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Alles Maßarbeit

Wie ein Monolith steht das Gebäude in einem Gewerbepark im thüringischen Arnstadt. Deutlich hebt es sich ab von der beliebigen Funktionsarchitektur, wie sie an den Rändern vieler kleiner Städte steht. In der mittäglichen Sonne hebt sich die schwarze Fassade von der grünen Wiese ab. Von Weitem sieht sie aus wie die Glasfassade eines Bürogebäudes im Zentrum einer Großstadt. So viel Aufwand für ein Industriegebäude?

Nur um die Rundungen einiger kleiner Wasserabläufe und der Lüftungsauslässe sind die Glasplatten eine Nuance heller. Jetzt wird klar: Diese Fassade ist anders und die schwarzen Glasplatten haben noch eine weitere Funktion. Sie repräsentieren das, was Antec Solar hinter ihnen herstellt: gebäudeintegrierte Solarmodule.

Für die Rundungen um die Wasserabläufe hat das Unternehmen noch Dummys eingesetzt. Das ist ein bisschen schade. Denn schon hier hätten die Thüringer zeigen können, was sie eigentlich draufhaben. Schließlich sind sie in der Lage, solche Rundungen mit Modulen zu umschließen.

„Aber das ist eine Kostenfrage“, erklärt Norbert Kreft. Der hochgewachsene Mittfünfziger ist Technikchef von Antec Solar. Solche Module sind im Vergleich zum Standardmodul teurer. Technologisch sind sie aber kein Problem mehr. Die Thüringer können sie in allen möglichen Formen und vielen Farben herstellen.

Der Kunde hat dabei sogar in gewissen Grenzen die Wahl der Technologie. „Wir haben eine eigene Produktionslinie für mikromorphe Tandemmodule, eine Kombination aus amorphem und mikrokristallinem Silizium, und für Cadmium-Tellurid-Module. Inzwischen haben wir uns auch eine kleine Fertigung für Sondermodule aus kristallinem Silizium aufgebaut“, erklärt Kreft. „Damit können wir zumindest die wichtigsten Halbleitertechnologien für die Kunden abdecken. Im Bereich der CIS- und CIGS-Halbleitertechnolgie arbeiten wir mit anderen Herstellern zusammen.“ Zusätzlich experimentieren die Thüringer derzeit noch mit organischen Halbleitern. Doch diese Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen.

Welche Technologie zum Einsatz kommt, ist nicht nur von den Vorlieben der Kunden abhängig, sondern auch stark von der Anwendung.

Die Schatten verbannt

Geht es um Semitransparenz, ist die kristalline Siliziumphotovoltaik für Norbert Kreft keine Alternative. Er hält ein solches Modul hoch. Es sieht so aus, wie semitransparente kristalline Siliziummodule eben aussehen: Die Zellen sind deutlich zu sehen, und die Transparenz erreicht der Hersteller durch Lücken zwischen den Zellen. „20 Prozent Lichtdurchlässigkeit heißt aber nicht, einfach mehr Platz zwischen den Zellen zu lassen, sondern auf die Anforderungen der Kunden einzugehen. Wenn durch dieses Modul die Sonne auf den Arbeitsplatz scheint, sieht der Kunde Quadrate auf seinem Schreibtisch, die ihn stören“, sagt Kreft und zeigt auf das kristalline Modul. „Eine Sonnenschutzfassade mit diesen semitransparenten kristallinen Modulen sieht schrecklich aus, und der Schattenwurf stört.“

Danach nimmt er ein semitransparentes Dünnschichtmodul zur Hand und hält es hoch. „Wenn hier die Sonne durchscheint, sieht der Kunde nichts Störendes auf seinem Schreibtisch oder im Raum“, argumentiert er. „Diese semitransparente Dünnschichttechnologie nimmt niemand als Photovoltaik und schon gar nicht als störend wahr.“

Kristallin nur für den Ertrag

Für eine normale opake Fassade ist die kristalline Technologie durchaus brauchbar. „Wir nehmen die kristallinen Module, wenn es vor allem um die Leistung und den Ertrag geht“, erklärt Kreft. „Denn selbst wenn wir mit den farbigen Modulen drei bis fünf Prozent an Leistung verlieren, dann haben wir immer noch mehr als mit der Dünnschicht.“ Aber auch bei den kristallinen Modulen ist es den Thüringern wichtig, dass die eigentliche Technologie optisch im Hintergrund bleibt und nicht zu sehen ist.

Doch auch dann werden die Thüringer mit der kristallinen Technologie noch vor weitere Probleme gestellt. „Denn die Gebäude stehen ja nicht im leeren Raum, sondern meist in unmittelbarer Nähe zu anderen Gebäuden oder Bäumen“, erklärt Stefan Haak, Vertriebsleiter von Antec Solar. „Besonders große Module werden oft teilverschattet, was auf Dächern in der Regel weniger passiert. Dann sinkt die Leistung gesamter Strings.“

Hier hat die Dünnschichttechnologie klare Vorteile, da sie weniger empfindlich gegenüber Teilverschattungen ist.

Viel Ingenieursarbeit reingesteckt

Rein technologisch ist es schwierig, eine Fassade mit Solarmodulen zu bestücken. Der Planer muss genau den Schattenfall von Nachbargebäuden beachten und die Strings kürzer auslegen.

Dies bedeutet einen riesigen Aufwand bei der Erstellung des Wechselrichterkonzepts. Schließlich haben unterschiedlich große Module auch unterschiedliche Leistung, und nur Module mit gleicher Leistung sind sinnvollerweise in einen String zu schalten. „Die Architekten verstehen das meist nicht, für sie ist zunächst die Optik das entscheidende Kriterium“, weiß Stefan Haak. Antec liefert deshalb bei vielen Projekten auch gleich die Wechselrichterauslegung mit. „Wir schauen dann, dass wir entweder die Spannung oder die Stromstärke der einzelnen Module auf den gleichen Wert bekommen“, erklärt Norbert Kreft. „Oder wir teilen große Module in mehrere Segmente auf und haben dann wieder eine gleichmäßige Spannung im gesamten String. Dies ist bei jedem Projekt unterschiedlich. Wir stecken auch dort viel Entwicklungs- und Ingenieursarbeit hinein.“

Das Unternehmen wurde nach der zweiten Insolvenz im Jahr 2008 von der Wilms-Gruppe im sauerländischen Menden übernommen. Damals übernahm der Badenser Norbert Kreft als Technikvorstand die Leitung von Antec Solar. „Die Leistung verdoppeln und die Kosten halbieren“, lautet sein Motto. So konnten die Thüringer schon zwei Jahre später mit einem Cadmium-Tellurid-Modul mit einer Effizienz von zehn Prozent aufwarten. Für das Jahr 2010 ein beachtlicher Wert. Mit der amerikanischen und chinesischen Konkurrenz, die ihre Dünnschichtmodule in riesigen Werken herstellen, konnten sie trotz technologischer Innovation nicht mithalten. „Wir haben rechtzeitig gemerkt, dass sich der Markt in eine andere Richtung bewegt“, erinnert sich Kreft. „Bevor wir hier Geld vernichten, haben wir gesagt, jetzt machen wir Schluss mit der Produktion von Standardmodulen. Vor drei Jahren haben wir dann gesehen, dass wir etwas können, was andere Hersteller nicht schaffen, und unser Unternehmen in eine Solarmanufaktur umgewidmet. Wir können jetzt Einzelmodule, runde Module, eckige Module, farbige Module in ganz unterschiedlichen Größen bauen.“ Kreft und Haak haben sich lange mit Architekten und Investoren unterhalten, was diese von der Photovoltaik verlangen. Am Ende stand nicht nur die gebäudeintegrierte Photovoltaik im Allgemeinen, sondern die Solarfassade im Besonderen auf dem Plan. „Das war unser Ansatzpunkt“, sagt Haak. „Wir mussten uns aber noch weiter in die Architektur hineindenken. Bei einer Hochhausfassade ist jedes Stockwerk ein bisschen unterschiedlich. Deshalb sind auch für jedes Stockwerk unterschiedliche Modulgrößen notwendig.“

Inzwischen haben die Thüringer ihre Produktionsprozesse so angepasst, dass sie exakt die Module liefern, die von den Kunden bestellt werden. Dabei geht es um Maßarbeit. Die Abweichungen, die der Kunde toleriert, sind klein.

Höchstens einen Millimeter akzeptiert man in der normalen Glasverarbeitung. Diese Präzision müssen auch die Arnstädter erreichen, um mit der Konkurrenz aus der Glasbranche mithalten zu können. Ein Blick in die Produktionshallen von Antec Solar zeigt, dass diese nicht auf die Massenfertigung getrimmt sind. Hier wird noch viel in Handarbeit gemacht.

Präzision ist gefragt

Auf Rolltischen werden die Module zurechtgeschnitten und die Anschlüsse angebracht. Auch in diesem Bereich haben die Thüringer einiges vorzuweisen. „Wir haben verschiedene Anschlüsse speziell für die Gebäudeintegration entwickelt“, erklärt Kreft. „Vor allem in der Fassadenintegration kommt man mit den normalen Anschlüssen nicht weit. Dort muss der Anschlusskanal manchmal dünner sein als das Glas selbst.“ Im kristallinen Bereich verwendet der Hersteller inzwischen auch integrierte Dioden, weil außen liegende Dioden bei der Integration in die Fassade stören würden.

Die Herzstücke der Produktion sind die Laminatoren. Gleich vier davon stehen in den Hallen. Jeder von ihnen hat eine spezielle Aufgabe. In einem riesigen Laminator kann der Hersteller Module mit Kantenlängen von 4,50 mal 2,80 Meter laminieren. Ein zweiter Laminator schafft Modulgrößen von bis zu 1,70 mal zwei Meter. Hier werden auch die kleineren Module laminiert, gleich mehrere davon gleichzeitig. In einem speziellen Laminator lassen sich auch gebogene Module herstellen.

Statiknachweis für jedes Modul

Auch hier ist Präzision gefragt. Vor allem bei sehr großen Modulen können die kleinsten Unebenheiten im Glas stören. Deshalb wird jedes Glas im Wareneingang genau kontrolliert. „Wenn das Glas bei der Produktion zu schnell abkühlt, schlägt es Wellen“, weiß Norbert Kreft. „Wir können Unebenheiten von maximal vier Zehntel Millimetern tolerieren. Denn ein Modul besteht aus einem Frontglas, einem Rückglas und einem Glas mit dem Halbleiter. Wenn dann zufällig zwei solcher Wellen übereinanderliegen, wird das Modul an dieser Stelle nicht laminiert und damit undicht.“ Für Dünnschichtmodule sind solche Undichtigkeiten aber problematisch, vor allem weil die Module nicht von einem Rahmen geschützt werden.

Durch die Laminatoren laufen Gläser unterschiedlichster Dicke. Die Bandbreite reicht vom Solarglas mit zwei oder vier Millimetern Dicke bis hin zum Panzerglas. „Wir haben sehr viel Erfahrung mit der Verbundglastechnologie gesammelt“, sagt Kreft. „Es geht hier nicht einfach nur darum, zwei Scheiben miteinander zu laminieren. Da steckt viel mehr dahinter.“ So müssen die Thüringer für jedes Modul Statiknachweise erbringen. Schließlich müssen diese auch den hohen Wind-, Schnee- und Hagelbelastungen in einer Hochhausfassade standhalten.

Die Module sind zwar nicht standardisiert bauzugelassen. Dies würde auch gar nicht funktionieren. Denn die Bauzulassung gilt nur für eine bestimmte Modulgröße und Modulform. Wird das Modul größer oder hat eine vollkommen andere Form, ändert sich auch dessen Verhalten an der Fassade. Für jedes Modul eine allgemeine Bauzulassung zu erwirken, würde nicht nur zu viel kosten, sondern auch viel zu lange dauern. Nur wenn es der Kunde ausdrücklich wünscht und auch bezahlt, betreibt Antec Solar den Aufwand einer allgemeinen Bauzulassung. In der Regel setzt das Unternehmen aber auf die Zulassung im Einzelfall. Um dem Kunden dennoch die Sicherheit zu geben, dass das Modul auch hält, haben sich die Thüringer ein eigenes Testcenter aufgebaut.

Nichts von der Stange

Abhängig von der Größe des Auftrags muss jedes zehnte oder 15. Modul in den hauseigenen Klimaschrank. Danach müssen sie noch einen Belastungstest, einen Schlagtest, einen Brandtest und einen 1.000-Volt-Dauertest überstehen, bevor sie an den Kunden ausgeliefert werden. Diese kommen aus aller Welt. Vor allem in Asien und im Nahen Osten schätzt man die Expertise und die Qualität der Thüringer. Diese lassen sich die Kunden auch einiges kosten – zumindest im Vergleich zum Standardmodul. Denn Billigware gibt es bei Antec Solar nicht. Die Preise gehen hoch bis zu mehreren Tausend Euro für ein Modul, je nachdem wie groß es ist und wie aufwendig die Entwicklung war.

Auftragsbücher sind voll

Trotzdem sind die Auftragsbücher voll. Demnächst wird das Unternehmen seine Mitarbeiter in zwei Schichten arbeiten lassen müssen, um die Aufträge zu schaffen. „Der Vertrieb und die Produktentwicklung machen bei uns den größten Teil der Arbeit aus“, sagt Norbert Kreft. „Da brauchen wir einen langen Atem. Wir leisten da richtig Entwicklungsarbeit mit den Architekten, den Investoren und Projektentwicklern.“

Von diesen bekommen die Arnstädter zunächst nur eine Zeichnung und genaue Angaben, welche Farbe das Modul haben soll. Danach setzen sich die Entwickler in Arnstadt hin und entwickeln den dafür geeigneten Modultyp. Jedes ist eine Einzelentwicklung. Der Weg bis zu einem solchen Modul ist weit. Manchmal dauert es bis zu drei oder vier Monate, bis die Ergebnisse so sind, dass der Kunde sie abnimmt. „Wir sind eingerichtet auf schnelle Reaktion in der Musterproduktion“, erklärt Norbert Kreft. Er hat inzwischen das Gefühl, dass er mehr Glasverarbeiter als Halbleiterhersteller ist. „Das Einzige, was wir nicht machen, ist, das Glas selbst zu produzieren“, sagt er. „Dazu haben wir eine Reihe von Partnern in Europa. Das sind zwar nicht die billigsten, aber sie liefern hohe Qualität.“ Der größte Teil der Glaslieferanten kommt dabei aus Deutschland.

Schweizer Glas in Thüringen

Die größte Herausforderung ist aber nicht die Glasverarbeitung oder die Herstellung der Module in einer bestimmten Form oder Größe, sondern die Farbgebung. Diese muss genau den Forderungen der Kunden entsprechen und später in der Fassade homogen erscheinen. Farbabweichungen toleriert der Kunde nicht. Hier zahlt sich die enge Zusammenarbeit mit Glasherstellern vor Ort aus.

Seit Kurzem ist auch der Glashersteller Swissinso aus Lausanne unter den Lieferanten. Die Thüringer lassen sich das Kromatixglas der Schweizer liefern. Diese nutzen für die Farbgebung eine spezielle Beschichtung. Die Technologie basiert auf einem optischen Effekt. Das einstrahlende Sonnenlicht dringt durch die Glasoberfläche und wird teilweise an der Beschichtung darunter reflektiert.

Dabei fallen nur die Wellenlängenbereiche zurück, die für die Farbgebung des Moduls entscheidend sind. Das restliche Sonnenlicht dringt durch die Beschichtung und wird vom Halbleiter darunter zur Stromproduktion genutzt. Die Feinabstimmung machen die Entwickler in Arnstadt mit dem Rückglas, das sie mit den passenden RAL-Farben emaillieren.

Auf diese Weise schafft es Antec Solar, die Effizienzverluste zu verringern. „Je nach Farbe haben wir drei bis acht Prozent Leistungsverlust“, erklärt Norbert Kreft. „Die anderen Hersteller von farbigen Modulen rechnen mit bis zu 30 Prozent, wenn sie farbiges Glas verwenden.“

Präzise Abstimmung der Teile

Geringe Effizienzverluste schafft Antec Solar auch mit anderen Solargläsern – mit einer präzisen Abstimmung von Frontglas, Rückglas und Halbleiterschicht. Das Frontglas zusammen mit der Farbe des Halbleitermaterials und dem farbigen Rückglas ergibt eine gewisse Erscheinung. „Diese will der Kunde. Da reichen RAL-Angaben nicht aus“, erklärt Kreft. „Selbst wenn wir ein Modul mit einer konkreten RAL-Farbe herstellen, empfindet es der Betrachter anders, wenn es an der Fassade hängt. Für mich ist Farbe mathematisch und physikalisch konkret definiert. Aber die Interpretation dessen, was man dann als bestimmte Farbe wahrnimmt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Da müssen wir viel experimentieren und drei, vier Farbtests machen, bis wir die Farbe haben, die der Kunde will.“

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ein Vorzeigeprojekt ist direkt an der Fassade des Gebäudes angebracht, in dem die Module produziert werden. Da diese Fassade schon einige Jahre auf dem Buckel hat, sind hier die neuesten Entwicklungen der Arnstädter noch nicht zu sehen.

Norbert Kreft ist sich aber sicher, dass er mit seinem Unternehmen den richtigen Weg eingeschlagen hat. Mit den gesetzlichen Anforderungen an die Architekten, ihre Gebäude möglichst energieeffizient zu gestalten, kommen diese nicht mehr an der aktiven Solarfassade vorbei.

www.antec-solar.de

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