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Die Jahrzehnte gut genutzt

Seit 45 Jahren erlebe und gestalte ich die Entwicklung der Sonnenenergie und der Photovoltaik in der Schweiz und zu einem viel kleineren Teil auch etwas in Deutschland. 1975 durfte ich auf dem Atomversuchsreaktor Diorit am Forschungszentrum EIR in Würenlingen (heute PSI) einen thermischen Kollektorprüfstand aufbauen. Photovoltaik wurde nur genutzt als Selen-Belichtungsmesser meiner 35-Millimeter-Kleinbildkamera Kodak Retina. Ohne die Batterie zu tauschen, konnte man schon damals das Tageslicht messen.

20.000 DM fürs Kilowatt

1987 starteten wir bei TNC den Bau einer Photovoltaik-Netzverbundanlage auf der bestehenden Schallschutzwand der Autobahn A13 bei Chur. Damals kostete ein Kilowatt Photovoltaiksystem noch deutlich über 20.000 DM. Der Stromgestehungspreis, je nach Kapitaldienst, lag bei ein bis zwei Euro je Kilowattstunde. Die Anlage ging 1989 ans Netz, sie leistete 103 Kilowatt.

Die größten handelsüblichen Module hatten eine Nennleistung von 48 Watt und einen Wirkungsgrad um elf Prozent. Noch in den Kinderschuhen war damals die Netzeinbindung. Der verwendete 100-Kilowatt-Inverter von Siemens war ein manufakturgebauter Prototyp.

Die Photovoltaikbranche hat die dazwischenliegenden 32 Jahre eigentlich sehr gut genutzt. Wir haben die technischen und ökonomischen Hausaufgaben gemacht. Zum Beispiel wurde 2017 die oben beschriebene Pilotanlage auf der Schallschutzwand durch den Betreiber Elektrizitätswerk Rhiienergie AG ersetzt.

Maschinen nach Fernost geliefert

Auf der gleichen Aufständerung konnte man eine Anlage mit der fast 2,5-fachen Nennleistung von knapp 260 Kilowatt installieren. Der Systempreis für das Repowering lag bei acht Prozent der ursprünglichen Kosten. Solarstrom kann man heute unter günstigen Bedingungen in der Schweiz kaufmännisch gerechnet für etwa 15 Cent pro Kilowattstunde erzeugen.

Die Europäer haben dabei ihre Photovoltaikindustrie „unfreiwillig“ an die Chinesen abgetreten. In der Frühzeit wurden die Zellen in Manufakturen, das heißt in Handarbeit, hergestellt und die Module gefertigt. Heute erfolgt dies in großindustriellen, weitgehend automatisierten Fertigungslinien. Die Maschinen für die Herstellung der Zellen und der Module in China kommen auch heute vor allem aus Deutschland (Centrotherm) und der Schweiz (Meyer Burger).

Der Ausbau zieht an

Wenn man dieses Know-how und den Maschinenpark nach Fernost verkauft, müssen wir uns nicht wundern, wenn er dort professionell betrieben und eingesetzt wird. Im Gegenzug hat uns dieser Maschinenexport günstige Module für weniger als einen Euro pro Watt mit über 300 Watt Nennleistung und einem Wirkungsgrad zwischen 17 und 22 Prozent beschert.

Von den neuen Erneuerbaren ist die Photovoltaik heute zusammen mit der Windkraft in Deutschland, mit der Wasserkraft in der Schweiz und Österreich die wichtigste nachhaltige und umweltgerechte Form der Stromerzeugung. Mit diesen Fortschritten haben wir den Marktanteil der Photovoltaik im Verbundnetz von null auf drei Prozent in der Schweiz, in Deutschland auf fast acht Prozent geschafft.

Vorsprung durch das EEG

Deutschland konnte mit der kostendeckenden Einspeisevergütung (EEG) einen Vorsprung in der Marktentwicklung nutzen. Jetzt diskutieren wir in Europa Anteile der Photovoltaik zwischen 30 und 50 Prozent der Stromproduktion.

Ich glaube, der Weg von null auf drei Prozent war schwieriger als von drei respektive acht Prozent auf 50 Prozent. Nur verlagern sich die Herausforderungen. Jetzt geht es um die Netzintegration und Lösungen, wie man den Sonnenstrom auch bei großem Marktanteil optimal nutzen kann.

Am einfachsten geht es mit Eigenverbrauch, das heißt der zeitgleichen Produktion und dem Verbrauch am selben Ort. Hier entfallen (wenigstens in der Schweiz) die Beaufschlagung der EEG-Wälzkosten.

Eigenverbrauch treibt die Märkte

Für die Kurzzeitspeicherung vom Tag in die Nacht stehen lokale Batterielösungen zur Verfügung. Die treibende Kraft für die Lernkurve bei den Batteriekosten ist die Elektromobilität mit viel größeren Stückzahlen. Wir werden in der Photovoltaik davon profitieren.

Noch eleganter und kostengünstiger ist das lokale Verschieben von thermischen Lasten, um den Strombedarf in den Tag zu verschieben, etwa durch Wärmepumpen für Brauchwasser und Heizung.

Die größere Herausforderung ist die saisonale Schwankung zwischen Sommer und Winter. Die Alpenländer Schweiz und Österreich sind mit der Wasserkraft (zirka 60 Prozent des gesamten Strombedarfs) deutlich besser aufgestellt als Deutschland.

Not in my backyard

Eigentlich besteht der optimale Mix aus nur fünf Prozent Wasserkraft in Deutschland und je 40 bis 45 Prozent Photovoltaik und Wind. Das Defizit im Winter bei der Photovoltaik könnte durch die zusätzliche Windkraftproduktion ausgeglichen werden. Offenbar hakt es in Deutschland bei der Onshore- und Offshore-Windkraft am Transport des in Küstennähe gewonnenen Windstroms von Norden nach Süden und am zunehmenden gesellschaftlichen Widerstand gegen Windanlagen nach dem Motto: „Not in my backyard!“

Wasserkraft, Wind und Sonne

Lösungen mit mehr Photovoltaik als Wind sind zwar machbar, aber in der Gesamtbetrachtung eher teurer als der optimale Mix zwischen Sonne und Wind. In der Schweiz stellen wir die gleichen Überlegungen zu Wasserkraft und Photovoltaik an.

Ewiggestrige betrauern Kernkraft

In der Schweiz und Deutschland gibt es eine Zunft der Ewiggestrigen, die dem Untergang der Kernenergie nachtrauern. Sie versprechen die inhärent sichere Kernenergie 4.0.

Neben den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima hat der Fahrplan für die Sicherstellung der nuklearen Entsorgung in der Schweiz einen Rückstand von über 30 Jahren erreicht. Deshalb ist auch bei uns die gesellschaftliche Akzeptanz für die Kernenergie aufgebraucht.

Zusätzlich explodieren die Bau- und damit Gestehungskosten für die Kernenergie, sodass auch der Finanzsektor kein Interesse mehr an dieser Technologie hat.

Deutschlands Problem mit der Kohle

Deutschland hat die Herausforderung des doppelten Umstiegs: aus der Kernenergie und der C02-emittierenden Kohle. Eine C02-arme Zukunft muss aber nicht nur den Stromverbrauch, sondern auch die großen Anteile der aus fossilen Quellen gespeisten Mobilität (Diesel und Benzin) sowie die Wärmeerzeugung aus Heizöl einbeziehen.

Die technischen Lösungen zur Substitution der fossilen Energieträger sind die Elektromobilität und Wärmepumpentechnik für die Heizung und die Brauchwassererwärmung.

Nicht länger jammern

Der Elektrizitätswirtschaft würde es gut anstehen, nicht ständig über die immer noch zu tiefen Energiepreise am Strommarkt zu jammern, sondern diese Herausforderungen als Chance für den breiteren CO2-freien Einsatz von Strom aus Sonne und Wind bei der Energieversorgung zu betrachten.

Unser politisches System hat in den letzten 30 Jahren die laufenden Fortschritte der Photovoltaik immer freundlich begrüßt, aber die Photovoltaik nie ernsthaft als Alternative zum atomaren und fossilen Zeitalter gesehen. Die verbleibende CO2-Bremsstrecke bis zum Point of no Return schrumpft beängstigend.

Netzparität ist erreicht

Offenbar stehen uns hier nur noch zehn bis 15 Jahre zur Verfügung, um den Umstieg auf C02-freie Energieproduktion umzusetzen. Diese Forderung wird heute von Greta Thunberg und „Fridays for Future“ gut hörbar vorgetragen.

Ökonomisch gesehen erreicht die Photovoltaik in unseren Breitengraden (Deutschland, Schweiz, Österreich) bei richtig konzipierten Anlagen Stromgestehungskosten zwischen zehn und 15 Cent je Kilowattstunde. Im Vergleich zu den Endkundentarifen ist die Wirtschaftlichkeit oder Netzparität erreicht.

Noch kein Selbstläufer

Trotzdem ist der Photovoltaikmarkt noch kein Selbstläufer. Woran liegt das? Ein wichtiges Element ist die unerträgliche Situation bei der Verrechnung der Netzkosten.

Diese erreichen heute etwa die Hälfte des Strompreises. Ein modernes, smartes Stromnetz sollte die Anteile der Netzkosten für den photovoltaisch lokal erzeugten Überschuss (ohne Eigenbedarf) nach einem Netz-Entry-Exit-Modell vergüten.

Netzentgelte verzerren den Markt

In der Schweiz und in Deutschland geht man kalkulatorisch immer noch davon aus, dass der Strom von der Netzebene 1 (Hochspannungsnetz der großen Kraftwerke) bis zum Endverbraucher in der Netzebene 7 bewertet wird.

In Tat und Wahrheit wird der überschüssige Sonnenstrom vom EVU beim Nachbarn oder im Quartier in der gleichen Netzebene 7 verbraucht. Damit müsste der Photovoltaiklieferant im ungünstigsten Fall nur einen Anteil des Netzentgelts (maximal die Hälfte) finanzieren.

Ein Vergleich mit der Bahn

Ein anschaulicher Vergleich: Was würde passieren, wenn die Deutsche Bahn für eine Fahrt nur eine landesweite Ticketpauschale berechnen würde? Unabhängig, ob man ab Freiburg im Breisgau nach Gundelfingen (sechs Kilometer) oder von Freiburg bis Hamburg (800 Kilometer) fährt. Hier wird der ökonomisch verzerrte Zustand im Strommarkt ersichtlich.

Der Aufbau zusätzlicher Photovoltaikleistung in der untersten Netzebene 7 erspart den Elektrizitätswerken zusätzlichen Netzausbau. Besonders dann, wenn Stromanwendungen in Wärme und Mobilität dazukommen.

Das EEG wird noch gebraucht

Die Ökonomie der Photovoltaik ist ohne das EEG heute noch nicht gegeben. Erstens, weil nur der Eigenbedarf, also 20 bis 30 Prozent des eigenen Strombedarfes, zu den Strombeschaffungskosten beim Endkunden aufgerechnet werden. Zweitens erhält man in der Schweiz vom regionalen Energieversorger für den eingespeisten Überschuss des Sonnenstroms nur den Stromkostenanteil mit rund sechs Cent je Kilowattstunde erstattet.

Eingesparte Netzkosten werden nicht vergütet. Aber mein schlaues Elektrizitätswerk verkauft den günstig eingekauften Solarstrom in der nächsten Nachbarschaft mit einer Marge von mehr als 100 Prozent.

Unsere Branche hat sich leider in den letzten 30 Jahren daran gewöhnt, dass wir zwar erstaunliche Fortschritte in der Technik und Ökonomie machen, aber uns die Politik und zum großen Teil auch die Wirtschaft nicht wirklich ernst und aufnimmt. Wir müssen diese herausfordernde Ausgangssituation als Chance zum Durchstarten verstehen und nutzen. Es besteht keine Ursache zum Jammern. Packen wir es an!

www.tnc.ch

Martin Schachinger/PVXchange

„Den Klimanotstand ausrufen!“

Die Bundesregierung wie auch das Europaparlament müssen dringend den Klimanotstand ausrufen! Als Folge daraus müssen dann alle politischen und ökonomischen Entscheidungen in Zukunft nach Maßstäben des Klimaschutzes getroffen werden – bringt eine Maßnahme den Umweltschutz voran oder ist sie kontraproduktiv und erzeugt zusätzliche, vermeidbare Emissionen?

Eine begrüßenswerte und leicht umzusetzende Maßnahme ist zum Beispiel die CO2-Bepreisung, allerdings mit einem um einen Faktor 10 bis 20 höheren Preis, als er im bisherigen Vorschlag der Bundesregierung verankert ist. Zur Entlastung energieintensiver Branchen und um den Standort Deutschland nicht zu gefährden, kann es Befreiungen geben, wie sie auch bei der EEG-Umlage üblich sind.

Diese Entlastung darf aber nicht unbefristet in voller Höhe gewährt werden – ein Degressionsmodell wäre hier zielführender. Nur wenn es schmerzt, werden Industrie und Gesellschaft den notwendigen Drive für die vollständige Energiewende und die dringend nötige CO2-Neutralität in der uns noch zur Verfügung stehenden Zeit entwickeln.

Martin Schachinger ist Gründer und Geschäftsführer von PVXchange.

www.pvxchange.com/de/

Karlheinz Reitze/Viessmann PV+E Systeme

„Wir brauchen Klarheit und Berechenbarkeit“

Steuerliche Abschreibung für Modernisierungen, Senkung der Strompreise und die Förderung des Austausches alter Ölheizungen sind zunächst begrüßenswerte Ankündigungen. Nun müssen die konkreten Details möglichst zügig durch den Bundestag und den Bundesrat verabschiedet werden. Sonst warten die Leute nur noch ab. Schon jetzt erfahren wir aus dem Markt, dass viele Handwerker ihren Kunden dazu raten. Wir brauchen also möglichst schnell Klarheit, wie die Abschreibung oder die Förderung aussehen werden.

Der Deckel für die Photovoltaik wurde erhöht, auch wurden die Speicher neu bewertet. Das geht in die richtige Richtung. So kann Photovoltaik in Kombination mit Wärmepumpen und Batterien eine stärkere Rolle spielen, auch in der Modernisierung. Die E-Autos werden eine wachsende Rolle spielen. Doch Klarheit und Berechenbarkeit sind dafür wesentliche Voraussetzungen. Allerdings bleibt zu vermuten, dass höhere Netzentgelte und steigende EEG-Umlagen den Strompreis eher steigen lassen, als ihn abzusenken.

Ich bin mir sicher, dass Photovoltaik, Stromspeicher und Wärmepumpen vom Austausch alter Heizungssysteme profitieren werden. Letztlich bieten wir eine breite Produktpalette, um für jedes Gebäude die passende und wirtschaftliche Lösung zu finden.

Karlheinz Reitze ist Geschäftsführer der Viessmann PV+E GmbH.

www.viessmann.com

Der Autor

Thomas Nordmann

begann seine berufliche Karriere 1969 als Laborant am Physikalischen Institut der ETH Zürich. Seit 1974 gehört er zu den Solarpionieren in der Schweiz. Zwischen 1975 und 1978 war er der erste vollamtliche Mitarbeiter der Forschungsgruppe zur Sonnenenergie am damaligen Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung EIR (heute: PSI). Dort initialisierte und baute er die damals größte thermische Solaranlage der Schweiz (200 Quadratmeter).

Zwischen 1978 und 1984 war Nordmann als Produktmanager zuständig für den Aufbau des neuen Unternehmensbereichs Solarenergie und Wärmepumpen der Elco Energie Systeme AG in Vilters.

1985 gründete er die TNC Consulting AG, die er bis heute als Inhaber leitet. 1995 entwickelte er die „Solarstrombörse“ der EWZ in Zürich. Damit gewann er den Schweizer und den Europäischen Solarpreis. Seit 1994 repräsentieren Thomas Nordmann und TNC die Schweiz bei der Internationalen Energieagentur IEA PVPS. Für das 2015 gegründete Forum Energiespeicher Schweiz FESS koordiniert er das Kernteam und ist Sprecher der Wirtschaft.

Während seiner beruflichen Tätigkeit hat Nordmann über 180 Fachartikel und Publikationen vorgelegt. Er ist dreifacher Gewinner des Schweizer Solarpreises 1994/98/99 und Träger des Europäischen Solarpreises 1997. Seit 2018 ist er Ehrenmitglied von Swissolar.

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