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Papiertiger am Ende

Die Berliner Stadtwerke vermelden einen Meilenstein in ihrer noch jungen Geschichte. Der Energieversorger hat in den fünf Jahren seines Bestehens zehn Megawatt Photovoltaikleistung in der Bundeshauptstadt aufgebaut. Das mag lächerlich klingen. Doch angesichts der Verhältnisse in der Großstadt ist das durchaus ein vorzeigbares Ergebnis.

Denn in Berlin kommt die Energiewende wie in anderen Großstädten nur schleppend voran. Das liegt vor allem an den fehlenden Möglichkeiten für den Ba u von Solarparks. Der größte Teil muss auf Dächern von Gebäuden gebaut werden, in denen hauptsächlich Mieter wohnen.

Entsprechend schwer hat es die Photovoltaik. Denn auch mit einer finanziellen Förderung ist der Mieterstrom noch nicht sehr weit gekommen. Magere 677 geförderte Mieterstromanlagen mit einer Gesamtleistung von 13,9 Megawatt vermeldet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in seinem pflichtgemäßen Statusbericht zum Mieterstromgesetz.

4,3 Megawatt für Berlins Mieter

Acht Hektar beträgt die gesamte Modulfläche, die die Berliner Stadtwerke aufgebaut haben. Das ist eine ganze Menge. „Aber wir wissen auch, dass wir das Tempo kräftig steigern müssen, um die Klimaziele der Stadt zu erreichen”, erklärt Kerstin Busch, Geschäftsführerin der Berliner Stadtwerke. Es müssen nicht nur alle stadteigenen Gebäude möglichst mit Solaranlagen belegt werden. Auch das Mieterstromgeschäft braucht mehr Tempo.

Doch das ist nicht so einfach, wie der aktuelle Mieterstrombericht des BMWi zeigt. Dort stehen die Gründe für das Versagen des Gesetzes drin. Einer ist die extrem stark gesunkene Förderung von Mieterstrom vor allem für größere Anlagen, wie sie auf Mehrfamilienhäusern in Großstädten üblich sind. Betrug der Förderbetrag bei Verabschiedung des Gesetzes für eine Anlage mit einer Leistung von mehr als zehn Kilowatt 2,6 Cent pro Kilowattstunde, ist er inzwischen auf 1,2 Cent pro Kilowattstunde geschrumpft.

Die Beamten im BMWi gehen davon aus, dass bei der weiteren Senkung der Einspeisevergütung um 1,4 Prozent pro Monat die Mieterstromunterstützung für größere Anlagen auf 0,3 Cent pro Kilowattstunde im Januar 2020 sinkt und im Jahr 2021 komplett ausläuft. Es sei denn, die Bundesregierung findet endlich eine Lösung für das Dilemma zwischen hohen Zusatzkosten vor allem für die Zählerkonzepte oder den Netzanschluss und rasant sinkender Einspeisevergütung, auf deren Basis die Mieterstromförderung berechnet wird.

Dächer komplett nutzen

Dazu kommt noch die Zusammenfassung von kleineren Mieterstromanlagen zu einer großen Anlage. Beide Anlagen erreichen so entweder eine höhere Gesamtleistung, an die die Einspeisevergütung angelegt wird, die dann niedriger ausfällt, als wenn beide Anlagen separat berechnet würden. Oder die Anlagen werden unnötig klein gebaut, um die Fördergrenze einzuhalten.

So zumindest musste es die Genossenschaft Bürgerenergie Berlin (BEB) machen, als sie ein Mieterstromprojekt im Berliner Stadtteil Neukölln umgesetzt hat. Dort konnten nur 75 Prozent der Dachfläche eines Gebäudekomplexes für eine Solaranlage genutzt werden. „Wir hätten knapp 50 Prozent mehr Leistung installieren können“, erklärt Christoph Rinke, Vorstand der BEB. „Das wurde uns aber durch das Mieterstromgesetz verwehrt, da die Förderung auf Anlagen mit einer Leistung von 100 Kilowatt gedeckelt ist.“ Die Anlagen auf den Gebäuden in Neukölln leisten 99,83 Kilowatt.

Mieterstrom fürs Quartier ermöglichen

Hier zeigt sich die strukturelle Schwäche des Mieterstromgesetzes, das in einer engen Bebauung urbaner Räume die Energiewende eher behindert als fördert. Die Anlagenzusammenfassung verhindert in Kombination mit der Regelung, dass der Mieterstrom nur unmittelbar vor Ort geliefert werden darf, auch die in größeren Städten sinnvollen Quartierslösungen über den eigenen Hinterhof hinaus.

Eine zusätzliche Unsicherheit hat die Bundesnetzagentur eingebaut. Denn die Behörde sieht auf der Basis des EEG im Anlagenbetreiber gleichzeitig den Lieferanten des Mieterstroms. Ein Lieferkettenmodell ist nicht vorgesehen. Bei diesem Modell liefert ein Energiedienstleister den Strom aus der Anlage auf dem Dach des Mehrfamilienhauses und den Reststrom aus dem Netz. Er betreibt den Solargenerator aber nicht selbst, sondern kauft den Solarstrom vom eigentlichen Anlagenbetreiber ein. Da dieses Lieferkettenmodell aber nicht rechtssicher ist, führt das zu Lösungen, bei denen der Energiedienstleister vom Hauseigentümer die Anlage oder die Dachfläche pachtet und selbst betreibt, was die Kosten nach oben treibt.

Steuerregeln geändert

Immerhin hat die Bundesregierung die Hürden für die Wohnungsgenossenschaften geschliffen. Denn inzwischen dürfen diese mehr Geld mit dem Solarstromverkauf einnehmen als bisher. Vor der Änderung des Körperschaftssteuergesetzes im Juni 2019 durften Wohnungsbaugenossenschaften nur zehn Prozent ihres Umsatzes mit Geschäften jenseits der Vermietung machen.

Liegen sie darüber, verlieren sie ihre steuerlichen Vorteile. Jetzt ist die Grenze auf 20 Prozent gestiegen, wenn die zusätzlichen Einnahmen aus einem Mieterstromgeschäft kommen.

Das Dach vermietet

Das rief zwar sofort die Kritiker auf den Plan, die anmerkten, dass die zusätzlichen Einnahmen für die Genossenschaften im Mieterstromprojekt auch aus der Vermietung der Dachfläche kommen. Hier sieht Christoph Rinke von der BEB nur einen begrenzten Änderungsbedarf. Denn indem die Wohnungsbaugenossenschaft ihr Dach vermietet, ist das zwar eine unübliche Fläche, doch es bleibt eine Vermietung und damit Teil des eigentlichen Genossenschaftszwecks.

Auch das Dach für das jüngste Mieterstromprojekt der BEB ist von der Wohnungsgenossenschaft Neukölln (GWN) gemietet. „Die Miete ist eher symbolisch und vor allem dazu da, um Zuständigkeiten zu klären, wenn etwa Schäden am Dach auftreten oder Dachsanierungen notwendig werden“, sagt Rinke.

Zudem sind die Genossenschaften bisher zwar die eifrigsten Kunden der Anbieter von Mieterstromanlagen. Doch da kommen mit größeren Wohnungsgesellschaften und sogar privaten Besitzern von Mehrfamilienhäusern noch weitere Interessenten dazu.

Die müssen auch über die vielen administrativen Hürden springen, um ein Mieterstromprojekt am Rande der Wirtschaftlichkeit umzusetzen. Denn die Regelungen sind mehr aufs Verhindern als aufs Unterstützen getrimmt.

Die EEG-Umlage muss weg

Hier müsste nach Ansicht von Christoph Rinke nicht nur das EEG und das Mieterstromgesetz verändert werden, damit die Energiewende in den Städten endlich Fahrt aufnehmen kann. Dazu gehören neben der Änderung der Regeln zur Anlagenzusammenfassung und zur Direktstrombelieferung auch der Wegfall oder die Absenkung der EEG-Umlage auf den von den Mietern verbrauchten Solarstrom.

Es müsste auch der zusätzliche Installationsaufwand wegfallen, der aufgrund der energiewirtschaftlichen Vorgaben notwendig ist. „Es ist wichtig, weniger Sollbruchstellen zu haben, die am Ende viele Projekte aussortieren“, fasst er die jetzt notwendigen Schritte des Gesetzgebers zusammen.

www.buerger-energie-berlin.de

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