigen Ambitionen: von bisher 200 Megawatt auf mehr als 1,2 Gigawatt bis zum Jahr 2030. Dies entspricht einer Jahresproduktion von rund 1,5 Milliarden Kilowattstunden oder dem Jahresverbrauch von mehr als 300.000 Haushalten in der Schweiz. Für den Ausbau rechnet Axpo mit Investitionen von rund 1,5 Milliarden Franken.

Umweltverträglichkeit weiter im Fokus

Bei dem solaren Ausbau von rund 600 Megawatt in den Alpen gehe es immer auch um eine Abwägung zwischen einer sicheren Stromversorgung mit ausreichend Kapazitäten und dem Eingriff in die Umwelt, erklärt Andelko Suker, der die Abteilung für solare Kraftwerke in der Axpo Gruppe leitet. Axpo hat sich die Vorgabe gesteckt, weiterhin größtmögliche Rücksicht auf Natur und Landschaft zu nehmen. Klar sei ebenfalls, dass Solarkraftwerke auch künftig nicht überall zugelassen werden. „Beispielsweise nicht in Biotopen von nationaler Bedeutung oder in Vogelreservaten“, erläutert Suker. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei weiterhin nötig.

Die Solaroffensive umfasst einerseits alpine Solaranlagen auf Infrastruktur und Freiflächenanlagen sowie andererseits Projekte im Schweizer Mittelland. Die Pläne werden von der Axpo-Tochtergesellschaft CKW umgesetzt. Schon heute installiert sie zusammen mit ihrem Mutterhaus pro Tag mehr als zwei Solaranlagen auf Gebäuden. CKW greift dabei auf die umfassende Erfahrung und die Größenvorteile der französischen Axpo-Tochter Urbasolar zurück, die schon seit vielen Jahren international große Solarkraftwerke baut.

Nalpsolar mit zehn Megawatt soll neben dem Nalps-Stausee im Kanton Graubünden gebaut werden. Die Inbetriebnahme ist für Herbst 2025 geplant.

Foto: Axpo

Nalpsolar mit zehn Megawatt soll neben dem Nalps-Stausee im Kanton Graubünden gebaut werden. Die Inbetriebnahme ist für Herbst 2025 geplant.

Solardachpflicht für Neubauten

Axpo wird aber nicht nur große Freiflächenanlagen bauen, sondern auch in Siedlungsgebieten neue Solarprojekte forcieren. Denn die Räte haben im Herbst ebenfalls eine neue Solardachpflicht für Neubauten mit über 300 Quadratmetern Grundfläche beschlossen. Axpo und CKW planen hier einen Zubau von jährlich 600 Dachanlagen, die von der CKW-Gebäudetechnik realisiert werden, berichtet Projektleiter Suker.

Die Solaroffensive leistet insbesondere im Winter einen wertvollen Beitrag für die Stromversorgung. Positive Erfahrungen gibt es bereits: Axpo und IWB haben am Muttsee im Kanton Glarus die bisher größte alpine Solaranlage der Schweiz in 2.500 Metern Höhe gebaut. Seit Ende August 2022 ist die Anlage voll in Betrieb. Sie produziert pro Jahr 3,3 Millionen Kilowattstunden Strom – die Hälfte davon im Winter.

Alpinsolar lieferte viel Know-how

Die Daten belegen: Alpine Solaranlagen über dem Nebelmeer liefern im ­Winter rund dreimal so viel Strom wie vergleichbare Anlagen im Schweizer Mittelland. Dieser Strom ist angesichts der wachsenden Winterlücke besonders wertvoll. Die Erfahrungen vom Muttsee seit der Teil­inbetriebnahme im Oktober 2021 zeigen, dass der Winterstrom in der vorgesehenen Größenordnung realisiert werden kann. „Die Anlage hat aber nicht nur unsere ­Erwartungen erfüllt, sondern wir haben bei der Realisierung auch viel an Know-how gewonnen, das wir für die kommenden Projekte nutzen können“, sagt Suker.

Zehn Megawatt beim Nalps-Stausee

Das nächste Projekt in den ­Alpen ist bereits weit fortgeschritten. Die Freiflächenanlage Nalpsolar mit zehn Megawatt soll nun als Nächstes neben dem Nalps-Stausee im Kanton Graubünden gebaut werden. Der Baustart ist voraussichtlich im Frühjahr 2024, die Inbetriebnahme im Herbst 2025 geplant.

Das Projekt wurde auch vom Gemeindevorstand Tujetsch einstimmig unterstützt. „Die Lage der alpinen Solaranlage gleich neben dem Stausee ist gemäß der Machbarkeitsstudie ideal. Sollte auch die Umweltverträglichkeitsprüfung positiv ausfallen, wird die Bevölkerung voll und ganz hinter dem Projekt stehen“, ist sich Gemeindepräsident Martin Cavegn sicher. Denn das Projekt schafft der Gemeinde einerseits lokale Wertschöpfung, andererseits leistet sie dadurch einen Beitrag zum Ökoenergieausbau.

Die Solarpaneele sollen auf einer Stahlkonstruktion gut zwei Meter über dem Boden und mit einem Neigungswinkel von 75 Grad installiert werden.

Foto: Axpo

Die Solarpaneele sollen auf einer Stahlkonstruktion gut zwei Meter über dem Boden und mit einem Neigungswinkel von 75 Grad installiert werden.

Nalpsolar misst zwölf Fußballfelder

In dem geplanten Solarpark werden 30.000 Module auf einer Freifläche von rund acht Hektar installiert. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa einer Fläche von zwölf Fußballfeldern. Die Anlage gliedert sich dabei an jene des Stausees Lai da Nalps an. „Die Infrastruktur ist aufgrund des Wasserkraftwerks also bereits vorhanden, der landschaftliche Eingriff dadurch sehr begrenzt und konzentriert“, erläutert Suker.

Auch der neue Solarpark auf rund 2.000 Metern Höhe wird im Winter voraussichtlich dreimal so viel Strom wie eine vergleichbare Anlage im Siedlungsgebiet liefern. Das liegt zum einen an der höheren Sonneneinstrahlung aufgrund der dünneren Atmosphäre. Zum anderen reflektiert der Schnee die Strahlung. In Fachkreisen nennt man das den Albedo-Effekt. Zu guter Letzt steigt auch die Effizienz der Module, die durch tiefere Temperaturen gekühlt werden. Den Strom liefern bifaziale Module, die die Sonnenstrahlung von beiden Seiten nutzen – und deshalb auch mehr Strom liefern als herkömmliche. Die Solarpaneele werden dabei auf einer Stahlkonstruktion gut zwei Meter über dem Boden und mit einem Neigungswinkel von 75 Grad installiert. So kann der Schnee leichter abrutschen und die Module bleiben schneefrei.

Land für weitere Projekte gesucht

Über die gesamte Lebensdauer von rund 25 Jahren rechnet Axpo damit, dass alpine Solaranlagen wirtschaftlich werden. Sie amortisieren sich beispielsweise über langfristige Abnahmeverträge (PPA). Der vertraglich abgesicherte Durchschnittspreis sichert den Stromabnehmern gegen zukünftige Preiserhöhungen ab. In diesen Zeiten nicht ganz unwichtig. Weitere Freiflächenanlagen sollen bald in den Bergen entstehen. Axpo ist deshalb auch auf der Suche nach weiterem Terrain. Mitarbeitende sind mit Landbesitzern und Gemeinden dazu im Austausch.

Die Politik hat nun erste Impulse für den Winterstrom gesetzt. „Mittel- bis langfristig brauchen wir mehr tragfähige Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion“, betont Suker. Große Solarkraftwerke seien nun zwar grundsätzlich auch außerhalb der Bauzone bewilligungsfähig. „Besser wäre es, wenn Möglichkeiten geschaffen würden, damit alpine und andere Freiflächenanlagen in regulären Verfahren bewilligungsfähig werden“, erklärt der Experte. „Wir sind dann nicht mehr auf Ausnahmebewilligungen angewiesen.“ Zudem müsse sichergestellt werden, dass solche Projekte auch wirtschaftlich seien. Und dazu brauche es einen entsprechenden Förderrahmen.

Alpine Solarkraftwerke liefern im Winter mehr Strom als Anlagen im Mittelland.

Foto: ZHAW

Alpine Solarkraftwerke liefern im Winter mehr Strom als Anlagen im Mittelland.

Solarausbau braucht sichere Bedingungen

Wichtig bleiben jedoch tragfähige Rahmenbedingungen für den Ausbau der Ökostromproduktion – auch nach 2025. Für solare Freiflächenanlagen braucht es beispielsweise eine Anschlusslösung zum dringlichen Bundesgesetz. Es sollten grundsätzlich aber die Rahmenbedingungen für alle erneuerbaren Energien im Zuge des Mantelerlasses verbessert werden.

Damit käme deutlich mehr Bewegung in den Zubau der inländischen Stromkapazitäten. Diesbezüglich sind insbesondere auch die Bewilligungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Denn bis 2050 fehlen in der Schweiz rund 50 Terawattstunden Strom pro Jahr. Das Axpo-Modell sieht für diese gewaltige Herausforderung einen Mix von verschiedenen Produktionstechnologien und eine grundsätzliche Technologieoffenheit vor. Die Solarenergie hat in diesem Mix schon jetzt eine starke Rolle.

Foto: David Biedert

Autorin

Jeanette Schranz

arbeitet seit Januar 2017 in diversen Funktionen beim Energieunternehmen Axpo. Aktuell verantwortet sie die Kommunikation der gesamten Erneuerbaren-Sparte. Dazu zählen Solar, Wind, Wasserstoff und Batteriespeicher. Sie studierte an der Universität Zürich sowie der Freien Universität Berlin und hat einen Master sowie ein Zusatzdiplom in Corporate Communications.