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Produktion

EU: Rückkehr der Solarindustrie

China ist weltweit der wichtigste Lieferant für Photovoltaiktechnik: Rund 87 Prozent der nach Deutschland importierten Komponenten kamen im vergangenen Jahr aus dem Reich der Mitte. Der Wert der eingeführten Waren lag bei rund 3,1 Milliarden Euro.

Die Werte hat das Statistische Bundesamt (Destatis) verkündet. Demnach wurden im vergangenen Jahr insgesamt Photovoltaikanlagen im Wert von rund 3,6 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Auf China als wichtigsten Lieferanten von Solarzellen und Solarmodulen folgten mit großem Abstand die Niederlande (143 Millionen Euro oder vier Prozent) und Taiwan (94 Millionen Euro oder drei Prozent).

Der Wert der Solarimporte war 2022 damit mehr als doppelt so hoch wie der Exportwert dieser Waren aus Deutschland. Exportiert wurden im vergangenen Jahr Photovoltaikanlagen im Wert von gut 1,4 Milliarden Euro. Diese gingen zu einem großen Teil in europäische Staaten. Die wichtigsten Abnehmer waren Österreich, die Niederlande und Italien.

Die Abhängigkeit von den Chinesen hat ihre Ursache in der Verweigerungshaltung der schwarz-gelben Regierungskoalition, die 2011 und 2012 die deutschen Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen gnadenlos in die Pleite trieb. Die chinesischen Anbieter, die in der hausgemachten Solarkrise mit massiven staatlichen Subventionen gepäppelt wurden, machten sich breit und übernahmen den Weltmarkt. Nun ist das Gejammer in Brüssel und Berlin groß. Denn die Volksrepublik bedroht mit ihrem Monopol die Modernisierung der Energieversorgung Europas. Nach US-amerikanischem Vorbild will die EU nun das Ruder herumreißen und den Aufbau einer europäischen Solarindustrie massiv fördern.

Der Markt zieht Geld an

Die Bürokraten brüten, wie man das anstellen könnte. Unterdessen sorgen der starke europäische Solarmarkt und die hohen Energiepreise für ausreichend Sog, um Investitionen in neue Werke loszueisen.

Egal, ob Brüssel sekundiert oder nicht: Die Solarwirtschaft wird aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa zurückkehren. Denn Nähe zu den Kunden und geringere Risiken durch den Seehandel und Währungsgeschäfte bringen europäische Hersteller in die Vorhand.

Futurasun: Neue Gigafactory in Italien

So baut beispielsweise der Modulhersteller Futurasun seine Kapazitäten mit einem neuen Werk bei Padua aus. Futurasun hat zu diesem Zweck ein Grundstück im Industriegebiet von Cittadella gekauft. Auf dem 24.000 Quadratmeter großen Areal soll eine neue Modulfabrik entstehen, die pro Jahr bis zwei Gigawatt produziert. Futurasun investiert 25 Millionen Euro.

Neben dem Werk wird der neue Firmensitz ein F & E-Zentrum, ein großes Testfeld für die Produktkontrolle, eine Akademie und ein Schulungszentrum für Branchenprofis umfassen. Futurasun wurde 2008 in Cittadella gegründet. Bisher werden die Solarmodule in einer Fabrik in China gefertigt.

Envelon fertigt Module für Fassaden

Farbige Module in verschiedenen Größen und Formen sind die Spezialität von Envelon. Das Unternehmen hat im Frühjahr seine neue Fabrik für Fassadenmodule im bayerischen Hamlar in Betrieb genommen.

Vor den Toren von Donauwörth gelegen, wird das neue Werk ausschließlich Solarelemente für Fassaden produzieren. Damit will Envelon den Architektinnen und Architekten bei modernen Neubauten und Sanierungsprojekten helfen.

300.000 Quadratmeter Solarfläche pro Jahr

Envelon ist eine Tochter des Maschinenherstellers Grenzebach. Im neuen Werk in Hamlar werden Solarelemente für 300.000 Quadratmeter pro Jahr hergestellt. Das sind farbige Module mit kristallinen Siliziumzellen. Ihre Leistung hängt von der jeweiligen Farbgebung ab.

Schon seit Längerem widmet sich die Grenzebach-Gruppe der Photovoltaik, denn sie liefert Maschinen für die Produktion von Solarglas und Dünnschichtmodulen. Derzeit steigt die Nachfrage nach Solarfassaden rasant an, nicht nur in Europa, auch in den USA oder China. Glas wird zur Schlüsselkomponente wie Silizium.

Die neuen Werke in Europa liefern Nischenprodukte. Solarwatt und Meyer Burger spezialisieren sich auf sehr leistungsfähige Glas-Glas-Module, Envelon auf Solarfassaden. Auch 3S Swiss Solar Solutions wird im neuen Werk in Worb vor allem Premiummodule für die Bauwerksintegration (BIPV) fertigen.

3S plant neues Werk bei Bern

Seit der Firmengründung im Jahr 2001 entwickelt und produziert die 3S Swiss Solar Solutions AG in der Schweiz spezielle Solarmodule für solare Architektur. Die CO2-neutralen Photovoltaikmodule der Marke Megaslate werden in die Gebäudehülle integriert und ersetzen beispielsweise Ziegel, Balkongeländer oder Fassaden. Um der großen Nachfrage gerecht zu werden, wurde in Gwatt/Thun im Herbst 2022 der Drei-Schicht-Betrieb eingeführt.

Neues Modul Teraslate kommt aus Worb

3S bereitet derzeit den Umstieg auf größere Zellen vor. Das Solarmodul Teraslate wird mehr Leistung aufweisen und neue Formate abdecken. Ab dem ersten Quartal 2024 werden diese Module im neuen Werk in Worb gefertigt. Es wird die zweite Modulfabrik von 3S, das bisher Solarmodule in Gwatt/Thun fertigt.

Erste Stellen wurden bereits ausgeschrieben. „Wir freuen uns darauf, enge Beziehungen zur Gemeinde aufzubauen und ein wichtiger Teil der lokalen Wirtschaft zu werden“, sagt CEO Patrick Hofer-Noser. „Die Produktion in der Schweiz bedeutet für unsere Fachpartner kurze Wege und schnelle Lieferzeiten.“

Am Hauptsitz in Thun hält 3S unverändert fest. Das Werk in Gwatt/Thun produziert weiterhin das etablierte Solarmodul Megaslate, bevor die Linie zu einem späteren Zeitpunkt auf neue Teraslate-Module umgerüstet wird. Derzeit sind in Gwatt rund 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Es macht keinen Sinn, den Chinesen bei polykristallinen Massenmodulen (Glas-Folie) Paroli bieten zu wollen. Dazu müsste man faktisch in Jahresfrist enorme Werke aus dem Boden stampfen, um mit Longi oder Trina gleichzuziehen.

Keine Massenware, sondern Premium

Bereits jetzt ist absehbar, dass diese Solarmodule künftig vor allem über den Preis verkauft werden und im Projektgeschäft eine Rolle spielen. Deshalb tragen die neuen Anbieter von Solarmodulen aus Europa der wachsenden Vielfalt der Produkte Rechnung.

Ein Besipiel neben den genannten ist die Firma Solitek aus Litauen. Der baltische Modulhersteller nutzt das günstige Wirtschaftsklima in Italien und die wachsende Nachfrage nach Sonnenstrom. Das geplante Werk soll im Jahr rund 600 Megawatt produzieren.

Solitek plant 600 Megawatt

Fast 50 Millionen Euro werden in Italien investiert. Der Aufbau der Fertigung wird voraussichtlich drei Jahre dauern. Ein Teil der Finanzmittel kommt aus Zuschüssen der Europäischen Kommission. Den Rest finanziert das Unternehmen aus Eigenkapital. Solitek plant, im zweiten Quartal 2024 mit dem Bau zu beginnen.

Die Entscheidung, in Italien zu investieren, wurde nach einem komplexen Prozess zur Auswahl möglicher Standorte gefällt. Zwei Faktoren gaben den Ausschlag: das günstige Klima und die steigende Nachfrage der italienischen Landwirte nach Solarstrom, wie Julius Sakalauskas betont, Geschäftsführer von Solitek.

Daher plant das Unternehmen, sich auf die Produktion von Solarmodulen für landwirtschaftliche Anlagen (Agri-PV) zu konzentrieren. Sie generieren Strom, spenden den Pflanzen Schatten und schützen sie vor widrigen Wetterverhältnissen. Die neue Produktionsstätte dient zudem als Sprungbrett für die weitere Expansion von Solitek in Südeuropa.

SMA verdoppelt in Kassel

Bei den Modulen ist die Nachfrage hoch, und sie wird von den Herstellern leidlich bedient. Fast zum Verzweifeln ist der Mangel bei Wechselrichtern. Der Markt scheint leergefegt. Neue Werke für Mikrochips und Leistungsbauteile sind nicht so schnell aus dem Boden gestampft wie Werke für Solarmodule.

Dennoch gibt es auch bei den Herstellern von Wechselrichtern einige Neuigkeiten. SMA will seine Fabrik in Kassel auf 40 Gigawatt aufbohren. Der Spatenstich zur neuen Gigawatt-Factory erfolgte Mitte April, dort werden 80 Millionen Euro investiert. Ab 2024 könnten dann mehr Wechselrichter ausgeliefert werden. Das neue Werk hat eine Produktionsfläche von 16.250 Quadratmetern. Es verdoppelt den jährlichen Ausstoß: Bisher liegt die Kapazität von SMA in Kassel bei rund 20 Gigawatt.

In Niestetal entstehen 200 neue Jobs. Für den Neubau wird ein Grundstück am Hauptsitz an die Projektierungsfirma abgegeben. Sie plant die Produktionshalle nach den Vorgaben von SMA. Danach mietet SMA die Fabrik zurück.

Fronius investiert massiv

Im vergangenen Jahr hat Fronius rund 187 Millionen Euro in den Ausbau seiner Fertigung in Österreich (Sattledt) und Tschechien (Krumau) investiert. Trotz Problemen bei der Beschaffung kritischer Bauelemente hat Fronius jeden Monat rund 32.000 Wechselrichter ausgeliefert.

Im Jahr 2023 steigen die Investitionen auf mehr als 230 Millionen Euro. Die Produktion läuft ungebrochen auf Hochtouren und wird bis Jahresende 2023 um weitere 65 Prozent auf 52.000 Wechselrichter pro Monat steigen.

In Sattledt wurde die Nutzfläche um mehr als 28.000 Quadratmeter auf 69.000 Quadratmeter vergrößert. In der Norderweiterung des Werks wird seit August 2022 der Fronius Tauro gefertigt.

Verdopplung in Krumau

Durch den Umbau der bestehenden Fertigung entsteht dort eine zusätzliche Produktionslinie für den Fronius Gen24 Plus. 2023 kommen zwei weitere Produktionslinien für den Hybridwechselrichter dazu.

Auch wenn das Kompetenzzentrum für induktive Komponenten im tschechischen Krumau erst vor Kurzem ausgebaut wurde, ist die nächste Erweiterung bereits in Planung: In den kommenden fünf Jahren wird Fronius signifikant ausbauen und die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdoppeln. Insgesamt wird Fronius in den kommenden Jahren personell stark wachsen. Bis Ende 2023 sollen weltweit rund 1.300 neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Kostal baut in Hagen aus

Kostal Solar Electric wird bis 2025 viermal so viele Hybridwechselrichter herstellen wie 2021. Derzeit baut der deutsche Premiumanbieter seine Kapazitäten massiv aus. Darüber hinaus hat Kostal zwei neue Laboratorien eingerichtet. Hier wird die Entwicklung neuer Geräte vorangetrieben.

Außerdem wurde ein neues Testfeld mit einer Leistung von 250 Kilowatt aufgebaut. In Hagen können die Ingenieure die Wechselrichter und Speicher prüfen, die in der nächsten Zeit neu eingeführt werden.

Enphase fertigt in Rumänien

Weil der Markt in Europa anzieht, wird Enphase Energy seine Mikrowechselrichter künftig in Rumänien bauen. Die handlichen Modulwechselrichter werden in Timișoara (Temeswar) von Flextronics International hergestellt.

Der US-amerikanische Anbieter will damit nicht nur seine weltweiten Produktionskapazitäten erhöhen. Vor allem geht es darum, die Lieferzeiten für Kunden in Europa zu verkürzen. In der Fabrik gehen zunächst die Mikrowechselrichter der IQ7-Familie vom Band. Die neuen IQ8-Geräte werden demnächst auch aus Timișoara kommen.

Solarnative investiert in SMT-Linie

Der neue Mikrowechselrichter von Solarnative ist so schlank, dass er in den Modulrahmen passt. Zum Aufbau der neuen Fertigung in Lohfelden bei Kassel wurde neben Juki die Firma SMT Renting als Finanzpartner gewonnen.

Ziel ist der Aufbau einer Gigafactory für Mikrowechselrichter in Deutschland. Ab Sommer 2023 werden dort die neuen Geräte gefertigt und vertrieben. Rund eine Million Euro wird in die SMD-Bestückung der Platinen investiert.

Schon jetzt plant Solarnative den weiteren Ausbau der SMD-Linie mit weiteren 0,5 Millionen Euro, um den Ausstoß um 50 Prozent zu steigern. Die technische Ausstattung kommt von Juki Automation Systems, ebenso die Logistik, um die elektronischen Bauelemente und Komponenten zu verwalten.

Standardprozess reicht nicht aus

Die Anforderungen von Solarnative an die Fertigung gehen über typische SMD-Prozesse hinaus. Das ist ein Grund, warum Solarnative nicht einfach die Produktion auslagert, sondern weiterhin die Kontrolle über den Prozess behalten möchte.

Die sehr dünnen Leiterplatten (PCB) werden nicht im Standardverfahren getrennt und verarbeitet. „Es war nicht einfach, den richtigen Lieferanten für die Fertigungslinien zu finden“, kommentierte Robert Wade, Projektmanager bei Solarnative.

Denn es hat sich herausgestellt, dass es auf dem Markt keine Standardgeräte gibt, die die technischen Anforderungen von Solarnative ohne Anpassungen erfüllen. Juki ist bereit, diese Aufgabe zu übernehmen und die Maschinen zu adaptieren.

Die Zelle stellt den Löwenanteil der Wertschöpfung im Solarmodul dar.

Foto: Heiko Schwarzburger

Die Zelle stellt den Löwenanteil der Wertschöpfung im Solarmodul dar.
Die neuen Wechselrichter von Solarnative passen in den Modulrahmen. Demnächst beginnt ihre Fertigung in Lohfelden bei Kassel.

Foto: Heiko Schwarzburger

Die neuen Wechselrichter von Solarnative passen in den Modulrahmen. Demnächst beginnt ihre Fertigung in Lohfelden bei Kassel.
Bei Flextronic in Temeswar lässt Enphase seine Mikrowechselrichter für europäische Kunden montieren.

Foto: Flextronic

Bei Flextronic in Temeswar lässt Enphase seine Mikrowechselrichter für europäische Kunden montieren.
Das neue Modulwerk von Solitek in Italien als Entwurf.

Foto: Solitek

Das neue Modulwerk von Solitek in Italien als Entwurf.

Weblinks zu den erwähnten Herstellern

Solarmodule:

Wechselrichter: