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Dorfstrom im Speicher

Es ist eine der ältesten Siedlungen im Coburger Land. Nur 148 Einwohner leben in Fechheim. Eine Kirche, ein paar Häuser. Schnell ist der Besucher am Ortsrand. Dort fällt der Blick auf Äcker, Wiesen, Wäldchen und – ein kleines, weiß gestrichenes Häuschen in der Größe eines Containers. Es könnte die Wechselrichterstation für eine Freiflächenanlage sein, aber drumherum gibt es keinen Solarpark. Dennoch hat der Bau mit Photovoltaik zu tun. Seit einem Jahr ist hier ein Ortsnetzspeicher in Betrieb. Seine Aufgabe besteht darin, den vor allem in der Mittagszeit von den Photovoltaikanlagen in Fechheim produzierten Solarstrom zu speichern und in Bedarfszeiten wie den Morgen- und Abendstunden in das Netz zurückzuspeisen. Damit soll es auf der Niederspannungsebene entlastet und stabilisiert werden.

Was sonst als Eigenverbrauch in den Kellern unter den Dächern der Hausanlagen geschieht, funktioniert hier geregelt und zentral für den erzeugten und verbrauchten Strom der Fechheimer. Der Ortsnetzspeicher ist ein Modellprojekt der SWN Stadtwerke Neustadt, von denen Fechheim mit Energie versorgt wird, und dem Photovoltaik-Systemhaus IBC Solar mit Sitz in Bad Staffelstein. „Wir können den Speicher ins Netzmanagement der Stadtwerke Neustadt einbinden“, erklärt Marco Hohn von den SWN Stadtwerken Neustadt. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg und der Universität Bayreuth.

„Der fand das innovativ“

Die 72 Blei-Gel-Batterien vom Bad Staffelsteiner Akkuhersteller Moll in dem Speicherhäuschen sind je einen Meter hoch und wiegen 112 Kilogramm pro Stück. Zusammen bringen sie es auf eine Kapazität von 240 Kilowattstunden. „Es handelt sich um Panzerplatten-Batterien, die verschlossen und damit wartungsfrei sind“, erläutert Projektleiter Marco Siller von IBC Solar. So können sie eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren erreichen. „Vorausgesetzt, sie werden richtig verwendet und nur bis zur Hälfte entladen.“ Genau das mithilfe einer speziellen Regeltechnik zu gewährleisten, war eine der Herausforderungen für IBC Solar. Der von dem ebenfalls in Bad Staffelstein ansässigen Unternehmen gelieferte Stromspeicher ist als Komplettsystem konzipiert.

Dass es zu einer Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Neustadt gekommen ist, war eigentlich eher ein Zufall, erinnert sich Siller. „Ein Kollege kannte einen Mitarbeiter der Stadtwerke und erzählte ihm von der Idee des Ortsnetzspeichers. Der fand das innovativ.“ So entwickelte sich die Kooperation. Vorher hätte sich niemand über ein solches ein Konzept richtig Gedanken gemacht, sagt Siller. „Was hat man denn als Netzbetreiber normalerweise für Möglichkeiten, um fluktuierenden Energien wie Solarstrom zu begegnen? Normalerweise ist die Antwort: Netze ausbauen, also alles aufgraben und Kabel in die Erde.“ Die Netze stattdessen mit Speichern zu verstärken, daran bestand bisher vonseiten der Netzbetreiber kein großes Interesse. Denn die Kosten dafür können, anders als der klassische Netzausbau, bisher nicht über die Netzentgeltverordnung umgelegt werden. Speicher erweisen sich aber als zunehmend unentbehrlich, um das Netz punktgenau und schnell zu stabilisieren und den aufwendigen und langwierigen Netzausbau in Grenzen zu halten. Das wiederum ist im Sinne der Netzbetreiber.

Mehr als viele große Akkus

Mit den Batterien ist es aber nicht getan. Die schwierigste Aufgabe für die Mitarbeiter von IBC Solar war das Energiemanagement für die Anlage. „Dazu mussten wir im Vorfeld die Netzspannung messen“, erzählt Siller. In und um Fechheim gibt es viele Solaranlagen. Auf Privathäusern genauso wie auf landwirtschaftlichen Gebäuden. „Das Ergebnis war verblüffend. Zeitweise wurde mit bis zu 250 Volt im Niederspannungsnetz eine absolute Toleranzgrenze erreicht.“ Um das örtliche Netz zu entlasten, haben die Mitarbeiter neun bidirektionale Wechselrichter von SMA mit einer Leistung von je fünf Kilowatt eingesetzt. Dazu kommen Standardkomponenten mit unterschiedlichen Regelfunktionen. Diese genau für die Situation in Fechheim zu programmieren, war die umfangreichste der Aufgaben für die Mitarbeiter von IBC Solar. Die Steuerung soll den Batterien ein langes Leben erlauben und wenn sie geladen sind, auch noch Blindleistung zur Verfügung stellen, um das Netz zu stabilisieren. „Der Einsatz der Blindleistung spart weitere 10 bis 15 Prozent Speicherkapazität ein,“ erklärt Siller.

Start des Projekts war im März 2010. Die Messphase endete im Dezember desselben Jahres. Seit Mai 2011 ist ein Messsystem installiert, um die Stromspannung und andere Messparameter an verschiedenen Punkten im Ort zu erheben. Der Aufbau der Station im Sommer des vergangenen Jahres hat nur zweieinhalb Tage gedauert, Das Fertighäuschen kam per Schwerlaster und wurde mit einem Kran einfach auf das vorbereitete Fundament gehoben. Als der Ortsspeicher im September 2012 ans Netz ging, merkten die Fechheimer davon kaum etwas. Lange dauernde Stromabschaltungen blieben ihnen auch in der heißen Phase erspart.

Und läuft und läuft

Seitdem läuft der Ortsspeicher ohne Probleme. Da es sich um ein Pilotprojekt handelt, wurden zusätzliche Messgeräte in der Trafostation von Fechheim verbaut. Sie erfassen ständig Daten darüber, wie sich der Speicher und die im Ortsnetz installierten Solaranlagen auf das Niederspannungsnetz und den Trafo auswirken. Die Daten aus Netz und Speicher lieferten während des ersten Betriebsjahres wichtige Erkenntnisse darüber, wie das Zusammenspiel zwischen Energie- und Batteriemanagement in der Praxis funktioniert. Tatsächlich muss das System einen Spagat bewerkstelligen: zwischen Spannungsstabilisierung und der Zyklisierung der Batterien. Letztere beeinflusst die Lebensdauer der Akkus. Eine nachträgliche Feinjustierung der Regelschleifen brachte hier die Lösung.

Seine Aufgabe, nämlich die fluktuierenden Energiemengen auszugleichen, die durch die Solarstromeinspeisung entstehen, erfüllt der Speicher ganz wie geplant. Er stabilisiert vor allem die Spannung im Ortsnetz zu Stoßzeiten, wenn die Solaranlagen besonders viel Strom einspeisen. Dementsprechend ist die Speicherkapazität ausgelegt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich weitere solche Anlagen in anderen Ortsnetzen gut ergänzen könnten.

IBC Solar ist bereits bei einem weiteren Projekt mit dabei, dem Smart Grid Hof unter Schirmherrschaft des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern). „Rund 97 Prozent aller Solaranlagen sind in das Niederspannungsnetz integriert“, so Michael Neswal, Projektleiter beim ZAE Bayern. „Das entspricht etwa 80 Prozent der gesamten Photovoltaikleistung in Deutschland – Tendenz steigend.“ Für all diese Anlagen ist die Speicherung des Solarstroms auf Niederspannungsebene interessant. Hierzu konnten IBC Solar und die SWN Stadtwerke Neustadt mit dem Ortsnetzspeicher in Fechheim wichtige Vorarbeit leisten.

https://www.ibc-solar.de/

https://www.swn-nec.de/

Auf einen Blick

Ortsnetzspeicher in Fechheim/Neustadt

  • 72 Blei-Gel-Batterien
  • Gesamtkapazität: 240 Kilowattstunden
  • Nutzbare Tagesenergie: 136 Kilowattstunden
  • Nennleistung Wechselrichter: 45 Kilowatt (systemisch bedingt)
  • Zusätzliche Bereitstellung von Blindleistung bei geladenem Speicher

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