Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Floating PV

Baggersee statt Hausdach

Obwohl Rheinland Solar aus Neuss auf viel Erfahrung mit großen Solaranlagen für Industrie und Gewerbe zurückblicken kann, war eine schwimmende Anlage Neuland. Die Floatinganlage in Vorselaer in der Nähe von Weeze ist echte Pionierarbeit. Die Unterkonstruktion der Solarmodule wurde speziell für das Projekt entwickelt und gilt als Prototyp für weitere schwimmende Solaranlagen.

Wenngleich Sicherheit und Zuverlässigkeit bei der Installation von Photovoltaikanlagen generell wichtige Aspekte sind, gilt dies für Solaranlagen auf dem Wasser ganz besonders – um spätere Havarien zu verhindern.

Mehrmonatige Planungen

Der Installation der 750-Kilowatt-Anlage im Juli 2020 ging eine mehrmonatige Planungsphase voraus, die Rheinland Solar zusammen mit seinem Projektpartner, der Hülskens-Gruppe, gestemmt hat. Hülskens nimmt bei dem Projekt eine Doppelfunktion ein: Das Unternehmen ist nicht nur Eigentümer des Kieswerks und damit Betreiber der Solaranlage. Es hat auch die schwimmende Unterkonstruktion selbst ent­wickelt.

Möglich war dies, weil zur Hülskens-Gruppe nicht nur Kieswerke, sondern auch Tochtergesellschaften im Wasserbau, der Logistik und im Betonbau gehören. Das Know-how war im Haus vorhanden. Die Kompetenzen mussten lediglich gebündelt werden. „Die Entwicklung der Unterkonstruktion war eine Herausforderung, da wir keine Erfahrung damit hatten“, erklärt Lutz van der Kuil, der das Projekt bei Hülskens geleitet hat. „Mit dem Prototyp ist es nun einfach, weitere Projekte dieser Art umzusetzen. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind in unserem Unternehmen seit Jahren fest verankert und werden explizit gefördert. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir nach der Prototypenphase weitere Anlagen auf anderen Kieswerken installieren.“

Solarmodule von Suntech

Während die Entwicklung und das Engineering aus dem Hause Hülskens kamen, hat Rheinland Solar neben der Zulieferung der Solarmodule die Projektsteuerung, Netzanbindung und Direktvermarktung des Stroms übernommen. Bei den Modulen setzte Geschäftsführer Oliver Loritz auf die chinesische Firma Suntech.

Der Modulhersteller ist nicht nur seit vielen Jahren Lieferant erster Wahl, sondern: „Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Suntech als Modullieferant zusammen und sind sehr zufrieden“, sagt Oliver Loritz. „Deswegen und weil Suntech schon Erfahrung mit schwimmenden Solaranlagen gesammelt hat, haben wir uns bei der Anlage in Vorselaer natürlich für Suntech als Partner entschieden.“ So wurden Suntech-Module schon 2019 für eine Floatinganlage in der Nähe von Achern in Süddeutschland geliefert.

In Vorselaer in Nordrhein-Westfalen kamen 400-Watt-Module mit Halbzellen zum Einsatz, die korrosionsbeständig sind und – bei diesem Projekt besonders wichtig – rauen Witterungsbedingungen standhalten.

Nix von der Stange

Die Montage der Anlage war zwar einfach, erforderte jedoch eine genaue Planung und Vorbereitung im Vorfeld. Projekte dieser Art sind keine Standardanlagen, sondern benötigen individuelle Lösungen und eine gute Zusammenarbeit aller Beteiligten – vor allem, wenn das Projekt wie hier eine Gemeinschaftsleistung mehrerer Partner ist. „Die Zusammenarbeit mit der Hülskens-Gruppe hat hervorragend funktioniert“, schätzt Oliver Loritz von Rheinland Solar ein. „Unsere Planung hat schlussendlich so gut hingehauen, dass die Installation der Module in nur vier Wochen erledigt war. Das ist weniger als bei einer vergleichbaren Dachanlage.“

Die größte Herausforderung war die schwimmende Unterkonstruktion, die Hülskens entwickelt hat. Hauptbestandteil sind schwimmende Stahlelemente, die 1.872 Solarmodule tragen. Sie sorgen für den nötigen Auftrieb auf dem Gewässer und sind durch Stahlträger verbunden.

Auf die Stahlträger wurden Tragprofile befestigt und darauf die Suntech-Module verschraubt. Die Unterkonstruktion unterscheidet sich bei diesem Projekt deutlich von anderen Floatinganlagen. „Die schwimmende Unterkonstruktion übertrifft in puncto Sicherheit und Zuverlässigkeit nahezu alle am Markt verfügbaren Systeme“, urteilt Oliver Loritz. „Sie besteht aus circa zwölf Meter langen Stahlelementen, die über Anschlusslaschen sowie ein ausgefeiltes Modul­träger­system miteinander verbunden sind. Dies verleiht dem Unterbau Stabilität.“

Rheinland Solar hat in Vorselaer in NRW eine schwimmende Anlage installiert.

Foto: Rheinland Solar

Rheinland Solar hat in Vorselaer in NRW eine schwimmende Anlage installiert.

Stabilität auf dem Wasser

Stabilität auf dem Wasser ist eine Eigenschaft, die sowohl für die Solarmodule als auch aus Sicht der Arbeitssicherheit bei Wartung und Betrieb sehr wichtig ist. Im Gegensatz zum ­Hülskens-System verwenden andere Hersteller kleine Schwimmkörper aus Kunststoff, die sich im Wasser bewegen.

Sicheres Laufen ist darauf nahezu unmöglich, auch sind Module und Kabel ständiger Bewegung ausgesetzt. Es gab schon Fälle, wo Anlagen durch Winddruck und Windsog so stark beeinträchtigt worden sind, dass ganze Megawatt­anlagen zerstört wurden. Oliver Loritz: „Diesem Risiko wollten wir uns nicht aussetzen.“

Die Module wurden mit einer Neigung von zehn Grad in Ost- und Westausrichtung installiert. Diese Entscheidung ist bewusst gefallen: Hätte man die Module Richtung Süden aufgeständert, wäre es zu Verschattungen gekommen – man hätte mehr Fläche benötigt.

Monteure stiegen ins Wasser

Für die Installateure war es eine willkommene Abwechslung: Bei diesem Projekt ging es nicht aufs Dach, sondern ins Wasser. Auch hier gibt es eine Besonderheit im Vergleich zu anderen schwimmenden Solaranlagen. Die Montage fand direkt auf dem Gewässer statt.

Die Installation ging Schritt für Schritt vonstatten: Die Montageteams haben jedes Element der Unterkonstruktion einzeln vor Ort zusammengebaut und anschließend auf das Gewässer geschoben. Dort wurden die Solarmodule installiert.

Insgesamt entstanden auf diese Weise drei Modulfelder, die im Anschluss zu einer stabilen, begehbaren Einheit verschraubt wurden. Die feste Plattform macht die Anlage robust gegen Sturm und Wind, da sich die einzelnen Elemente nicht bewegen können.

Schwimmende Solaranlagen sind in Deutschland bisher noch nicht sehr verbreitet. Dabei bringen sie einige Vorteile mit sich. Wichtigstes Argument für das Kieswerk in Vorselaer war der Platzbedarf: Die Anlage misst 40 mal 120 Meter, benötigt also vergleichsweise viel Platz.

Die gesamte Unterkonstruktion besteht aus langlebigem Stahl, nicht aus Kunststoff.

Foto: Rheinland Solar

Die gesamte Unterkonstruktion besteht aus langlebigem Stahl, nicht aus Kunststoff.

Vorteile von schwimmenden Anlagen

Hätte man sie ebenerdig auf dem Grundstück des Kieswerks installiert, wäre diese Fläche für die Kiesgewinnung verloren. Die Fläche auf dem Wasser hingegen steht zur Verfügung, ohne dass sich Flächennachteile ergeben. „Grund und Boden haben einen höheren Wert als das Gewässer“, erläutert Lutz van der Kuil. „Neben anderen Vorteilen war es rein wirtschaftlich eine kluge Entscheidung, die Anlage auf dem Wasser zu errichten.“

Was sind die weiteren Vorteile? Neben dem Platzbedarf und der schnellen Montage erwarten die Projektpartner höhere Solarerträge. Aufgrund des kühlenden Wassers dürften die Module mehr Strom liefern als auf einem warmen Dach.

Reparaturen mit dem Boot

Daneben gibt es praktische Gründe, die für eine schwimmende Solaranlage sprechen. So könnte man, sollte einmal ein Modul ausgetauscht werden müssen, problemlos mit einem Boot unter der Anlage durchfahren und die Reparaturen erledigen. Zu guter Letzt könnte die Anlage nach der Installation nachjustiert werden, um die Ausrichtung anzupassen und die Erträge zu optimieren. Zudem ist die stählerne Unterkonstruktion nach dem Abbau der Anlage problemlos wiederverwertbar.

Strom für Bagger und Maschinen

Die 750-Kilowatt-Anlage in Vorselaer bei Weeze wird im Jahr circa 637.500 Kilowattstunden sauberen Strom erzeugen. Voraussichtlich werden 75 Prozent des Stroms vor Ort verbraucht. Das Kieswerk hat einen Stromverbrauch von ca. 1,3 Millionen Kilowattstunden im Jahr.

In der Woche nutzt Hülskens den Strom zum Betrieb der Saugbagger und Aufbereitungsmaschinen. Am Wochenende wird er ins Netz eingespeist. Das Kieswerk bekommt dafür eine Einspeisevergütung.

Die schwimmende Solaranlage wird sich nach Unternehmensangaben in einem wirtschaftlich attraktiven Zeitraum amortisieren.

Zwischen den Modulreihen befinden sich begehbare Wartungsstege.

Foto: Rheinland Solar

Zwischen den Modulreihen befinden sich begehbare Wartungsstege.

Kurz nachgefragt

„Möglichst viel Strom vor Ort verbrauchen“

Wie sind Sie dazu gekommen, sich an schwimmende Solaranlagen zu wagen?

Oliver Loritz: Rheinland Solar hat seinen Schwerpunkt generell bei Industrie- und Gewerbeanlagen, wir sind also von der Ausrichtung her auf größere Anlagen spezialisiert. Floating Solar ist zurzeit noch eine Nische, es gibt nur wenige Anlagen in ganz Deutschland. Genau deshalb ist dieser Bereich für uns spannend. Als Unternehmer muss ich innovativ sein und mich an Nischen wagen.

Wie hoch ist das Potenzial für Floating Photovoltaik in Nordrhein-Westfalen?

Ich sehe in unserer Region im Rheinland viel Potenzial, da es viele Baggerseen gibt, deren Flächen ungenutzt sind.

Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

Die Anlage in Vorselaer ist kein Standardsystem, wir mussten Schritt für Schritt neu planen. Es war echte Pionierarbeit, die vor der Installation viel Zeit und Aufwand erfordert hat. Die Unterkonstruktion hat unser Projektpartner, die Hülskens-Gruppe, extra für dieses Projekt entwickelt. Auch die Logistik ist bei so einem Projekt enorm, da die komplette Arbeit auf der Baustelle stattgefunden hat. Letztendlich war es auch für unsere Installateure eine Neuheit, da die Installation im Wasser und nicht auf dem Dach erfolgte.

Was sollte man beachten, wenn man eine schwimmende Solaranlage plant?

Wichtig ist, dass es sich um ein Objekt mit einem entsprechend hohen Energieverbrauch handelt, um möglichst viel Sonnenstrom vor Ort abzunehmen. Die Anlage in Vorselaer wird im Jahr 637.500 Kilowattstunden Strom produzieren, der zu großen Teilen vor Ort genutzt wird. Außerdem muss die behördliche Genehmigung vorliegen, das kann ein erheblicher Zeitfaktor sein. Wichtig ist auch, dass das Objekt, bei dem die Floatinganlage installiert werden soll, genug Restlaufzeit hat, damit sich die Anlage amortisiert.

Die Fragen stellte Manuela Jakobi.

Oliver Loritz
ist Geschäftsführer von Rheinland Solar in Neuss in Nordrhein-Westfalen.

Kieswerke Pfadt GmbH/Erdgas Südwest

Floating PV in Leimersheim soll 1,5 Megawatt leisten

Die Erdgas Südwest GmbH hat Anfang September den Startschuss für den Bau ihres neuesten und bislang größten schwimmenden Photovoltaikprojekts gegeben: In den nächsten Wochen entstehen auf einem Baggersee in Leimersheim mit etwa 14.000 Quadratmetern und insgesamt etwa 1,5 Megawatt Leistung zwei schwimmende Anlagen. Noch in diesem Jahr soll eine der Anlagen in Betrieb genommen und der Strom für die Versorgung des dort schon in der fünften Generation betriebenen Kieswerks Pfadt GmbH genutzt werden.

Erzeugung passt zum Lastgang

Durch die Anlage werden insgesamt 548 Tonnen CO2 pro Jahr im Vergleich zum Energiemix 2019 eingespart und die Umwelt durch den Bezug von grünem Strom wesentlich entlastet. Gerade energieintensive Kieswerke sind für die Umstellung auf Solarstrom optimal geeignet, denn die Sonne scheint vornehmlich zu Produktionszeiten, womit die Stromerzeugung genau zu den Lastgängen passt. „Die Anlage steht nicht in Konkurrenz zu anderen Bauvorhaben, der Landwirtschaft oder sonstigen Nutzungszwecken“, erläutert Projektleiter Peer Köster. Außerdem werden, um eventuell nachteilige Auswirkungen auf die Pflanzen- und Tierwelt im und um den See herum entgegenzuwirken, gemäß einem Artenschutzgutachten verschiedene Maßnahmen ergriffen.

Zwei Anlagenteile nacheinander

Insgesamt werden auf dem Baggersee in Leimersheim 3.744 Solarpaneele auf 6.500 Schwimmkörpern installiert und im Grund verankert. Der See hat eine Fläche von 160.000 Quadratmetern, die Anlagen bedecken nur rund acht Prozent. Ab Inbetriebnahme werden zunächst 739,44 Kilowatt genutzt und etwa 780.000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugt. Dieser wird zu etwa 40 Prozent zur Versorgung des Kieswerks Pfadt genutzt. Der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist und kommt den Haushalten der Region zugute. Aufgrund restriktiver Vorschriften im EEG schaltet Erdgas Südwest erst Ende 2021 die zweite Anlage mit derselben Leistung und demselben Erzeugungspotenzial dazu.

Foto: Erdgas Südwest