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Neue Strategien für den Großhandel

Die Branche hat sich in einem atemberaubenden Tempo gewandelt. Der Großhandel muss dies auch. Verschiedene Beispiele zeigen, wo es hingehen kann.

So ein Satz mitten in der größten Krise der Branche: „In der Organisation der Wertschöpfungskette sehen wir ein Einsparpotential von 20 bis 30 Prozent“, sagte Energiebau-Geschäftsführer René Medawar in einem Interview gegenüber der photovoltaik. Ist der wirtschaftliche Einbruch der Branche in Deutschland also nur hausgemacht? Soll die Diskussion über das EEG nur von eigenen Fehlern ablenken? Immerhin beweist der Großhändler und Systemdienstleister Energiebau, dass selbst in den jetzigen Umbruchzeiten Wachstum möglich ist, wo andere Insolvenz anmelden. Die gesamte Wertschöpfungskette erstreckt sich über viele Prozesse von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis hin zur Distribution und Montage. Handel und Systemdienstleistungen sind nur ein Teil davon. Aber ein nicht unwichtiger und hier scheint es immer noch besonders viele Einsparmöglichkeiten zu geben.

„Sicherlich kann man Produktion und Verkauf noch besser verzahnen“, sagt Patric Kahl, Geschäftsführer von Sonix Solar. Informations- und Warenflüsse müssten weiter optimiert werden. Lagerwerte sollten auch nachträglich preislich angepasst werden können und es sei vor allem Aufgabe der Hersteller, die Händler noch enger zu integrieren. Aber auch beim Handel selbst sieht Kahl große Herausforderungen. „Viele organisch gewachsene Vertriebsstrukturen aus der Boomzeit produzieren einfach zu hohe Fixkosten. Die Unternehmen waren lange nicht gewöhnt, auf Einsparpotentiale zu achten, sondern expandierten von Jahr zu Jahr quasi von alleine."

Strategien für Schrumpfmarkt

Bisher ist die Photovoltaikbranche sehr volatil, auf kurzzeitige Blasen folgen immer wieder schwere Einbrüche. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen war der Absatz so kaum planbar. Das hat auch konkrete Auswirkungen auf die Lagerhaltung, also den Großhandel. „Um sehr schnell lieferfähig zu sein, waren ein hoher Lagerbestand und ein breites Sortiment notwendig“, betont Jan Brunner, nationaler Vertriebsleiter der Krannich Group. „Das ändert sich jetzt und hier sehen wir auch Optimierungspotenzial. Bei Krannich konnten wir die Lagerrisiken auch durch die starke Internationalisierung weitgehend ausgleichen und damit unseren Kunden eine gute Lieferperformance bieten.“ Außerdem reagiert Krannich mit der Zentralisierung vieler Prozesse auf den schrumpfenden Markt in ganz Europa. Vorher, in einem stark wachsenden Markt, mussten diese Prozesse noch vor Ort abgewickelt werden, um der explodierenden Nachfrage gerecht zu werden.

Bei den Maßnahmen, die jetzt notwendig seien, wird Sonix Solar ganz konkret. Der Großhandel müsse sich auf kleinere Margen und mehr Wettbewerb einstellen, verlangt Kahl. „Große Fahrzeugflotten z.B. gehören überdacht und in Frage gestellt. Ebenso sollte man sich anstatt auf eine Eingangsqualitätskontrolle beim Großhandel eher auf einen schnellen After-Sales Service konzentrieren. Aus unserer Erfahrung funktioniert die Qualitätskontrolle der Hersteller gut.“ Eine gesonderte lagerseitige Überprüfung empfiehlt Kahl nicht. „Betrachten wir unsere Reklamationen, so haben wir zu über 95 Prozent Frachtschäden, die auf dem Weg zum Endkunden passierten. Und viele Lieferungen kamen hierbei direkt aus den Produktionswerken. Hier zählt der After-Sales-Service für den Kunden stärker als stichprobenartige Kontrollen im Lager. Ebenso trägt eine schnelle Reaktionszeit zur langfristigen Kundenbindung bei.“

Fixkosten minimieren

Für IBC Solar ist der Service gegenüber den Fachpartnern entscheidend. „Bei der stetigen Weiterentwicklung der Serviceleistungen ergeben sich effiziente Abläufe für beide Seiten oft automatisch“, sagt Jürgen Dursch, Abteilungsleiter Vertrieb Deutschland bei IBC Solar. Der Händler sollte sich dabei auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Und diese kann sehr unterschiedlich sein, je nach Positionierung auf dem Markt. „Eigene Lager zu finanzieren, die nötigen Lagermitarbeiter vorzuhalten und teilweise sogar den Transport noch selbt zu übernehmen, widersprechen dem Prinzip der Kernkompetenz und ebenso dem Prinzip der vertikalen Integration“, sagt Kahl von Sonix Solar. „Wir empfehlen, die Kompetenzen im Vertrieb zu bündeln und weiter auszubauen. Logistische Dienstleistungen gehören nach meiner Meinung in die Hände der großen Logistikdienstleister. Somit minimiert man den Fixkostenanteil und passt mit Hilfe des Logistikers die Lagergröße situativ dem Bedarf an. Lagerung, Distribution und Kommissionierung nebst Erstellung der Flashlisten können alle großen Logistikdienstleister abbilden.“ Dieser Ansatz gelte in erster Linie für die Lagerung von größeren Modulkontingenten, differenziert Kahl. „Natürlich kann man Zubehörteile in Eigenregie lagern. Dies benötigt jedoch nicht den Platz und Infrastruktur wie große Modullager.“

Die frei werdende Energie kann dann zum Vertrieb gelenkt werden, um diesen weiter zu stärken. Zum Beispiel als Investition in die Zusammenarbeit mit dem Installateur. „Die Komplexität der Beratung beim Endkunden nimmt weiter zu“, erklärt Brunner von Krannich. „Vor allem, wenn es sich um das Thema Eigenverbrauch im Gewerbe oder um Speicherlösungen handelt. Für den Installateur ist es deshalb wichtig, dass wir ihm maßgeschneiderte Lösungen für die verschiedenen Endkundengruppen anbieten.“ Auch IBC Solar ist es wichtig, die Fachpartner beim Wandel des Marktes zu begleiten und für neue und veränderte Geschäftsfelder gemeinsam mit den Partnern tragfähige Konzepte zu entwickeln. „Unsere Aufgabe als Systemhaus ist nicht nur der Handel mit Komponenten, sondern auch die bestmögliche Unterstützung unserer Kunden bei der Erschließung neuer und der Entwicklung bestehender Geschäftsfelder – in technischer Hinsicht ebenso wie beim Vertrieb oder beim Marketing“, sagt Dursch. „Wir kommen zum Kunden.“ Seminare wie zum gewerblichen Eigenverbrauch bietet IBC Solar als Roadshows in ganz Deutschland an. Und ein eigens gegründetes Netzwerk ermöglicht den Austausch der Fachpartner direkt miteinander.

Anfang einer Zeitreise

Um die Installateure und Projektierer zu binden, empfiehlt Stefan Wippich, zuständig für Business Development bei Panel42, verschiedene Strategien, je nach Ausrichtung des Händlers. „Kleinere Handwerksunternehmen kann man sicher mit einem All-Inclusive-Paket und höheren Preisen locken, größere Installateure oder Photovoltaik-Fachunternehmen sind wahrscheinlich eher auf günstigere Preise und eine schnelle Lieferung aus. Sicher wird es hier in Zukunft Händler mit großem Logistikanteil geben und Händler mit hoher Planungs- und Fachkompetenz. Jedoch sind wir noch immer am Anfang der Photovoltaik-Zeitreise und werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch einiges an Entwicklungen erleben.“

Es stellt sich die Frage, ob die Reise dann in die Breite geht, zu ergänzenden Angeboten wie LED und Wärmepumpen, um alles zum Energie erzeugen und einsparen aus einer Hand zu liefern. „Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Photovoltaik“, so oder ähnlich lautet die Antwort aller von der Redaktion befragten Großhändler und Systemanbieter. „LED und Wärmepumpen sind typische Beispiele für bereits besetzte Märkte“, erklärt Dursch. „Deshalb planen wir derzeit nicht, dort aktiv zu werden.“ Ähnlich sieht es Brunner. „Wir sind immer auf der Suche nach Neuem, jedoch innerhalb der Kernkompetenz Photovoltaik.“ Neue Produkte am Markt einzuführen, sei immer mit hohem Aufwand verbunden. „Deshalb prüfen wir alles auf Wirtschaftlichkeit und Marktfähigkeit und stimmen uns eng mit unseren Kunden ab, was wirklich benötigt wird. Eine Standard-Dachauslegung kann mittlerweile jeder Installateur erstellen, doch die neuen Themen bringen unseren Kunden einen Mehrwert. Deshalb ergänzen wir unser Standardangebot im Service durch neue innovative Tools“. Es gehe dabei immer darum, als Großhandel die Wettbewerbsfähigkeit der B2B-Kunden zu sichern. „LED-Technik wird fast schon inflationär von Photovoltaikunternehmen angeboten“ ergänzt Kahl. „Wir werden hier nicht einsteigen. Wärmepumpen und Solarthermie sind ebenso nicht in unserem Fokus. Wir vertreiben seit einiger Zeit Endkundenkontakte. Hiermit haben wir unseren Kunden die Möglichkeit gegeben, auch alternative Akquisitionsformen zu nutzen.“ Das Feedback sei sehr gut. Es zeigt, dass es auch für den Großhandel noch neue Geschäftsfelder gibt, mit denen sich innerhalb der Branche zusätzlich gutes Geld verdienen lässt.  (William Vorsatz)

Lesen Sie mehr in der aktuellen Printausgabe der photovoltaik. Sie erscheint morgen druckfrisch.