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Eine charmante Liaison

Die erneuerbaren Energien sind den Kinderschuhen entwachsen. Solarstrom vom Acker, Windräder vor der Küste – auch die Flegeljahre gehen ihrem Ende zu. Zeit, an Heirat zu denken. „Solargeneratoren und Windkraft passen sehr gut zusammen, sie ergänzen sich“, sagt Jens Rodenhäuser, Geschäftsführer von Linden Energy in Oldenburg. „Die Solarmodule liefern im Frühjahr und im Sommer die höchsten Erträge. Windkraft wird in unseren Breiten vor allem vom Herbst bis ins zeitige Frühjahr erzeugt, wenn die Winterstürme toben. Sonnenenergie steht tagsüber zur Verfügung, mit der Spitzenleistung um die Mittagszeit. Das deckt sich mit dem deutschen Strombedarf, der mittags am höchsten ist.“

Jeder macht sein Ding

Rodenhäuser führt die Projektierungsfirma für Solarparks seit 2011, zuvor war er etliche Jahre in Windprojekten tätig. Er kennt beide Branchen genau. „In der Photovoltaik haben wir sehr viele kleinere Anlagen, die großen Kraftwerke haben erst in den letzten Jahren zugenommen“, analysiert er. „Bei der Windkraft ging es immer um große Investitionen, in der Regel deutlich größer als bei Solarkraftwerken. Der Finanzierungsbedarf ist größer, auch gibt es wenig Überlappung bei Herstellern oder Komponenten.“

Kostendruck zwingt zur Ehe

Bisher traten Windkraft und Sonnenstrom getrennt voneinander auf. Doch der zunehmende Kostendruck bringt beide Technologien näher aneinander. Hybridkraftwerke nutzen für die Windräder und die Solarmodule die gleiche Infrastruktur: beispielsweise Zufahrtsstraßen oder die Schaltanlage zum Netzanschluss auf der Mittelspannungsebene. Doch der Altar für die Ehe ist das Bauland. Deshalb sind es vor allem Kommunen, die verstärkt in Hybridkraftwerke investieren wollen. Sie haben Land und meistens schon mindestens ein halbes Kraftwerk hingestellt: entweder Sonnenstrom oder Windräder. Die Nachrüstung mit der anderen Technologie ist unproblematisch, dadurch sinken die Kosten pro Kilowattstunde Gesamtertrag. „Technisch gesehen gibt es bei der Kombination von Windrotoren und Solarmodulen kein Problem, von der eventuellen Verschattung der Module abgesehen“, meint Rodenhäuser. „Natürlich ergeben Hybridkraftwerke vor allem dort Sinn, wo der Strom in der Nähe verbraucht werden kann. Das spart zusätzlichen Netzausbau.“

Ein Zitat von Willy Brandt

Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört? Zu verschieden scheinen die Branchen strukturiert, um sich wirklich anzunähern. In der Windkraft werden integrierte Kraftwerkskonzepte umgesetzt, von einigen wenigen Anbietern, die komplette Anlagen planen und errichten. Die Solarbranche ist vielmodularer strukturiert, viel kleinteiliger. Eine typische Größe für Solarkraftwerke sind heute mehrere Megawatt. Für die Investition, die dafür notwendig ist, erhält man nur einen recht kleinen Windpark.

Kürzere Projektzyklen

Die großen Energieversorger favorisieren zunehmend Windkraft auf See, um ihre monopolistischen Geschäftsmodelle zu retten. In der Photovoltaik sind die Projektzyklen viel kürzer. Mit der Bauleitplanung, der Baugenehmigung und der eigentlichen Errichtung braucht ein Solarkraftwerk bis zum Netzanschluss ungefähr ein Jahr. „In der Windkraft sind es drei bis fünf Jahre“, erläutert Jens Rodenhäuser. „Man muss die Flächen sichern, braucht verschiedene Gutachten, die Fläche muss in der Regionalplanung ausgewiesen werden, man braucht die Genehmigungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und die Finanzierung.“ Erst dann kann man mit dem Bau und der Installation beginnen. Alles in allem ein sehr zeitaufwändiger Prozess.

Doch der Gewinn aus dieser Liaison ist verlockend: Hybridkraftwerke erlauben es, übers Jahr und den Tagesverlauf mehr und gleichmäßiger Strom einzuspeisen, als beispielsweise nur Windkraft oder nur Solarstrom. Die Einspeisekurve verläuft glatter, ein Hybridkraftwerk liefert deutlich mehr Betriebsstunden. Das wiederum erhöht die Wirtschaftlichkeit von Energiespeichern, die damit besser ausgelastet werden. Seien es Batterien, Methan, Wasserstoff, Wasser oder Druckluft. Jens Rodenhäuser folgert: „Das sind zwei komplementäre Energieformen, die auf charmante Weise zusammenpassen.“

Ein Modell für die ganze Welt

Ein Beispiel: Im Bundesland Sachsen-Anhalt wird heute bereits die Hälfte des Stroms für die 2,5 Millionen Einwohner aus Windkraft erzeugt. Würde man die Flächen zusätzlich für Solarstrom nutzen, könnte Sachsen-Anhalt regenerativen Strom exportieren. In Sachsen-Anhalt sitzt beispielsweise Q-Cells, ein Hersteller von Solarmodulen und Siliziumzellen. Einer der Firmengründer war Rainer Lemoine, dessen finanzieller Nachlass nun in einem Forschungsinstitut in Berlin steckt. Dort befassen sich die Wissenschaftler mit etwas, das bis vor wenigen Jahren ungefähr so visionär war, wie der Flug zum Mars: die Vollversorgung aus regenerativem Strom. Ein wichtiges Forschungsthema sind die Hybridkraftwerke. „Wir haben untersucht, wie sich Windkraft und Photovoltaik miteinander auf die Netze auswirken“, erzählt Christian Breyer, der Geschäftsführer des Rainer-Lemoine-Instituts. „Das gab es bisher für einzelne Standorte, aber wir haben es erstmals global und regional berechnet.“Der promovierte Physiker bestätigt: „Bei relativ guten Windressourcen könnte man in Kombination mit Photovoltaik sehr kostengünstigen Strom produzieren, für vier bis sieben Eurocent je Kilowattstunde. Das gilt für sehr gute Standorte.“ Weniger gute Standorte erlauben immerhin neun Eurocent je Kilowattstunde. Diese Preise könnten bis Ende dieses Jahrzehnts erreicht werden, inklusive aller Sozialkosten. Denn versteckte Ausgaben für Emissionen oder Kriege um Brennstoffe fallen bei diesen beiden Technologien nicht an. „Zum Vergleich: Allein bei der Verstromung von Kohle werden so viele Schwermetalle freigesetzt, dass für jede Terawattstunde im Mittel zwischen vier und 16 Menschen an Krebs sterben“, sagt Breyer. Dagegen setzt er: „Windkraft und Solarstrom werden die Hauptenergiequellen des 21. Jahrhunderts sein, ergänzt um Wasserkraft. Nur sie garantieren die geringen Erzeugungskosten.“

Bessere Auslastung der Netze

Die Forscher haben Einstrahlungsdaten und Windgeschwindigkeiten der Nasa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln benutzt, um das Hybridmodell für alle Regionen der Erde zu rechnen, die zwischen 65 Grad südlicher und 65 Grad nördlicher Breite liegen. Dazu legten sie ein Raster von jeweils einem Breitengrad und einem Längengrad Kantenlänge über den Globus und berechneten die Erträge in 20 Jahren auf die Stunde genau. Referenzjahr war 2005.

Um das Windkraftwerk zu simulieren, wurden Rotoren mit einer Nennleistung von 7,5 Megawatt und einer Nabenhöhe von 150 Metern angenommen. Die Windstärken wurden auf diese Höhe interpoliert. Als Referenzmodell galt die Leistungskurve der Enercon E-126. Als Solaranlage wurden kristalline Solarmodule mit optimal ausgerichteten Gestellen angenommen. Dazu wurde die Kennlinie eines Sunny Central von SMA benutzt und mit einer Degradation von 0,3 Prozent pro Jahr adaptiert (Leistungsverluste der Module). Auch temperaturabhängige Leistungsverluste der Solarmodule flossen ein.

400 Gigabyte Daten

Das waren ungefähr 400 Gigabyte Inputdaten. Die Forscherhirne und Computer glühten, um herauszufinden, ob sich Windkraft und Photovoltaik in die Quere kommen. „Zu unserem Erstaunen stehen Photovoltaik und Windkraft nirgends auf der Welt in Konkurrenz“, resümiert Breyer. „Um die Konkurrenzsituation und die Netzüberlastung zu ermitteln, haben wir die Stunden berechnet, in denen sich die Leistung aus beiden Technologien überschneidet.“ Im Modell haben Windpark und Solarpark jeweils die gleiche Leistung von einem Gigawatt, sind also symmetrisch. „Weltweit haben solche Kraftwerke zwischen drei- und fünftausend Volllaststunden, in Mitteldeutschland sind es etwa 3.300 Stunden“, nennt Breyer die Ergebnisse. „Davon entfallen etwa eintausend Stunden auf die Photovoltaik und zwei- bis dreitausend Stunden auf die Windkraft.“

Eins plus eins ist nicht zwei

Man könnte denken: Wenn man ein Gigawatt Windleistung und ein Gigawatt Solarstrom an ein Netz mit einem Gigawatt Kapazität anschließt, droht eine Überlastung. Doch diese Rechnung täuscht: „Nach unseren Berechnungen fallen nur 15 bis 25 Prozent des Stromertrages beider Technologien zur gleichen Zeit an. Ihre Teilleistungen ergänzen sich“, sagt Breyer. „Nur ein Prozent der gemeinsam eingespeisten Jahresenergiemenge übersteigt im Regelfall eine Netzkapazität von einem Gigawatt.“ Für eine Fläche in Mitteldeutschland (51,5 Gradnördlicher Breite und 12,5 Grad östlicher Länge) nahmen die Wissenschaftler die Potenziale genauer unter die Lupe. Für das Referenzjahr 2005 errechneten sie, dass Spitzenwerte weder in der Photovoltaik noch bei der Windkraft häufig auftreten. Vielmehr dominieren Teillasten, die sich gut ergänzen.

Weniger als ein Prozent der eingespeisten Energie überstieg die Kapazität des Netzes, war also kritisch. Die höchste Einspeisung aus der Photovoltaik trat im Frühjahr und im Herbst auf. Im Sommer heizen sich die Module zu sehr auf, ihre Leistung schwindet. Wind wehte vor allem im Winter. Wenn die Netzkapazität bis an ihre Grenze ausgereizt wurde, dann durch hohe Windlasten im Januar oder die gemeinsame Einspeisung beider Kraftwerksteile im Frühjahr.

Ehe ohne doppelten Boden

Das bedeutet, man muss bei einem Hybridkraftwerk mit doppelter Leistung nicht unbedingt das Netz verdoppeln. Weltweit simuliert, übersteigen nur zwei bis drei Prozent der Energie aus Windkraft und Photovoltaik die Netzkapazität. „An besonderen Standorten können dies sieben bis neun Prozent sein“, meint Breyer. „Wind und Photovoltaik ergänzen sich sehr gut. Es gibt keinen Grund, nicht zu kooperieren.“ Bei den Simulationen wurde deutlich, dass die Solarkraftwerke nicht so stark wie die Windrotoren fluktuieren. Solarstrom wird zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang erzeugt, also innerhalb von zwölf Stunden. Windkraft wird auch nachts ins Netz eingespeist, wenn die Sonnengeneratoren auf null stehen.

Für Mitteldeutschland fanden die Forscher heraus: Um das Netz nicht zu überfordern, müsste man lediglich drei Prozent der Energiemenge abregeln. Akzeptiert man diese Tatsache, kann man das Netz ohne Weiteres nur auf 45 Prozent der installierten Leistung von Photovoltaik und Windkraft auslegen. „Für den Fall, dass auch zehn Prozent Verluste tolerierbar sind, würde ein Netz genügen, das für 33 Prozent der installierten Leistung dimensioniert wäre“, schlussfolgert Christian Breyer.

Je nach regionalen Gegebenheiten könnte man die Anteile von Solargeneratoren und Windgeneratoren an der Gesamtleistung so verteilen, dass man eine sehr ausgeglichene Ertragskurve bekommt. „Das sind asymmetrische Kraftwerke, deren Betreiber die meteorologischen Bedingungen des Standorts möglichst genau nutzen, um eine hohe und stabile Leistungskurve zu erreichen“, erklärt der Wissenschaftler. An windschwachen, heißen Standorten würde Photovoltaik überwiegen. Im Hinterland der Küsten wäre der Windgenerator größer.

Methan als Speicher

Eine wichtige Frage ist, wann die Erträge aus beiden Kraftwerksteilen abgeregelt werden müssen, weil sie das Netz überlasten. Diese Reduktion wirkt sich auf das ökonomische Modell des Kraftwerks aus. „Bei Stromerzeugungskosten von sieben Eurocent spielen zwei bis drei Prozent Ertragsverluste kaum eine Rolle“, ist sich Christian Breyer sicher. Er schlägt vor, die überschüssigen Strommengen zur Herstellung von Methan zu verwenden, also Windgas oder Solarfuel.

Der Wirkungsgrad der Umwandlung liegt zwischen 55 und 65 Prozent, das wäre ein wichtiger Baustein in der regenerativen Vollversorgung. Denn fossile Gaskraftwerke können dieses regenerative Methan ohne Weiteres verbrennen, wie Erdgas. „Man kann sie innerhalb von zehn Minuten regeln, um Versorgungslücken aus Wind oder Sonnenstrom auszugleichen“, gibt Breyer zu bedenken. Wenn ausreichend Strom aus regenerativen Quellen zur Verfügung steht, laufen die Gasturbinen nur noch mit Methan.

Vollversorgung möglich

Im nächsten Schritt haben die Berliner Forscher berechnet, wie die Vollversorgung einer Region wie dem Allgäu erreicht werden kann. Dort herrscht eine hohe Sonneneinstrahlung, auch die Winde im Voralpenland sind sehr ergiebig. Schon 2020 will Bayern die Hälfte seines Stroms aus erneuerbaren Energien decken, die andere Hälfte aus Erdgaskraftwerken. Also ohne Atomkraftwerke und ohne Kohle. „Bei der regenerativen Vollversorgung spielen dezentrale und zentrale Speicher eine wesentliche Rolle“, berichtet Breyer. „Dezentrale Speicher stehen ein bis zwei Kilometer vom Generator entfernt, sie puffern kurzzeitige Leistungen. Das könnten große Natrium-Schwefel-Batterien sein, die innerhalb von zwei Millisekunden chemisch und innerhalb von zehn Millisekunden elektrisch reagieren. Zentrale Speicher puffern das Verteilnetz und die Mittelspannungsebene.“ Er prophezeit: „Erdgas als fossiler Brennstoff wird sukzessive durch Methan aus regenerativen Energien ersetzt.“

Heiko Schwarzburger

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