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Engpässe smart umsteuern

Derzeit sind in Deutschland rund 75.000 reine Elektroautos und gut 314.000 Hybrid-Autos zugelassen. Durch den Einsatz von Solarstromanlagen mit Batteriespeichern können die heutigen Stromverteilnetze in Ortsteilen mit privaten Ein- und Zweifamilienhäusern zu rund 60 Prozent die Haushalte mit einer eigenen Ladestation mit elf Kilowatt Leistung für Elektroautos versorgen. Damit verdoppeln dezentral installierte Solarstromspeicher die Ladekapazität gegenüber einem klassischen Niederspannungsverteilnetz.

Im Falle einer Modernisierung des regulatorischen Rahmens zur Nutzung des gesamten Flexibilitätspotenzials dezentraler Batteriespeicher ließe sich sogar eine Komplettversorgung von Ladepunkten für Elektroautos in den vorstädtischen und dörflichen Ortsnetzen erreichen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des Institutes Elenia der TU Braunschweig, die der Branchenverband BSW-Solar Ende Februar vorgestellt hat.

Volle Abdeckung mit Ladepunkten

„Die Elektromobilität mit einem steigenden Bedarf an Ladepunkten kann die bestehenden Energieversorgungsnetze zwar vor Herausforderungen stellen“, sagt Co-Autor Professor Bernd Engel von der TU Braunschweig. „Wenn aber alle Möglichkeiten von privaten Photovoltaik-Speichersystemen genutzt werden, erreichen wir im typischen Stromverteilnetz eine Vollabdeckung mit Ladepunkten. Und das in der Regel ohne weitere Ausbaumaßnahmen“, betont Engel. Viele Wandladestationen für den privaten Bereich werden derzeit mit einer maximalen Ladeleistung von elf Kilowatt angeschlossen.

Bei ansonsten unveränderten Bedingungen konnte anhand von Verbrauchsprofilen belegt werden, dass an das Verteilnetz 45 Prozent der Haushalte mit einer Ladestation von elf Kilowatt angeschlossen werden, sofern die Elektroautos entsprechend der Realität zeitversetzt beladen werden.

Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb, kurz FNN, im VDE und der Branchenverband BDEW haben in der Metastudie einen Überblick zur Netzintegration der Elektromobilität erarbeitet. Ein zentrales Ergebnis: Elektromobilität kann zu steigender Netzbelastung und damit notwendigem Netzausbau führen. Allerdings bestimme nicht die Marktdurchdringung allein, wie stark sich Stromer auf das Netz auswirken. Ausschlaggebend ist vielmehr, wie viele Stromer in einem Ortsnetz gleichzeitig und mit hoher Leistung laden. Weil dafür bisher keine belastbare Prognose möglich ist, stehen die Netzbetreiber vor großen Herausforderungen bei der Planung des künftigen Netzes.

Netze optimieren, statt ausbauen

Um vorhandene Netze optimal nutzen zu können, empfiehlt die Studie, die aktuelle Netzauslastung zu überwachen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Anmeldepflicht für Ladeeinrichtungen. Auf dieser Grundlage lassen sich intelligente Steuerungskonzepte für Ladevorgänge von Stromern sinnvoll einsetzen. Netzbetreiber müssten Ladevorgänge steuern und so Lasten dynamisch an die Netzkapazität anpassen dürfen. Nur so werden bestehende Netze besser ausgelastet. Auch flexible Strompreise helfen, Ladevorgänge zu verschieben. Nur wo keine Netzoptimierung stattfinden kann, sollten Netze ausgebaut werden, so die Forderung des VDE.

Die Metastudie zeigt, dass Faktoren für die Netzauslastung lokal und situationsabhängig, in der Stadt oder auf dem Land, sehr verschieden sein können. Das liege unter anderem an der unterschiedlichen Beschaffenheit der Stromnetze und daran, wie sich Verbraucher, zum Beispiel mit Photovoltaikanlagen, ins Netz einbringen. Intelligente Steuerungskonzepte schaffen Abhilfe, empfehlen die Studienautoren.

Investitionen in Verteilnetze nötig

Längst nicht alle Verteilnetze in Deutschland seien darauf ausgelegt, eine größere Zahl von Elektroautos mit Strom zu versorgen, sagt die Thüga, ein Verbund von rund 100 Stadtwerken. Vielerorts müsse in den nächsten Jahren investiert werden, in neue Leitungen genauso wie in Instrumente zur Steuerung der Ladevorgänge.

Im Projekt Ladeinfrastruktur 2.0 des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE untersuchen Forscher, Netzbetreiber, Energieversorger sowie Konzerne der Autobranche, wie sich die Netze volkswirtschaftlich sinnvoll für die Elektromobilität rüsten lassen. Das über vier Jahre laufende Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium bezahlt.

Wird die Netzstabilität bedroht?

„Aktuell haben wir eine Quote von einem Prozent Elektroautos in Deutschland“, erklärt Evamaria Zauner. Sie ist Projektleiterin für Elektromobilität bei der Thüga. „Ab einer Quote von 30 Prozent Stromern gehen wir nach aktuellen Studien von einer Gefahr für die Stabilität der Verteilernetze aus“, warnt sie. Wo sich viele Ladevorgänge konzentrieren, könne es ohne Investitionen schon früher zu Engpässen kommen, sagt Zauner weiter. Damit die langfristigen Investitionen auch zielgerichtet fließen, untersucht die Thüga gemeinsam mit zwei weiteren Unternehmen die Auswirkungen auf die Netze.

Projektleiter Bernhard Ernst vom Fraunhofer IEE kennt die Instrumente, um Elektroautos in die Netze zu integrieren. Netzausbau sei ein Beispiel, das Laden zeitlich steuern und planen sowie das bidirektionale Laden oder die Koppelung der Fahrzeuge mit dem Energiesystem von Gebäuden.

Branchen müssen kooperieren

„In unserem Projekt geht es darum, all das zusammenzuführen, um eine gesamtwirtschaftlich optimale Lösung für Netze und Fahrzeuge zu finden“, meint der Forscher. Die BS Netz aus Braunschweig und die SW Netz aus Wiesbaden bearbeiten jeweils ein Teilprojekt. Sie gehören beide zur Thüga-Gruppe. Möglichst gute Daten werden dringend gebraucht, um Handlungsoptionen zu definieren und konkrete Maßnahmen abzuleiten. „Dazu gehört es, das Bestandsnetz auszuwerten sowie die Messdaten und die Szenarien zukünftiger Netzmodelle sowie der sogenannten GIS-Daten einzubeziehen. GIS steht für Geoinformationssysteme“, erklärt Peter Lautz, Chef der SW Netz.

Pilotprojekt bei Braunschweig

Besonders die netzdienliche Steuerung von Ladevorgängen soll das Netz entlasten. „Bisher fehlen allerdings die Erfahrungen, wie viel Potenzial die Steuerung hat“, meint Zauner. In einem ausgewählten Gebiet mit 40 Haushalten rund um Braunschweig werden daher die Auswirkungen einer großflächigen Elektrifizierung des Verkehrs in einem bestehenden Netz geprüft. Mithilfe individueller Prognosen wird der Verbrauch der Kunden netzdienlich optimiert.

Darüber hinaus wollen die Projektpartner Empfehlungen für Normen erarbeiten: etwa zu Netzanschlussbedingungen, für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Netz oder Ladestation sowie für die Einbindung von Elektrofahrzeugen in Systeme für Energiemanagement im Eigenheim. In spätestens vier Jahren sind alle Beteiligten schlauer. Mehr Zeit werden sie nicht haben, bereits 2022 könnten laut Experten eine Million Stromer auf deutschen Straßen fahren.

www.thuega.de

www.vde.de

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