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Neue Aufgaben

„30 Gigawatt bis 2047“

PV Austria setzt sich seit 25 Jahren für die Photovoltaik in Österreich ein. Wenn Sie 25 Jahre in die Zukunft schauen könnten, wo steht die Photovoltaik in Österreich dann – ist die Energiewende geschafft?

Vera Immitzer: Da sind wir im Jahr 2047. Dann ist Österreich schon klimaneutral! Das geht natürlich nur, wenn wir den Ökostrom komplett ausbauen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Wir haben mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – EAG – grundsätzlich die passenden Rahmenbedingungen. Und die EU-Kommission hat nun auch festgelegt, dass die Bundesländer Flächen für die Photovoltaik ausweisen müssen. Das ist der Weg, um die installierte Solarleistung bis 2047 auf mehr als 30 Gigawatt
auszubauen.

Das reicht für die Versorgung inklusive Sektorkopplung?

Nein. Da haben wir Teile der Sektorkopplung abgedeckt.

Wie wird dann die Stromversorgung in Österreich aussehen?

Dadurch, dass wir 70 Prozent Wasserkraft haben, wird die Photovoltaik nicht den größten Teil ausmachen. Aber gut ein Drittel des Stroms in Österreich wird längerfristig aus der Photovoltaik kommen.

Was sind die nächsten Schritte, die notwendig sind, um dieses Ziel zu schaffen?

Wir hatten bisher vor allem die Marktentwicklung im Blick. Nachdem die Bundesregierung mit dem EAG einigermaßen brauchbare Rahmenbedingungen für die weitere Marktentwicklung geschaffen hat, konzentrieren wir uns in den nächsten Jahren darauf, die Anlagen leichter ans Stromnetz zu bringen. Hier geht es vor allem um Transparenz sowohl hinsichtlich der freien Kapazitäten als auch der Anschlusskosten und um einen konkreten Stromnetz-Ausbauplan, der auf die Ausbauziele der erneuerbaren Energien abgestimmt ist. Ein weiteres wichtiges Thema für die nächste Zeit ist die Ausweisung von Flächen für Solarparks. Bei beiden Themen liegt der Ball vor allem bei den Bundesländern.

Das klingt nach Konzentration auf Großanlagen. Sind Dachanlagen erst einmal kein Thema mehr, weil sie ein Selbstläufer geworden sind?

Der Ausbau der Dachanlagen funktioniert großteils. Außer im Netzbereich. Da ist die Herausforderung, dass selbst kleine private Dachanlagen nicht angeschlossen werden. Obwohl im EAG ­geregelt ist, dass diese im Ausmaß der Bezugsleistung immer anzuschließen sind. Aber das funktioniert auch in diesem Segment nicht. So gibt es einige Punkte, die im Gesetz stehen und nicht umgesetzt werden.

Welche sind das?

Beispielsweise müssen die freien Netzkapazitäten ausgewiesen werden, zumindest auf der Hochspannungsebene bis hin zur Umspannung auf die Mittelspannungsebene. Aber auch das hat außer dem Netzbetreiber in Niederösterreich noch kein Bundesland umgesetzt. Wir haben jetzt seit einem Jahr das EAG und wissen immer noch nicht, wo freie Kapazitäten für den Anschluss von Solaranlagen sind, und damit fehlen die Planungsgrundlagen.

Sie wollen auch mehr Kostentransparenz. Aber die Netzanschlusskosten sind doch eigentlich klar im Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz Elwog geregelt.

Das ist richtig. Aber die Netzbetreiber interpretieren diese Regelungen alle anders und ­unterschiedlich.

Sind Sie mit dem EAG zufrieden?

Das ist ein guter Ansatz. Aber es gibt Bedarf für Nachbesserungen.

Welche?

Jüngst hat die erste Runde der Investitionsförderung begonnen. Wir haben jetzt gesehen, dass die Regelungen noch nicht optimal sind. Es gibt zu wenige Ausschreibungstermine im Jahr. Außerdem dürfen nur Projekte teilnehmen, deren Bau noch nicht begonnen hat, für die aber schon alle Genehmigungen ­vorliegen müssen. Das sind Hürden, die entstehen, wenn von einem System ins andere gewechselt wird. Das wird sich aber auch einrenken und die Regierung muss gewisse Dinge einfach noch ausbügeln. Außerdem sind die Errichtungsfristen zu kurz, vor ­allem mit Blick auf die derzeitige Liefersituation
der Komponenten.

Lange musste PV Austria kämpfen, um die Hürden für den Solarenergieausbau in Österreich zu überwinden.

Foto: Astrid Knie

Lange musste PV Austria kämpfen, um die Hürden für den Solarenergieausbau in Österreich zu überwinden.

Wäre dann eine Lösung, dass man die Förderung komplett verstetigt und jeder jederzeit einen Förderantrag einreichen kann?

Grundsätzlich wäre das ein guter Ansatz. Das wird aber bei größeren Anlagen über zehn Kilowatt schwierig. Denn laut Gesetz müssen ­diese entsprechend dem Förderbedarf gereiht werden, um den Eigenverbrauch anzureizen und vor allem die Fördermittel effizient zu vergeben. In diesem Segment wird sozusagen auch der Investitionszuschuss versteigert. Damit muss die Förderung innerhalb abgeschlossener Runden stattfinden, also über eine festgelegte Dauer, in der Gebote abgegeben werden. Diese Dauer ist derzeit anderthalb Monate.

Wo liegt da das Problem?

Die Organisatoren der Förderrunden haben inzwischen auch gemerkt, dass die Dauer viel zu lang ist. Denn erst wenn der Call vorbei ist, können die Förderverträge ausgestellt werden. Wenn das Budget aber ohnehin schon nach drei Tagen vergeben ist, kann die Runde auch dann gleich abgeschlossen werden.

Immerhin gibt es aber schon die Investitionsförderung, was ja lange gedauert hat. Doch Solarstrom ist schon jetzt auch in Österreich mit dem Eigenverbrauch wirtschaftlich. Sind Förderungen überhaupt noch notwendig?

Die Förderung ist ein zusätzlicher Anreiz. Für größere Projekte ist sie aber auch eine Absicherung der Investition.

Geht es da um die Absicherung der Bankenfinanzierung?

Nicht nur, aber auch. Vor allem wenn es um Freiflächenanlagen geht, die mit der Marktprämie finanziert werden. Die österreichischen Banken werden damit zum ersten Mal konfrontiert. Es wird eine gleitende Marktprämie geben. Der Anlagenbetreiber bekommt also die Differenz zwischen Verkaufserlös und Gebotswert ausgezahlt. Liegt der Verkaufserlös über dem Gebotswert, muss bei Anlagen größer fünf Megawatt die Differenz anteilig zurückgezahlt werden. Bei negativen Strompreisen über eine Dauer von sechs Stunden bekommt er gar keine Marktprämie mehr. Die Anlagenbetreiber und die Banken müssen sich Gedanken machen, wie sie diese Risiken einpreisen.

Steht der Termin für die erste Ausschreibung der Marktprämienförderung schon fest?

Wir warten noch auf die Förderverordnung für die Marktprämienförderung. Diese soll noch vorm Sommer finalisiert werden und im Herbst die erste Ausschreibung stattfinden.

Diese wird es unter anderem für Solarparks geben, die in Österreich umstritten sind. Die Kritiker argumentieren, dass genügend Gebäudeflächen vorhanden sind, um ausreichend Leistung zu installieren. Sind Freiflächenanlagen überhaupt notwendig?

Das ist eine Zeit- und Kostenfrage. Wir brauchen sehr schnell extrem viel Leistung, die aufgebaut werden muss. Mit den Dachanlagen wird das in der kurzen Zeit nicht zu schaffen sein. Zudem brauchen wir Anlagen, die möglichst viel Strom erzeugen und ins Netz einspeisen. Denn der Großteil der Dachanlagen ist für den Eigenverbrauch ausgelegt. Um auch Menschen ohne eigenes Dach zu versorgen, brauchen wir die großen Solarkraftwerke.

Es gibt doch aber die Möglichkeit, sich an Energie­gemeinschaften zu beteiligen. Welche Bedeutung haben diese für die Energiewende in Österreich?

Grundsätzlich haben sie eine große Bedeutung. Aber die Umsetzung ist schwierig, weil alles viel zu bürokratisch ist. Diese Energiegemeinschaften müssen viel einfacher werden, sodass jeder einfach etwa über eine Website ein- und aussteigen kann, wie er es gerade braucht, und nicht vorher jede Menge Formulare ausfüllen und alles anmelden muss.

Welche Hürden stehen da noch im Weg?

Obwohl das EAG schon seit fast einem Jahr in Kraft ist, sind die Netzbetreiber immer noch nicht in der Lage, die Energiegemeinschaften vollständig abzurechnen. Sie können derzeit einen Verbraucher nur einer bestimmten Erzeugungsanlage zuordnen. Das wird auch noch ein paar Monate dauern, bis ein Verbraucher aus unterschiedlichen Erzeugungsanlagen innerhalb der Gemeinschaft seinen Strom beziehen kann.

Wären die Energiegemeinschaften ein Weg, die Energiewende auch in Städten voranzubringen?

Grundsätzlich schon. Wobei in den Städten die Anonymität hinderlich für die Umsetzung von Energiegemeinschaften ist. Eine mögliche Lösung wären hier motivierte Hausverwaltungen, die ihren Wohnungseigentümern oder Mietern solche Modelle anbieten. Dann könnte die Hausgemeinschaft zur Energiegemeinschaft werden oder die Hausverwaltung baut eine Anlage für alle Bewohner des Gebäudes.

Wie kann so etwas gelingen, welche Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?

Die Solarpflicht wäre da ein Ansatz. Es wurde aber auch schon einiges getan. So wurde das Wohnungseigentümergesetz in Österreich novelliert. Das trifft aber nur teilweise auf den mehrgeschossigen Wohnbau zu. Hier müssen nicht mehr alle Wohnungseigentümer dem Bau einer Solaranlage zustimmen. Außerdem muss ein Teil der Rücklagen in die thermische Sanierung oder den Bau von erneuerbaren Energieanlagen investiert werden. Für Mietshäuser wäre ein Vorschlag, die Hausverwaltungen zu verpflichten, die Bewohner auf den Hausversammlungen über die Möglichkeiten der Energiegemeinschaften zu informieren.

Inzwischen stehen die Weichen auf Wachstum. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Mitte, zusammen mit Herber Paierl, Generalsekretär von PV Austria, links) hat sich für neue Rahmenbedingungen starkgemacht.

Foto: Cajetan_Perwein

Inzwischen stehen die Weichen auf Wachstum. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Mitte, zusammen mit Herber Paierl, Generalsekretär von PV Austria, links) hat sich für neue Rahmenbedingungen starkgemacht.

Welche weiteren Geschäftsmodelle jenseits der Förderung sehen Sie in Österreich in der Entwicklung?

Derzeit ist die Direktversorgung von Unternehmen mittels Stromlieferverträgen – PPA – im Aufbau. Denn die Industrie sucht aufgrund der hohen Strompreise und der Netzprobleme händeringend nach günstigen und stabilen Ökostromlieferungen. Es ist dann auch sinnvoll, die Anlagen dort zu bauen, wo die Industrie den hohen Strombedarf hat. Deshalb gibt es die ersten Forderungen, Ökoindustrieregionen zu schaffen. Das wären Industrieregionen, in denen von Fossilen auf Erneuerbare umgestellt wird.

Bisher ist noch wenig über den notwendigen Ausbau von Speichertechnologien bekannt. Welche Technologien werden in Österreich in welchem Ausmaß in den nächsten 25 Jahren gebraucht?

Das ist bisher unser schwacher Fuß. Wir wissen, wie viele erneuerbare Energien wir ausbauen müssen. Wir wissen, wann diese zur Verfügung stehen. Aber uns fehlt eine konkrete dazu passende Speicherstrategie. Das wird irgendwann kritisch.

Bräuchte Österreich dann einen Speicherverband?

Wir haben als PV Austria das Thema Speicher in den vergangenen Jahren mit bearbeitet. Aber da ging es primär um stationäre Heimspeicher. Jetzt wäre tatsächlich die Zeit reif, dass dieses Thema – auch mit Blick auf Netzspeicher – konsequent und fundiert angegangen wird.

PV Austria hat immer wieder mit schon legendären Kampagnen das Thema Photovoltaik nach vorn gebracht. Steht eine nächste Kampagne ins Haus?

Wir werden uns jetzt auf das Thema Bundesländer und Stromnetze konzentrieren. Da wird es Kampagnen geben. Außerdem schreibt die Regierung ein komplett neues Strommarktgesetz, das das Elwog ablöst. Da gibt es demnächst die ersten Gespräche und entsprechend werden wir die Kampagnen starten.

Welche Punkte sind da für die Photovoltaik relevant?

Oberste Priorität hat für uns die absolute Transparenz zu den verfügbaren Netzkapazitäten und den Kosten für einen Netzanschluss (bis auf Haushaltsebene herunter) sowie ein Ausbauplan, der den Erneuerbaren-Ausbauzielen gerecht wird. Wir brauchen aber ebenso schnellere Genehmigungsverfahren sowohl mit Blick auf das Elektrizitätsrecht als auch auf die schnelleren Zusagen seitens der Netzbetreiber. Hier muss es für die Netzbetreiber ganz klare Fristen für die Bearbeitung des Netzzugangsantrages und die Inbetriebnahme der Anlagen geben, bis wann der Netzzugangsantragsteller was machen muss, wann er antworten oder die Anlage anschließen muss. Das gehört im zukünftigen Strommarktgesetz klar geregelt.

Da gehen Ihnen die Aufgaben nicht aus, richtig?

Richtig. Aber da die Photovoltaik ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist, ist das Stromnetz genau das Thema, auf das wir uns jetzt konzentrieren müssen. Wir werden aber auch hier in den nächsten ein bis zwei Jahren maßgeblich vorankommen! Ohne ein zukunftsfittes Stromnetz wird der Ausbau der Erneuerbaren, wird die Energiewende ins Stocken geraten und der Klimawandel uns endgültig einholen. Diese Last können und dürfen wir unseren nachfolgenden Generationen nicht aufladen. Zurückblickend werden wir in 25 Jahren sagen: Was haben wir uns damals so viele Sorgen gemacht und jetzt haben wir so eine schöne Energiewelt!•

Die Fragen stellte Sven Ullrich.

:Zurückblickend werden wir in 25 Jahren sagen: Was haben wir uns damals so viele Sorgen gemacht und jetzt haben wir so eine schöne Energiewelt!

Vera Immitzer

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