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“BIPV brennt unter den Nägeln“

Sie haben eine Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) ins Leben gerufen. Was ist das genau?

Björn Rau: In der Beratungsstelle vermitteln wir umfassendes Wissen darüber, wie die Gebäudehülle mit Photovoltaik aktiviert werden kann. Dazu gehören unter anderem Informationen über die verfügbaren Technologien, konkrete Produkte, die technische Umsetzbarkeit von Solarfassaden oder Indachsolaranlagen und die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Es geht uns um eine produktneutrale, gezielte und persönliche Beratung der initialen Akteure von Bau- und Sanierungsvorhaben, also insbesondere von Bauherren, Architekten, Investoren und Planern. Daher auch der Name der Beratungsstelle BAIP.

Warum haben Sie die Beratungsstelle eingerichtet?

Ursprung war ein Workshop mit Vertretern unserer Zielgruppe, Herstellern von Produkten der BIPV und Forschungsinstituten. Wir wollten wissen, warum die Akzeptanz der BIPV in der Baubranche so gering ist. Ein Ergebnis der Veranstaltung war, dass bei den Architekten, Planern, aber auch bei der Immobilienwirtschaft Kenntnisse darüber fehlen, was mit der Photovoltaik in der Gebäudehülle alles möglich ist, dass es jede Menge Vorurteile gegenüber der BIPV gibt und dass die rechtlichen Randbedingungen vielfach unklar oder unbekannt sind. Deshalb brauchen wir den Wissenstransfer in diese Richtung.

Was haben die Photovoltaikanbieter aus dieser Veranstaltung mitgenommen?

Die Photovoltaik hat sich bisher zu sehr auf das Produkt konzentriert und versteht die konkreten Bedürfnisse der Architekten häufig nicht ausreichend. Die eigentliche Aufgabe ist es, den Architekten näherzubringen, dass es inzwischen, auch aus gestalterischer Sicht, vielfältige, attraktive Möglichkeiten gibt, Photovoltaik in ein Gebäude zu integrieren. Der Solarindustrie muss noch klarer werden, dass nicht immer die Effizienz eines Solarmoduls der wichtigste Aspekt ist.

Was ist für den Architekten wichtiger?

Das Produkt muss in erster Linie erst einmal als gestalterisch integrierbar überzeugen. Denn der Architekt, die Architektin wird ein solares Bauelement nicht einplanen, wenn es nicht den eigenen ästhetischen Ansprüchen oder denen des Bauherren entspricht. Auch Dinge wie die Haptik können dabei eine Rolle spielen.

Wie sieht denn Ihr Angebot konkret aus?

Ein zentraler Punkt ist die individuelle Beratung von Architekten, Planern oder Bauherren zu einzelnen Projekten. Dabei geht es nicht darum, eine genaue Anlagenplanung zu machen oder eine Baubegleitung in der Projektphase anzubieten. Wir wollen die Berührungsängste nehmen und zeigen, ob und welche Möglichkeiten es gibt, ein Gebäude in einer bestimmten Umgebung mit Photovoltaik in der Hülle auszustatten. Ein weiterer Punkt unserer Arbeit ist die allgemeine Information der Zielgruppe durch Workshops, Seminare und Messeauftritte.

Wie geht es dann für den Architekten weiter?

Durch unsere Beratung erhält der Architekt im optimalen Fall genug Information, um die Integration von Photovoltaik im weiteren Planungsprozess zu berücksichtigen, sowohl planerisch als auch gegenüber dem Bauherrn. Für die konkrete Detailplanung und gegebenenfalls spätere Umsetzung wendet er sich dann an spezialisierte Fachplaner und Fachfirmen. Für die Vermittlung an diese kann er sich beispielsweise an die Allianz BIPV wenden, einen Interessensverein all jener, die sich mit dem Thema BIPV vertieft beschäftigen, von der Architektur und Planung über die Beratung und die Herstellung von Komponenten und Produkten bis hin zur Forschung.

Wie viel kostet die Beratung?

Die Beratung ist kostenlos. Das war uns wichtig. Denn wir wollen die Zielgruppe ohne Hürden erreichen. Die meisten Architekturbüros beispielsweise sind eher klein und ihre Budgets sind begrenzt. Da ist die Möglichkeit oder auch die Bereitschaft naturgemäß nur gering, für eine erste allgemeine Beratung zum Thema BIPV Geld auszugeben. Das kostenlose Angebot ist möglich, da wir als ein öffentlich gefördertes Projekt für die nächsten vier Jahre mit Mitteln der Helmholtz-Gemeinschaft und des Helmholtz-Zentrums Berlin unterstützt werden.

Wie kommen Sie in den Kontakt zur Zielgruppe?

Dazu planen wir zum einen Weiterbildungen mit den Architektenkammern. Wir konnten unter anderem die Bundesarchitektenkammer und die Architektenkammer Berlin als Antragspartner für die Beratungsstelle gewinnen. Denn dort fehlt bisher ein Informationsangebot über die energetische Aktivierung der Gebäudehülle. Zum anderen veranstalten wir Workshops mit Architekten, Planern und Bauherren zum Thema BIPV, wo wir, zum Beispiel anhand konkreter Fallbeispiele, zeigen, was alles möglich ist. Ein weiteres Element werden Diskussionen und runde Tische sein, bei denen wir die konkreten Bedürfnisse der Zielgruppe besser kennenlernen wollen und nach Möglichkeit auch Empfehlungen für die Photovoltaikindustrie und letztendlich auch die Photovoltaikforschung ableiten werden.

Wie ist die Resonanz auf solche Veranstaltungen?

Die ist sehr groß. Zusammen mit dem Solarzentrum Berlin haben wir kürzlich unseren ersten Workshop veranstaltet und der war komplett ausgebucht. Die Architektenkammern Berlin und Brandenburg haben diese Veranstaltung bereits als offizielle Fortbildungsoption für ihre Mitglieder akzeptiert. Zudem bekamen wir bereits direkt mit dem Start der Beratungsstelle im April zahlreiche Beratungsanfragen. Inzwischen erreichen uns wöchentlich weitere Anfragen. Durch die vermehrte öffentliche Diskussion zum Klimaschutz, durch das steigende Bewusstsein im nachhaltigen Umgang mit Ressourcen brennt auch der Zielgruppe das Thema unter den Nägeln. Sie hat einen riesigen Informationsbedarf.

Mit welchen Fragen kommen die Architekten zu Ihnen?

Das ist sehr unterschiedlich. So kommen Architekten, aber auch Bauherren auf uns zu mit sehr konkreten Projekten, die sie realisieren wollen. Da geht es oft vor allem um die klassischen Fragen, die bei der BIPV immer wieder auftauchen: die Fragen nach den Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Form, Farbe, Materialien, teilweise auch der Transparenz – eine Möglichkeit, die mit Blick auf die BIPV noch gar nicht so bekannt ist.

Sind das tatsächlich die relevanten Fragen?

Natürlich spielt die Kreativität eine zentrale Rolle und dieses Thema müssen wir bedienen. Die Frage nach der Gestaltungsmöglichkeit ist oft die erste. Erst wenn man den Architekten überzeugt, dass es eine ästhetische, nutzbare Installation sein kann, prüft er in zweiter Instanz die Randbedingungen. Dann kommen natürlich auch die Regelungen des Baurechts, der individuellen und der allgemeinen Bauartzulassung oder des Brandschutzes zur Sprache. Es geht aber auch immer wieder darum, wie der Strom aus der Fassade oder aus dem Dach genutzt werden kann. Hier spielen Themen wie Mieterstrom, Elektromobilität, Energiemanagement eine Rolle. Es kommen auch Architekten zu uns, die vom Bauherren konkret die Aufgabe bekommen haben, Photovoltaik ins Gebäude zu integrieren, denen aber die fachlichen Kenntnisse und auch das Wissen über die Möglichkeiten noch fehlen.

Die Beratungsstelle ist jetzt für vier Jahre eingerichtet. Gibt es schon Pläne, wie es dann weitergeht?

Wir haben schon darüber nachgedacht. Das Optimum ist, wenn sich die Erstberatung, die wir jetzt machen, bis dahin erübrigt, weil die BIPV in der Architektur selbstverständlich geworden und das grundlegende Wissen vorhanden ist. Dann können wir den Beratungsschwerpunkt verlegen und in die Planung selbst einsteigen.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

www.helmholtz-berlin.de/projects/baip

Dr. Björn Rau

arbeitet seit 2011 am Helmholtz-Zentrum in Berlin. Zusammen mit Dr. Markus Sauerborn hat er im April des vergangenen Jahres die Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BAIP) ins Leben gerufen.

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