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Störsender auf dem Dach

Genau ein Jahr ist es her, dass photovoltaik die Probleme einiger DC-Optimierer mit elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) publik machte. In bestimmten Einbausituationen geben die Optimierer störende Frequenzen ab. Der DC-String wirkt als Antenne und verbreitet die Störungen in der Nachbarschaft.

Die Folge: Die gesetzlich geschützten Frequenzen der Amateurfunker, der Notrufdienste und der Flugsicherung werden beeinträchtigt. Die Zahl der gemeldeten Störungen wächst – wie die Zahl der Solargeneratoren zunimmt.

Stilllegung von Amts wegen

Es hat sich herausgestellt, dass die meisten EMV-Störungen von Photovoltaikanlagen auf DC-Optimierer zurückzuführen sind: „Solaranlagen mit Power-Optimizern verursachen Störungen, die uns meist durch Radioamateure gemeldet werden“, bestätigt Emmanuel de Raemy, Experte am Bundesamt für Kommunikation (Bakom) der Schweiz in Biel. „Wenn wir die Anlage messen, stellt sich aber heraus, dass nicht nur das Band der Radioamateure gestört ist, sondern fast der ganze Kurzwellenbereich betroffen ist.“

Übliche Photovoltaikanlagen mit normalen Stringwechselrichtern hingegen zeigen bislang kaum EMV-Auffälligkeiten. Nur defekte Wechselrichter können stören, meist behebt der Austausch das Problem.

Das Bakom in Biel ist das Pendant zur deutschen Bundesnetzagentur (BNA). Wenn eine Solaranlage die geschützten Frequenzen stört, wird der Betreiber von diesen Ämtern abgemahnt. Dann muss er die Anlage entstören – auf welche Weise, das ist seine Sache. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, kann die Behörde die Anlage zwangsweise stilllegen.

Beliebte Power-Optimizer

Power-Optimizer sind unter den Installateuren beliebt, weil sie die Planung und Überwachung der Anlagen vereinfachen. Zudem bieten sie eine Notabschaltung für den Brandfall. Aber: „Power-Optimizer arbeiten wie getaktete Netzteile. Dazu werden leistungselektronische Bauteile verwendet, die sehr schnell takten“, erklärt de Raemy. „Dies ist eine Störungsursache. Optimizer müssen zusätzlich kommunizieren, um richtig arbeiten zu können.“

Kaum Probleme in DC-Strings

Dazu wird bei einigen Geräten Power Line Communication (PLC) verwendet. Das heißt, die DC-Leitungen der Photovoltaikanlage werden noch durch ein Kommunikationssignal überlagert.

Dieses Steuersignal ist eine weitere Störquelle. Neben PLC verwenden einige Anbieter funkgesteuerte Kommunikation, über eigene Frequenzen. Beide Systeme wurden in einigen Anlagen auffällig, weil sie Störungen verursachten.

Zunächst einmal: Störfrequenzen können überall entstehen, wo elektrische Geräte zum Einsatz kommen. Ordnungsgemäß gefertigte und geprüfte Solarwechselrichter verfügen DC-seitig über entsprechende HF-Filter.

Ist das Gerät jedoch defekt, können störende Oberschwingungen in die DC-Strings übergehen. „Im Normalfall besteht die DC-Seite einer Photovoltaikanlage aus einem oder einigen Strängen mit in Serie geschalteten Solarmodulen, die an einen oder mehreren MPP-Tracker-Eingängen am Wechselrichter angeschlossen sind“, erläutert Photovoltaikexperte Heinrich Häberlin aus der Schweiz. „Liegen die an diesen MPPT-Eingängen gemessenen HF-Störspannungen unter den Grenzwerten der geltenden Norm, treten in der Praxis meist keine unzulässigen Störungen auf.“

Die Störpegel sind zum Teil erheblich und drücken die Nutzsignale faktisch weg.

Foto: Siegfried Pomplun

Die Störpegel sind zum Teil erheblich und drücken die Nutzsignale faktisch weg.

Solarexperte und Amateurfunker

Häberlin ist in der Solarbranche kein Unbekannter: Als Professor für Elektrotechnik an der Hochschule in Bern hat er etliche Generationen von Studenten für die Photovoltaik begeistert. Seit Ende 1987 war er in der photovoltaischen Systemtechnik tätig.

Mehrere Standardwerke der Solarbranche, Fachbücher und über 150 Fachartikel hat er zur Photovoltaik veröffentlicht. Seit 2015 ist er im Ruhestand, bleibt jedoch weiterhin engagiert.

Häberlin war und ist auch begeisterter Funkamateur. „Als aktiver Amateurfunker war mir schon zu Beginn meiner Forschungstätigkeit klar, dass Photovoltaikanlagen ein mögliches EMV-Problem darstellen“, sagt er. „Darauf habe ich in meinen Testberichten schon Anfang der 90er-Jahre hingewiesen.“

Häberlin war maßgeblich damit befasst, Grenzwerte für die DC-seitigen Abstrahlungen von Wechselrichtern zu definieren. „Bei allfälligen Störungen kann man an den MPPT-Eingängen der Wechselrichter leicht zusätzliche Entstörmittel anbringen“, erläutert er. „Die Anzahl der Störquellen ist relativ klein – im Wesentlichen Anzahl der MPPT-Eingänge plus eins, sodass der Aufwand für die Entstörung tragbar ist.“

Viele Störquellen auf dem Dach

Anders bei Anlagen mit DC-Optimierern: „Dort hat man zusätzlich pro ein oder zwei Modulen je eine im Solargenerator verteilte Störquelle, das heißt eine große Zahl verschiedener HF-Störquellen“, erklärt der Experte. „Es sollte deshalb versucht werden, Schaltkonzepte mit möglichst geringer Störungserzeugung (Soft Switching) einzusetzen.“

Jeder DC-Optimierer verwaltet ein oder zwei Solarmodule. Deshalb entsteht auf dem Dach ein regelrechtes Netz von potenziellen Störquellen, mit undefinierter Impedanz und undefiniertem Antennenwirkungsgrad. „Einige Optimierer werden ihre Störleistung praktisch vollständig an eine auf der Störfrequenz resonante Antenne abgeben“, sagt Häberlin. „Bei anderen wird die Störleistung infolge Fehlanpassung nicht voll abgegeben ­werden.“

Jeder Optimierer braucht Filter

Soll heißen: Stört die Anlage, müssen alle Störquellen ausgeschlossen werden. „Für eine sinnvolle Entstörung sind an jedem Optimierer separate Entstörfilter nötig, was entsprechende Mehrkosten zur Folge hat“, kommentiert Häberlin.

Das sind beispielsweise drei Klappferrite mit drei bifilaren Windungen mit asymmetrischen HF-Impedanzen von 0,5 bis zwei Kiloohm – für jeden Optimierer im störenden String. „Diese bisher vom Installateur bei Störungen an der Verkabelung zu realisierenden Maßnahmen und die danach unter den Modulen der Witterung ausgesetzten Entstörelemente sind unschön“, meint der Fachmann. „Es wäre wünschenswert, wenn diese Entstörmittel standardmäßig direkt in jeden Optimierer integriert oder in einem vom Hersteller gelieferten und wetterfesten externen Zusatzgehäuse mit kurzen Anschlusskabeln und Steckern untergebracht wären. Das könnte man bei Störfällen kostenlos nachliefern und einbauen.“

Die Anbieter schweigen

Allerdings schweigen die Hersteller bislang. Auch nach der Veröffentlichung in photovoltaik im März 2020 wurden keine besonders entstörten Geräte in die Lieferlisten aufgenommen. Weil nur sehr wenige Anlagen solche Störungen aufweisen, wird das Problem an die Installateure delegiert.

Sie sollen die betroffenen Anlagen manuell mit den Ferritkernen nachrüsten – ohne Garantie, dass es wirklich klappt. Denn erst nach erneuter Messung durch die Behörden wird die Anlage freigegeben – oder muss erneut saniert werden.

Heinrich Häberlin selbst hat die betroffene Anlage eines Nachbarn in mühevoller und langwieriger Arbeit saniert. „Sie hatte 39 Optimierer“, erinnert er sich. „Das bedeutete, dass wir drei mal 39 Entstörferrite nachträglich an den Optimierern anbringen mussten. Wir brauchten ein Gerüst ums ganze Haus. Zwei Tage lang waren vier bis sechs Leute mit den Arbeiten auf dem Dach befasst.“

Um es vorwegzunehmen: Diese Sanierung hat der Hersteller der Leistungsoptimierer bezahlt. Nach Schätzungen von Professor Häberlin „einige Tausend Franken“.

Doch bis der Anbieter seinen Technikchef in die Schweiz schickte, waren etliche Telefonate und stundenlange Argumentationen notwendig. „Zuerst hat die Firma alles abgestritten“, erinnert sich Häberlin. „Dabei hatte das Unternehmen schon 2014 eine kurze Warnung zu diesem Thema veröffentlicht.“

Ferritkerne an den Anschlüssen eines DC-Optimierers.

Foto: Peter Furter

Ferritkerne an den Anschlüssen eines DC-Optimierers.
Anstatt entstörte Geräte auf den Markt zu bringen, gibt ein Hersteller solche Anleitungen zur Reparatur heraus – und lässt die Installateure damit allein.

Foto: Tigo

Anstatt entstörte Geräte auf den Markt zu bringen, gibt ein Hersteller solche Anleitungen zur Reparatur heraus – und lässt die Installateure damit allein.

Ferrite hängen an den Kabeln

Schließlich setzte sich ein Technikteam in Bewegung und sanierte die Anlage: mit 117 Klappferriten, je drei pro Optimierer. Jeder Ferritkern wiegt zwischen 200 und 300 Gramm und hängt nun in der DC-Verkabelung.

Nun hängen diese Gewichte an den Kabeln, bei Wind und Wetter. Deshalb drängt Häberlin auf separate, speziell entstörte Optimierer, die mit der entsprechenden Garantie von den Solarteuren installiert werden können.

Fakt ist: Der Installateur der Anlage in der Nachbarschaft des Professors war mit der Sanierung überfordert. Nicht alle Solarteure sind HF-Spezialisten und kennen sich mit EMV aus. „Das Problem ist die Grundschwingung der DC-Optimierer“, analysiert Häberlin. „Bei einem Anbieter sind es 200 Kilohertz. Das Rundfunkband beginnt bei 150 Kilohertz.“ Häberlin selbst stieg auf das Dach, um mit den Fachleuten des Herstellers einen „Präzedenzfall für die Entstörung zu ­schaffen“.

Typische Muster in den Bändern

In den Frequenzbändern der Amateurfunker lassen sich die Störwellen alle 200 Kilohertz deutlich ausmachen. „Jeder Anlagetyp hat sein eigenes Störspektrum“, bestätigt Emmanuel de Raemy vom Bakom. „Damit lässt sich sehr schnell identifizieren, welcher Anlagetyp die Störquelle sein könnte. In einem Quartier mit vielen Photovoltaikanlagen muss man dann nur noch nach diesem speziellen Anlagetyp suchen.“

Dass die Optimierer die Quelle der Störungen sind, ist leicht auszumachen: „Auch wenn die Wechselrichter ausgeschaltet werden, laufen die Optimizer durch den Sonnenstrom weiter“, erläutert der Bakom-Experte. „Da sieht man meistens noch die Störung, das weist deutlich auf die Optimizer als Quelle hin. Erst nachts oder bei starker Bewölkung verschwindet die Störung komplett.“

Der Besitzer der Anlage haftet

Und dann? „Betriebsmittel müssen nach dem Stand der Technik so entworfen und gefertigt sein, dass die von ihnen verursachten elektromagnetischen Störungen keinen Pegel erreichen, bei dem ein bestimmungsgemäßer Betrieb von Funk- und Telekommunikationsgeräten oder anderen Betriebsmitteln nicht möglich ist“, erklärt de Raemy. „Als Aufsichtsbehörde können wir uns im Störfall nur an den Besitzer der Anlage wenden.“

Der Besitzer wiederum muss seinen Installateur kontaktieren, der wiederum seinen Lieferanten und dieser den Hersteller, falls kein lokaler Importeur existiert.

Das wirft neue Probleme auf. Ein Anbieter beispielsweise sitzt in Kalifornien. Statt konstruktiver Vorschläge oder EMV-konformer Geräte schickte diese Firma martialische Drohbriefe ihrer Anwälte – an Solarkunden und Journalisten, die solche Fälle publik machen.

Nur blumige Versprechungen?

So gerät das EMV-Problem zum Serviceproblem. Es ist der Testfall, was die blumigen Versprechungen wirklich wert sind. Natürlich sind Beschwerden und technische Probleme unangenehm, niemand befasst sich damit gern. Zumal trotz Millionen verbauter Optimierer weltweit die Zahl der gemeldeten Störfälle im Funkverkehr sehr, sehr gering ist.

Denn in der Regel funktionieren Anlagen mit DC-Optimierern problemlos. Kommen aber bestimmte Faktoren zusammen, wirkt die Anlage als Störsender. Spezielle EMV-Geräte zu entwickeln und zu produzieren bedeutet für die Hersteller höhere Kosten.

So bleibt das Problem beim Anlagenbetreiber und seinem Installateur hängen. Stört eine Photovoltaikanlage den Amateurfunk in der Nachbarschaft, wird der Betreiber der Anlage verdonnert, die Störungen abzustellen. Nicht jeder Installateur hat die Qualifikationen von Professor Häberlin, um das Problem technisch zu bewältigen.

Ganz zu schweigen vom Aufwand: Faktisch muss jedes Modul hochgenommen werden, um an die DC-Optimierer zu kommen.

Dann werden die Ferritkerne um die Anschlüsse gebunden. Danach ist die Anlage neu auszumessen und zu testen, ob die Störpegel in den Funkfrequenzen unter die erlaubten Grenzwerte sinken.

Der Installateur ist in der Pflicht

Stets ist der Installateur in der Pflicht, denn er übergibt seinem Kunden eine Anlage, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Soll heißen: Wenn die Anlage stört, kann ein beinharter Kunde seinen Solarteur in Regress nehmen.

Zu der hier beschriebenen Sanierung einer Photovoltaikanlage mit DC-Optimierern stellt Professor Häberlin auf der Website der Union der Schweizerischen Kurzwellenamateure kostenlos Infos zum Download zur Verfügung:

Ausführlichere Informationen zum EMV-Verhalten von DC-Optimierern lesen Sie in der Ausgabe photovoltaik 2-2020, Seiten 12-21.

Messaufbau des Bakom in der Schweiz: Links sieht man die Antenne zur Ermittlung der EMV-Störungen.

Foto: Bakom

Messaufbau des Bakom in der Schweiz: Links sieht man die Antenne zur Ermittlung der EMV-Störungen.

Swedish Electrical Safety Board

Schwedische Behörden drohen mit Verbot

Das schwedische Amt für die Sicherheit elektrischer Systeme hat im Herbst 2020 angedroht, den Verkauf und die Installation von DC-Optimierern für Photovoltaikanlagen zu verbieten. Grund sind Störfrequenzen, die wichtige Notrufdienste und die Flugsicherheit gefährden. „Wir wollen alle Solarprodukte, die Störungen verbreiten, vom Markt nehmen“, sagte Martin Gustafsson, der zuständige Inspektor für Marktkontrolle. „Für Elektriker sollte es einfach sein, das Richtige zu tun. Wenn sie sich für Geräte mit CE-Kennzeichnung entscheiden und die Anweisungen des Herstellers befolgen, sollte das System auch unbedenklich sein.“

Schweden ist in vielen Landesteilen nur dünn besiedelt. Dort kommt Funkverbindungen besondere Bedeutung zu, vor allem bezüglich ihrer Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. Doch es häufen sich Beschwerden über Störungen, die von bestimmten Photovoltaikanlagen ausgehen. Neben Funkamateuren ist beispielsweise der Mobilfunkbetreiber Telia betroffen.

Im Sommer 2020 haben Experten des Swedish Electrical Safety Board die störenden Anlagen analysiert und die Marktüberprüfung von Optimierern und Wechselrichtern von elf verschiedenen Herstellern angeordnet. „Sie nutzen eine Lücke in der Norm und verstecken sich hinter einer allgemeinen EMV-Norm, die keine Anforderungen an die Gleichstromseite stellt“, kritisiert Martin Gustafsson.

Die Marktüberprüfung sei noch nicht abgeschlossen. „Dies macht unsere Beweislage schwierig. Wenn die Störungsprobleme jedoch nicht gelöst werden, können die Produkte vom Verkauf ausgeschlossen werden.“

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