Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Mieterstrom verkommt zur Propaganda

Und plötzlich werden alle denkbaren demokratischen Spielregeln über den Haufen geworfen. Zwar gab es zum Gesetzentwurf aus dem zuständigen Ministerium eine Anhörung der zuständigen Verbände. Doch kein einziger Kritikpunkt wurde in den Entwurf für den Bundestag aufgenommen. Das Kabinett hat den Entwurf der Ministerialbeamten in seiner ersten Version durchgewinkt. Warum wurden die Verbände eigentlich um Stellungnahmen gebeten?

Das haben wir beim jüngsten EEG gesehen, beim KWK-Gesetz, nun auch beim Mieterstrom und etlichen anderen Vorhaben der rot-schwarzen Koalition: Statt Gesetze sorgfältig zu entwerfen und gemeinsam mit Experten der betroffenen Branchen abzuwägen, überhaupt erst tauglich für die praktische Anwendung zu machen, reproduziert die ministerielle Bürokratie immer neue Papiertiger. So werden auch die Hürden für Mieterstrom aus unerklärlichen Gründen hoch gehängt, wird der technische und administrative Aufwand solcher Projekte derart erhöht, dass man sich die Augen reibt. Wo liegt der Sinn?

Wir reden hier nicht vom Bau einer Panzerfabrik in der Türkei, wohlgemerkt. Hier geht es darum, Sonnenstrom für Millionen Mieter in Deutschland erschwinglich zu machen. Es geht darum, Millionen Dächer für die solare Energiewende zu nutzen. Das allein sollte rechtfertigen, die rechtlichen Fallstricke zu minimieren, anstatt sie zu maximieren.

Beinahe pflichtgemäß haben die Verbände den Kabinettsbeschluss gelobt, doch hinter vorgehaltener Hand macht bereits die Runde: Auch dieser Gesetzentwurf ist bürokratischer Murks. Der Bundestag degradiert sich selbst zum Schmierentheater, wenn er solche Gesetze absegnet. Doch offenbar wollen weder die Sozis noch die Christdemokraten, dass die Energiewende beim Wahlvolk ankommt.

Der Gesetzentwurf ist reine Propaganda, soll vor der Wahl gute Stimmung machen. Inhaltlich ist das geplante Gesetz schwachsinnig, die Sache wird verpuffen, da viel zu kompliziert und wirtschaftlich nicht attraktiv. Die geplante Förderung über eine zusätzliche Vergütung des Solarstroms ist viel zu gering, außerdem gibt es für staatliche Förderung überhaupt keinen Anlass. Dieses Modell treibt zudem die EEG-Umlage nach oben, was alle anderen Mieter zusätzlich belastet.

Der einzige vernünftige Weg führt über die Abschaffung der EEG-Umlage. Doch die rot-schwarzen Bürokraten klammern sich daran, weil an den Schalthebeln der Ministerien altgediente Kader der Energiekonzerne hocken. Weil so mancher Abgeordneter auf diesem Ticket fährt, und weil selbst grüne Staatssekretäre nicht von der Vorstellung lassen können, dass der Staat die Energiemärkte dirigiert. Das ist altes Denken, das stammt noch aus der Zeit von Werner Siemens und dem Anschlusszwang auf dem Jahr 1934, als die Großindustrie nach Starkstrom verlangte. Als Staat und Strom zusammengehörten, im Zeitalter von Kohle und Stahl.

Heute, in unserer modernen Welt, geht es um dezentralisierte Versorgungssysteme, die bereits wirtschaftlicher sind als die konventionellen Netzmodelle. Für Mieterstrom gibt es keine andere Konkurrenz als den Strom aus der Steckdose. Angesichts der Vorteile des Eigenverbrauchs ist er heute schon konkurrenzfähig, wenn man ihn nur lässt. Wir brauchen weniger Hürden, wir brauchen möglichst einfache Vermarktungsmodelle – nicht noch mehr Vorschriften und Paragrafen, die alles nur verkomplizieren.

Der eigentliche Skandal aber bleibt: Dass Mieter nach wie vor die volle EEG-Umlage zahlen müssen, während die Besitzer von Eigenheimen bis zehn Kilowatt ohne Umlage bauen dürfen. Man kann nur hoffen, dass sich eines Tages ein Gericht mit dieser Ungleichbehandlung befassen muss. Und wir bleiben dabei: Die EEG-Umlage als Ganzes gehört abgeschafft. Abgeschafft gehören auch die Privilegien für die sogenannten energieintensiven Unternehmen. Weiterhin dürfen sie auf Kosten der Mieter und aller anderen Betriebe bei der EEG-Umlage sparen, werden ausdrücklich für Energieverschwendung und Emissionen belohnt.

Das vorliegende Gesetz wird die solare Energiewende in den Städten eher verzögern als beflügeln. Ausdrücklich schließen wir uns dem Begrüßungsreigen nicht an. Es ist Murks, und es bleibt Murks. Auch wenn es vermutlich durchs Parlament gewunken wird.