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Heimspeicher

„Zu Lithium gibt es keine Alternativen“

Wie hat sich der Markt für Heimspeicher in den letzten Jahren entwickelt?

Johannes Weniger: Das Wachstum ist rasant, wenn wir uns die aktuellen Zahlen anschauen. Im vergangenen Jahr sind in Deutschland knapp 200.000 Systeme installiert worden. 44 Prozent mehr als 2021. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 waren es nur 22.000 Heimspeicher, der Markt boomt geradezu. Wir gehen davon aus, dass es so weitergeht. Im ersten Quartal 2023 sind schon mehr als 100.000 Heimspeicher neu installiert worden. Hochgerechnet wird dadurch auch die Relevanz vieler kleiner Speicher energiewirtschaftlich immer größer. Es ist schön zu sehen, dass viele Hersteller nun die Früchte ihrer Pionierarbeit auch ernten können.

Die Elektromobilität führt dazu, dass Heimspeicher immer mehr Leistung und Kapazität haben. Wie reagieren die Hersteller darauf und wie entwickeln sich die Systeme?

Richtig, das ist ein klarer Trend. Im vergangenen Jahr wurden im Schnitt 8,4 Kilowattstunden verbaut, das ist eine Kilowattstunde mehr als fünf Jahre zuvor. Immer mehr Hersteller stellen Systeme mit mehr Kapazität vor und starten auch erst ab acht oder zehn Kilowattstunden in ihrem Portfolio. Einerseits liegt das an der Nachfrage nach mehr Kapazität, aber es gibt auch technologische Gründe, weil die Hersteller immer größere Batterieformate einbauen. Dadurch müssen mehr Batteriezellen in Reihe geschaltet werden, um die Eingangsspannungen der Wechselrichter zu erreichen. Nur so werden 150 Volt Spannung oder mehr erreicht.

Gibt es eine Mindestkapazität für das System, die aus Sicht der Nutzer nicht unterschritten werden sollte?

Mit jeder weiteren Kilowattstunde ist der Mehrwert des Speichersystems natürlich geringer. Mit den ersten vier Kilowattstunden trägt man also deutlich mehr zur Eigenversorgung bei als mit weiteren vier Kilowattstunden. Andererseits verteilen sich die Fixkosten des Systems wie die Installation auf mehr Kilowattstunden, sodass die einzelne Kilowattstunde weniger kostet. Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die Relevanz von Systemen unter fünf Kilowattstunden nur noch sehr gering ist.

Wie hoch ist der Marktanteil der privaten Speichersysteme?

Zwei Drittel des Marktes liegen zwischen fünf und zehn Kilowattstunden. Inwieweit mehr Leistung sich in Kombination mit einem E-Fahrzeug auszahlt, hängt auch von der Entladeleistung des Speichers ab oder ob eine dynamische Ladeleistung mit überschüssigem Solarstrom möglich ist. Der größte Speicher nützt nichts, wenn er nicht in der Lage ist, auch fünf Kilowatt Leistung bereitzustellen. Die Leistung muss also immer zu den Anforderungen passen.

Lassen sich die Systeme ohne Probleme nachrüsten oder erweitern, wie viele Hersteller versprechen? Oder gibt es Grenzen?

Man muss zwischen verschiedenen Systemen unterscheiden. Bei einem klassischen Hochvoltsystem mit Batteriespannungen zwischen 100 und 600 Volt sind die Zellen in Reihe geschaltet. Wenn man also eine Erweiterung möchte, werden beispielsweise drei weitere Batteriemodule in Reihe ergänzt. Der limitierende Faktor ist hier die schwächste Zelle in der Reihe. Einige Hersteller begrenzen die Nachrüstung deshalb auf zwölf oder 24 Monate nach der Erstinstallation, damit die Parameter der Batteriezellen nah beieinander sind.

Ist das der einzige Weg, die System zu erweitern?

Die andere Möglichkeit ist, durch DC-DC-Wandler die einzelnen Batteriemodule untereinander zu entkoppeln. So können auch unterschiedliche Baureihen und Zellen kombiniert werden. Drittens können Wechselrichter mit zwei oder drei Anschlüssen verwendet werden, die ähnlich wie MPP-Tracker bei Solarwechselrichtern einzelne Gruppen optimieren. So können Batteriemodule mit unterschiedlichem Alter oder Baureihe an einen Wechselrichter angeschlossen werden. Man kann also theoretisch auch Lithium-Eisenphosphat-Zellen und NMC-Zellen kombinieren.

Batteriezellen aus Lithium-Eisenphosphat dominieren derzeit den Markt. Setzt sich diese Technologie endgültig durch?

98 Prozent der rund 200.000 Heimspeichersysteme, die im vergangenen Jahr installiert wurden, waren Lithiumsysteme. Und Sie haben recht: Besonders im Trend liegen dabei Lithium-Eisenphosphat-Batterien. Innerhalb von fünf Jahren haben sie ihren Anteil auf knapp 70 Prozent im Jahr 2022 verdoppelt. Der Grund: Die Nachfrage aus der E-Mobilität nach NMC-Zellen hat dazu geführt, dass die Hersteller von stationären Speichern leichter an Lithium-Eisenphosphat-Zellen kamen. Hinzu kommt der Vorteil, dass diese Zellen als sicherer gelten. Sicherheit ist ja weiterhin ein großes Thema in der Branche.

Ist diese Dominanz für die Zukunft zementiert?

Neue Technologien müssen sich mit der etablierten Lösung messen, die bereits Skaleneffekte verzeichnen kann. Sie müssen also mit ihren Eigenschaften und auch im Preis konkurrieren können. Natürlich gibt es aber neue Technologien, die schon in den Startlöchern stehen. Wie beispielsweise Natrium-­Ionen-Batterien. Wenn diese Zellen bald in Rund- oder Pouchzellen-Bauweise angeboten werden, kann es interessant werden. NCM- oder NCA-Zellen, die bereits sinkende Marktanteile verzeichnen, werden jedoch eher keine Renaissance erleben.

Ein weiterer Trend: Warum setzen sich DC-gekoppelte Systeme immer mehr durch?

Noch vor vier Jahren waren mehr als die Hälfte aller Systeme AC-gekoppelt. Schon im vergangenen Jahr wurden drei von vier Speichersystemen mit einer DC-Anbindung des Batteriespeichers gebaut. Das zeigt den rasanten Technologiewandel im deutschen Heimspeichermarkt. Bei einem Neubau kommt heute also meist ein Hybridumrichter zum Einsatz. Hinzu kommt, dass der Installationsaufwand bei DC-Systemen geringer ist, weil man sich die AC-Verkabelung sparen kann. Das spart Zeit und Kosten. Neue Produkte mit bis zu 30 Kilowattstunden, die auf den Markt kommen, sind meist DC-Lösungen, die aber auch AC-seitig geladen werden können und somit die Flexibilität erhöhen. So kann AC- und DC-Strom bezogen werden.

Und wo werden dann noch AC-Systeme eingesetzt?

Wenn ich beispielsweise eine sehr große Solarstromanlage mit 30 Kilowatt ­habe, aber nur einen normalen Haushaltsverbrauch an Strom, der nachts vielleicht 300 Watt beträgt, dann macht eine AC-Anbindung Sinn. Auch bei der Nachrüstung einer Solaranlage mit einem relativ neuen Wechselrichter muss der ­Installateur die DC-Verkabelung nicht anfassen, wenn er den Strompuffer ­einfach AC-seitig anschließt.

Welche weiteren Trends haben Sie bei den Batteriewechselrichtern identifiziert?

Neben mehr Leistung und Hybridwechselrichtern gibt es die Entwicklung hin zu mehr Effizienz und höheren Wirkungsgraden. Verluste werden durch eine bessere Auslegung reduziert. Aber auch technologisch durch innovative Halbleiter wie Siliziumkarbid in den Umrichtern, wie die neuesten Testergebnisse unserer Stromspeicher-Inspektion zeigen. Weniger Verluste bedeuten weniger Abwärme, die abgeführt werden muss, und so kann der Kühlkörper reduziert oder mehr Wechselrichterleistung im selben Gehäuse verbaut werden. Siliziumkarbid-Halbleiter ermöglichen zudem höhere Schaltfrequenzen, was den Kupferbedarf im Gerät senkt.

Wie wichtig ist die Software der Systeme und wie kann der Käufer einen ­effizienten Heimspeicher erkennen?

Hier ist die Betriebserfahrung aus der Praxis wichtig. Der Interessent sollte das Gespräch mit anderen Kunden und Installateuren suchen, um sich auszutauschen. Er sollte vielleicht eher auf Geräte setzen, die bereits ein Jahr oder länger im Feld erfolgreich laufen. Die neuesten Produkte sind zudem meist auch im Preis höher angesiedelt. Wichtig ist auch der Service, der mit dem Heimspeicher angeboten wird. Der Hersteller sollte in jedem Fall gut erreichbar sein – und qualifiziertes Personal in Deutschland haben.

Es gibt immer mehr Alternativen zu Lithiumspeichern am Markt. Natrium-Ionen- und Natrium-Nickelchlorid-Batterien weisen noch deutlich höhere Verluste auf. Oder?

Die Lithium-Ionen-Batterietechnologie hat nicht ohne Grund einen Marktanteil von 98 Prozent der Installationen. Labortests des KIT belegen, dass die Speicherverluste der Natrium-Nickelchlorid-Batterien um das Siebenfache höher sind als die der Lithiumbatterien. Ebenfalls verbesserungswürdig ist die geringe Leistungsfähigkeit der Natrium-Ionen-Batterien. Diese nimmt mit sinkendem Ladezustand sogar linear ab. Da sind unsere in der Stromspeicher-Inspektion 2023 vorgestellten Ergebnisse sehr eindeutig. Alternativen zu ­Lithiumsystemen sind also bis auf Weiteres keine in Sicht.

Das Interview führte Niels H. Petersen.

Foto: HTW Berlin

Im Interview

Dr. Johannes Weniger
arbeitet in der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der HTW Berlin. Er ist unter anderem der Initiator der Stromspeicher-Inspektion, die einmal im Jahr veröffentlicht wird. Der promovierte Elektrotechniker ist Autor zahlreicher Studien zur Speicherung von Solarstrom sowie Entwickler des Unabhängigkeitsrechners und anderer Onlinetools.

Foto: privat

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