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Speichertrends

Lithium und danach

Bis eine neuartige Zellchemie getestet und skaliert werden kann, vergehen zehn Jahre. Schneller ist das kaum machbar. „Das liegt an den typischen Innovationszyklen. Die Batteriemodule sollen ja eine gesicherte Lebensdauer erreichen und entsprechend sicher sein“, sagt Professor Helmut Ehrenberg. Er leitet das Institut für Angewandte Materialien für Energiespeichersysteme am KIT in Karlsruhe.

Das IAM-ESS beschäftigt sich mit der Herstellung neuer Materialien, unter anderem für Li-Ionen-Batterien und Post-Lithium-Systeme. „Die chemischen Kombinationen bei Batteriespeichern werden in den nächsten zehn Jahren ähnlich zu denen sein, die wir heute bereits kennen. Batterien mit Lithium, Kobalt und Nickel werden wir also auch in den nächsten zehn Jahren sehen“, sagt Ehrenberg. „In 20 Jahren mag das anders sein.“

Überraschender Speicherboom

Da wären dann Aluminium- und Natriumbatterien vielleicht neue Optionen. Daran arbeiten die Forscher am Karlsruher Institut für Technologie bereits. „Wir haben vor fünf Jahren schon einen Trend dazu gesehen, dass neue Photovoltaikanlagen zu einem erheblichen Anteil mit Speichersystemen angeschafft werden“, berichtet Professor Dirk Uwe Sauer. Er leitet das Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe, kurz ISEA, an der RWTH.

Diese Entwicklung hat Sauer überrascht. Denn er und sein Team hatten den eigentlichen Boom für die Speichersysteme erst mit dem Auslaufen der EEG-Förderung nach 20 Jahren ­erwartet.

Die verbleibenden Vergütungen seien so gering, dass die Eigennutzung wirtschaftlich sehr attraktiv ist. „Allerdings sind die Kosten der Speichersysteme im Mittel immer noch nicht so gering, dass im strengen Sinn eine Wirtschaftlichkeit vorliegt“, erklärt Sauer. „Aber, und das ist auch eine wichtige Erkenntnis: Die meisten Anlagenbesitzer betrachten die Speichersysteme weniger als wirtschaftliche Investition, sondern als eigenen Beitrag zur Energiewende, zur Absicherung gegen mögliche zukünftige Preissteigerungen oder zur Erhöhung der eigenen Versorgungsunabhängigkeit.“ Entsprechend würden die Investitionsentscheidungen eher wie bei einem iPhone oder Autokauf getroffen.

Bis 2023 unter 100 US-Dollar

Laut Prognosen der Marktanalysten von IHS ­Markit werden Lithium-Ionen-Batterien schon in drei Jahren für weniger als 100 US-Dollar pro Kilowattstunde zu haben sein. Sollte dieser Preis erreicht werden, hätte die Speicherbranche eine ähnliche Lernkurve wie die Photovoltaik hingelegt. Die Kosten für die Batteriespeicher wären dann innerhalb eines Jahrzehnts um 86 Prozent gefallen. Denn im Jahr 2012 lagen die Batteriepreise noch bei 580 Dollar pro Kilowattstunde.

In den kommenden zehn Jahren werden die wesentlichen Innovationen aus der evolutionären Weiterentwicklung der heutigen Lithium-Ionen-Batterien kommen, bestätigt auch RWTH-Professor Sauer.

Für den Markt komme es im Wesentlichen auf die spezifischen Kosten der Investition pro Kilowattstunde, den Wirkungsgrad sowie die kalendarische Lebensdauer und die zyklische Lebensdauer an. „Die Lithium-Ionen-Batterien liefern hier sehr gute Werte und insbesondere bei den Kosten scheint weiter Luft nach unten“, weiß Sauer.

Zellkosten machen nur ein Viertel aus

Hersteller von Hausspeichersystemen können heute Batteriezellen für vielleicht 200 Euro pro Kilowattstunde einkaufen, kalkuliert Sauer. „Fahrzeughersteller mit ihren sehr großen Einkaufsvolumina liegen vielleicht bei der Hälfte“, meint er. „Tesla kündigt eine Halbierung in den kommenden Jahren an. Bis 2030 kann das realistisch sein.“

Aber Hausspeichersysteme für den Endkunden kosten im Mittel immer noch über 1.000 Euro pro Kilowattstunde, bezogen auf die Nettokapazität. Das beinhalte den Bau der Batteriepacks aus den Zellen, die Umrichter, das Energiemanagementsystem, die Messeinrichtung, Displays, Gehäuse, Marketing, Vertrieb, Planung, Installation und Umsatzsteuer, zählt Professor Sauer auf. Die Aufstellung macht deutlich, dass die Zellkosten schon heute nur noch rund 25 Prozent der Nettokosten ausmachen.

Deutlich günstiger könnten die Speichersysteme noch mal werden, wenn den Hausbesitzern standardisierte Komplettpakete für Solarstromanlage, Wärmepumpenheizung sowie Elektromobilität und Energieversorgungsvertrag angeboten werden, prognostiziert der Speicherexperte. Dann teilten sich die Transaktionskosten auf ein insgesamt größeres Investitionsvolumen auf und die individuelle und personalintensive Abstimmung der einzelnen Teilsysteme entfalle. „Dann sollten auf das Speichersystem bezogen“, da ist Professor Sauer zuversichtlich, „Kosten von 500 Euro pro Kilowattstunde und auch weniger durchaus machbar sein.“

Batterien mit Eisen und Mangan

Helmut Ehrenberg vom KIT sieht vor allem Kobalt als das kritischste Element in Lithium-Ionen-Batterien. „Wir werden deshalb den Kobaltanteil in den nächsten Jahren ganz ersetzen“, prophezeit er. „Das versuchen wir heute schon, indem wir Nickel einsetzen, wovon wir etwa zehnmal mehr als Rohstoff verfügbar haben.“

Das helfe schon ein bisschen. „Wenn wir also nicht nur von Kobalt, sondern auch von Nickel wegwollen, müssen wir bei den Übergangsmetallen mit Eisen und Mangan arbeiten“, sagt er. Andere Materialien wären einfach zu teuer für den Massenmarkt, den die Forscher erwarten.

Energiedichte steigern

Batterien, die auf Eisen und Mangan basieren, gibt es bereits. Aber sie haben noch deutlich geringere Leistungsdaten. „Ziel muss es deshalb sein, die kritischen Elemente zu ersetzen, ohne deutliche Abstriche beispielsweise bei der Energiedichte zu machen“, betont Ehrenberg.

Batteriehersteller Northvolt, an dem auch VW beteiligt ist, will mit der Produktion eine Recyclingfabrik entwickeln. „Jeder, der nun anfängt, eine Zellfertigung im Gigawatt-Maßstab aufzubauen, muss das Thema Recycling mit auf dem Schirm haben“, meint auch Ehrenberg.

Einen gut funktionierenden Rücknahmekreislauf gibt es beispielsweise bei Bleibatterien. Den gibt es aber nicht, weil man das Geld für neues Blei sparen will, sondern weil es die gesetzlichen Anforderungen verlangen. Es gibt kaum etwas Billigeres als Schwefelsäure, das werden die Hersteller einfach entsorgen und nicht recyceln.

Autobauer wollen Kosten drücken

Nickel, Kobalt und Kupfer dagegen sind teure, weil knappe Rohstoffe. „Die Hersteller von Lithiumbatterien werden die Zellen vielleicht gar nicht verkaufen, sondern nur leasen und später wieder zurücknehmen, um die Rohstoffe zu behalten“, vermutet der KIT-Forscher.

Wenn der Autofahrer hierzulande höre, dass ihm die Batterie seines Autos nicht gehört, könnte das zu einem anderen Problem führen. Der Deutsche im Allgemeinen hüte sein Auto ja wie ein Familienmitglied – das mag in anderen Ländern etwas anders aussehen.

In den nächsten Jahren gehe es vor allem darum, die Kosten der Batterie weiter runterzubekommen, sagt Professor Ehrenberg. „Bei der Lebensdauer sind wir derzeit im Schnitt schon fast zu gut für die Vorgaben der Industrie, wenn man von einer typischen Lebenserwartung von neun Jahren für ein Fahrzeug ausgeht“, erklärt er. Das Volumen, also die benötigte Größe für eine bestimmte Speicherkapazität, sei ebenso wichtig, genauso wie die Sicherheit.

Akkus mit Natrium oder Aluminium

Die Elektromobilität ist viel anspruchsvoller als stationäre Anwendungen. Denn Größe und Gewicht der Batterien sind in Autos absolut entscheidend. Preislich mit Lithium-Ionen mithalten könnten Konzepte mit Natrium, Aluminium, Calcium oder Kalium – jedenfalls theoretisch, erklärt Ehrenberg.

Eine Technologie mit Natrium wäre sogar billiger als Lithium, aber da eine solche Batterie nur die halbe Energiedichte habe, brauche man wiederum die doppelten Rohstoffe für dieselbe Speicherkapazität. Zudem verändere eine kleine Änderung an einer Batteriekomponente das Gesamtsystem. Ehrenberg: „Das macht es so schwierig, Batteriezellen zu optimieren.“

Professor Ehrenberg im Labor für Angewandte Materialien für Energiespeichersysteme am KIT.

Foto: KIT

Professor Ehrenberg im Labor für Angewandte Materialien für Energiespeichersysteme am KIT.

Kurz nachgefragt

„Das ist eine Megachance“

Aurélie Alemany ist seit Oktober CEO von Senec in Leipzig. Sie hat Verfahrenstechnik studiert und ist seit 2011 in der  Energiebranche tätig. In den vergangenen fünf Jahren wirkte sie bei der Yello Strom GmbH in Köln, zuletzt als  Geschäftsführerin.

Foto: Senec

Aurélie Alemany ist seit Oktober CEO von Senec in Leipzig. Sie hat Verfahrenstechnik studiert und ist seit 2011 in der
Energiebranche tätig. In den vergangenen fünf Jahren wirkte sie bei der Yello Strom GmbH in Köln, zuletzt als
Geschäftsführerin.

Sie sind die neue CEO und das neue Gesicht von Senec. Wann haben Sie im Unternehmen angefangen?

Aurélie Alemany: Anfang Oktober 2020. Vorher war ich Geschäftsführerin von Yello Strom in Köln. Dort habe ich die digitale Transformation verantwortet. Von „gelb, gut, günstig“ hat sich Yello zu einer nachhaltigen Position gewandelt, mit einem nachhaltigen Erlebnis für die Stromkunden. Yello ist mittlerweile eine der bekanntesten Strommarken in Deutschland, mit etwa einer Million Kunden.

Jetzt sind Sie bei einem Anbieter von Stromspeichern und solarer Systemtechnik in verantwortlicher Position tätig. Was ändert sich für Sie?

Yello ist eine Endkundenmarke, mit einer Million Kunden. Bei Senec geht es zunächst ums B2B2C-Geschäft mit unseren Fachpartnern, die die Endkunden beraten und die Technik bei ihnen installieren. Das ist ein ganz anderes Geschäft. Mich inspirieren die Aufgabe und die Vision von Senec, die Energiewende bei den Kunden zu gestalten. Ich habe zwei Kinder, da sind die Themen Nachhaltigkeit und sauberer Strom sehr wichtig.

Senec ist gegenüber Yello Strom als Unternehmen ganz anders aufgestellt. Welche Vision treibt Sie als CEO, gemeinsam mit dem Management und den Mitarbeitern?

Senec wächst sehr stark, ist mit derzeit rund 250 Mitarbeitern aber eher klein. Das starke Wachstum wird es erforderlich machen, dass auch Senec als Unternehmen wächst. Die Prozesse im Unternehmen sowie mit unseren Partnern müssen effizient sein, müssen mit dem Wachstum Schritt halten. Ich persönlich empfinde es zudem als Herausforderung, dass bei Senec die technische Innovation eine andere Dimension annimmt als bei Yello.

Wie meinen Sie das?

Ich bin von meiner Ausbildung her Ingenieurin, ich habe Verfahrenstechnik studiert. Die ingenieurtechnische Seite der Energiewende, das finde ich hier wieder. Und das reizt mich sehr. Bei Senec gibt es neben der Digitalisierung und der Kundenzentrierung auch die stetige technische Produktentwicklung, zugleich müssen wir das Wachstum beim Personal gestalten.

Trotz aller Technik steht der Mensch im Mittelpunkt …

Richtig. Ich habe die ersten Wochen meiner Tätigkeit bei Senec vor allem damit zugebracht, die verschiedenen Bereiche und Teams kennenzulernen, jede einzelne Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter. Wer ganzheitlich agieren will, braucht dafür alle Menschen im Unternehmen. Und ich habe gelernt: Die Mitarbeiter von Senec wollen die Energiewende gestalten, das ist ihnen sehr, sehr wichtig. Da fühle ich mich gut aufgehoben.

Bisher waren Sie in Köln, jetzt in Leipzig. Zieht die Familie mit?

Erst einmal habe ich eine Wohnung genommen. Meine Kinder gehen noch zur Schule, ein Umzug ist ans Schuljahr gebunden. Aber Leipzig ist eine faszinierende Stadt, sehr attraktiv und offen, auch für Mitarbeiter, die wir erst noch finden wollen. Das ist eine Megachance, da passt einfach alles.

Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.

Meine Vision: Fabrizio Limani von Panasonic Electric Works Europe

Unabhängigkeit durch Photovoltaik

Fabrizio Limani ist Senior Manager der Solar Division der Panasonic Electric Works Europe AG in Ottobrunn.

Foto: Panasonic

Fabrizio Limani ist Senior Manager der Solar Division der Panasonic Electric Works Europe AG in Ottobrunn.

Meine Vision ist die größtmögliche Unabhängigkeit durch eine dezentrale Energieerzeugung und ein „grüner“ Fußabdruck durch den Einsatz von erneuerbaren Energien. Photo­voltaik eignet sich hervorragend, um sich in der Energie­versorgung unabhängiger zu machen. Jedes Haus sollte zumindest einen Teil des Energiebedarfs seiner Bewohner selber decken können.

Auf der Erde angekommen

Photovoltaik ist ein Teil des künftigen Energiemixes und hat noch großes Potenzial für die Weiterentwicklung. Die erste Stufe war die Nutzung von Solarzellen für Weltraumsatelliten, zurzeit befinden wir uns auf der zweiten Stufe. Solarmodule sind „auf der Erde angekommen“ und viel effizienter geworden.

Aber es gibt noch Luft nach oben. Der Wirkungsgrad ­sollte mindestens 35 Prozent betragen. Vielleicht wird es noch ganz andere, neue Photovoltaiktechnologien geben. Auf jeden Fall wird Photovoltaik in der Zukunft eine immer größere Rolle in der CO2-Reduktion und zur Schonung fossiler Ressourcen spielen. Dadurch trägt die Technologie auch dazu bei, Ökosysteme und Gesellschaften rund um den Globus zu erhalten.

Sonnenstrom für Pumpen und Fahrzeuge

Neben der Effizienzsteigerung sind neue Anwendungen nötig. Es sollten Geschäftsfelder erschlossen werden, die im Moment aus Gründen der Wirtschaftlichkeit brach liegen.

Ein Beispiel aus Italien: Dort sehe ich häufig Traktoren, die Pumpen für die Bewässerung der Felder antreiben. Das sollte anders laufen. Auf den Höfen sollten Solarstrom­anlagen installiert sein, die Akkus von Elektrofahrzeugen ressourcenschonend und dezentral laden.

Einsparung von Energie nicht vergessen

Wie bei der Photovoltaik sehe ich auch bei Speichersystemen noch viele Möglichkeiten. Der Einsatz von Lithium-Ionen-Akkus ist eine Möglichkeit, aber es sind andere Technologien denkbar, bei denen die Komponenten einfacher zu beschaffen und zu fördern sind.

Nicht zu vergessen die Energieeinsparung. Wenn der Stromverbrauch reduziert wird, kann Photovoltaik einen höheren Anteil in der Energieversorgung übernehmen, und die Unabhängigkeit steigt.

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