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Verkehr bleibt Stiefkind der Energiewende

Die Energiewende im Verkehrssektor kommt nicht voran. Dazu sind politische Maßnahme und die weitere technologische Entwicklung notwendig. Die Elektromobilität bringt dabei riesige Vorteile, muss aber als Teil des Gesamtsystems betrachtet werden.

Um die Energiewende im Verkehrssektor voranzubringen, sind umfangreiche politische und technologische Maßnahmen erforderlich. Diese sollten auf die Verlagerung des Verkehrsaufkommens von der Straße, die Vermeidung von Verkehr und vor allem auf alternative Kraftstoffe und Antriebe abzielen. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse, die die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) veröffentlicht hat. Im Auftrag der AEE haben die Experten vom Forum Ökologisch-Sozilae Marktwirtschaft die Aussagen von 14 wissenschaftliche Studien zur Entwicklung der Energieversorgung im Verkehr einander gegenüberstellt. „Der Studienvergleich zeigt, dass der Verkehr das Sorgenkind der Klimapolitik ist und bleibt“, resümiert Philipp Vohrer, Geschäftsführer der AEE. „Die kurzfristigen Ziele der Bundesregierung zu Einsparungen beim Endenergieverbrauch und den Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor erscheinen aus heutiger Sicht kaum noch erreichbar. Unmittelbar vor der UN-Klimaschutzkonferenz ist diese Erkenntnis besonders bitter.“

Emissionen sind gestiegen

Insgesamt strebt die Bundesregierung an, den Ausstoß von Treibhausgasen durch den Verkehrssektor bis 2050 um mindestens 80 Prozent zu reduzieren. Wenn sie aber jetzt nicht tätig wird, wird sie dieses Ziel kaum erreichen. Dabei liegt einer der Schwerpunkte auf der Elektromobilität, deren Entwicklung kaum vom Fleck kommt – sowohl bezüglich der Technologie selbst aber auch mit Blick auf die Markteinführung. Immer noch bezieht der Verkehr in Deutschland 90 Prozent seiner Energie aus Erdöl und ist für rund ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Statt diese zu senken, sind sie in den vergangenen Jahren sogar noch weiter angewachsen.

Verkehrsaufkommen wird weiter ansteigen

Als Grund dafür nennen die Forscher die enorm gewachsene Verkehrsleistung, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Dies wird in den kommenden Jahren auch so weitergehen. Die Verkehrsprognosen sehen ein weiteres Wachstum der Verkehrsleistung, insbesondere im Güter- und Luftverkehr. Deshalb ist vor allem der Schwerpunkt der alternativen Antriebe so wichtig. „Die Erforschung und Etablierung sauberer Antriebe und Kraftstoffe muss stärker in den politischen Fokus rücken, genauso wie die Frage, wie Verkehr vermieden beziehungsweise auf umweltfreundliche Verkehrsträger verlagert werden kann“, schlussfolgert Vohrer.

Verkehrsaufkommen vermeiden

Welche Mittel dazu notwendig und erfolgversprechend sind, haben die miteinander verglichenen Studien untersucht. So zielt ein Teil der Untersuchungen darauf ab, durch die Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs und die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene das Ziel zu erreichen. Aber auch ökonomische Instrumente wurden betrachtet. So untersuchten die Wissenschaftler unter anderem die Wirkung von Mautsystemen, die Erhöhung von Kraftfahrzeugsteuern und den Abbau umweltschädlicher Subventionen im Verkehr, die dazu beitragen können, das Aufkommen zu vermeiden.
Eine Alternative können aber auch strombasierte Kraftstoffe sein. Dazu zählt die Herstellung von Wasserstoff (Power-to-Gas) oder flüssiger Treibstoffe (Power-to-Liquid) mit Ökostrom. Allerdings benötigen diese Treibstoffe aufgrund hoher Umwandlungsverluste derzeit noch sehr viel Energie bei der Herstellung, was ihre Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit von technologischen Fortschritten abhängig macht.

Elektromobilität ist Teil des Gesamtsystems

Die Elektromobilität selbst wird das Stromsystem vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Zwar bietet sie die Möglichkeit der optimalen Nutzung von Strom aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen, doch sie erhöhen auch das Risiko von Lastspitzen. Deshalb muss die Elektromobilität als Bestandteil des gesamten Stromsystems betrachtet werden. Welche Risiken und Chancen dabei entstehen, haben Wissenschaftler der Forschungsstelle für Energiewirtschaft mit Sitz in München in einer Studie untersucht. Sie haben die Auswirkung der Elektromobilität auf das Netz in Garmisch-Partenkrichen simuliert. Das zunächst beruhigende Ergebnis: Erst wenn 50 Prozent der Haushalte ein Elektrofahrzeug besitzen, kommt es zu sogenannten Spannungsbandverletzungen in einzelnen Netzgebieten, in denen zum gleichen Zeitpunkt viele Elektroautos geladen werden. Deshalb sollte die Ladung von Elektroautos gesteuert stattfinden. Jedes Auto wird dann zu einem Teil des gesamten Systems. In solchen Fällen können gezielte Ladesteuerungen das Stromnetz sogar besser entlasten als ungesteuerte Hausspeichersysteme einzelner Nutzer.

Eigenverbrauch mit Elektroauto erhöhen

Die Elektromobilität ist aber auch eine Chance für die Photovoltaikbranche. Denn die Studie der Münchner Forscher zeigt, dass mit Blick auf die steigenden Strompreise die künftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Verbreitung von Photovoltaikanlagen mit hohem Eigenverbrauch begünstigen werden. Der Eigenverbrauch kann mit einem Elektroauto teilweise drastisch erhöht werden. Allein die ungesteuerte Direktladung eines solchen Fahrzeugs erhöht den Anteil des selbst verbrauchten Stroms aus der Solaranlage um fünf Prozent. Dieser Anteil steigt auf neun Prozent im Mittel, wenn die Landung des Autos gezielt stattfindet. Der Vorteil: Der stationäre Speicher kann dann kleiner ausgelegt werden, was die Mehrkosten für ein Elektroauto wieder aufwiegt. (Sven Ullrich)