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Nach uns die Sintflut?

Ob Sigmar Gabriel (SPD), ob Peter Altmaier (CDU): So parteienübergreifend wie die Minister im Bundeswirtschaftsministerium der Großen Regierungskoalition in Berlin, so groß und parteienübergreifend ist der Murks, den sie fabrizier(t)en. Das am Mittwochabend vorgelegte Energiesammelgesetz aus dem BMWi bremst die Energiewende auf unerhörte Weise aus. Ganz nebenbei ist es – einmal mehr – die Ausgeburt einer bürokratischen Megamaschine, weil es die Paragrafen etlicher Gesetze zur Energiewende und zum Strommarkt noch weiter vernebelt und verklausuliert.

Das perfekte Chaos

Man könnte sagen: Es macht das Chaos perfekt, auch wenn Chaos eigentlich niemals einen idealen Zustand annehmen kann – wenn man von der physikalischen Chaostheorie ausgeht. Bei den Chaostagen der Großen Koalition ist immer eine Steigerung möglich. Beispiel: der Referentenentwurf des Energiesammelgesetzes. So ein Pamphlet entsteht nicht innerhalb weniger Stunden, das muss Wochen oder Monate Vorlauf haben. Offensichtlich hat die Groko nur die Wahlen in Bayern und Hessen abgewartet, um die Wähler danach erneut über den Tisch zu ziehen. Da haben etliche Bürokratenhirne dran gehockt und gefeilt, so kompliziert und verschachtelt sind die Formulierungen.

Fazit: Das für die Energiewende zuständige Bundeswirtschaftsministerium setzt auch unter CDU-Minister Peter Altmaier die alte Linie fort, die es schon unter der FDP (Namen sind Schall und Rauch…) und unter Sigmar Gabriel (SPD) verfolgte: Mit allen Mitteln, mit Klauen und mit Zähnen wird die Energiewende verzögert, wird den Konzernen und den Übertragungsnetzbetreibern in die Tasche gewirtschaftet, soll Erdgas retten, was mit Uran und Braunkohle offenbar nicht mehr zu retten ist. KWK, also Gasmotoren für Wärme und Strom, sollen es nun richten. Fossile Brennstoffe sollen die Emissionen senken, soll der Teufel den Beelzebub vertreiben.

Parteiübergreifender Widerstand gegen die Photovoltaik

Der Widerstand gegen die Photovoltaik ist offenbar parteienübergreifend, ein stiller Konsens zwischen FDP (2012), SPD (2014) und CDU (2018). Bei diesen drei Parteien ist dieser Widerstand mit einem erstaunlichen Verrat an den Gründungsmythen ihrer politischen Banner verbunden.

Die Freidemokraten hatten sich einst dem freien Spiel der Marktkräfte verschrieben, sich als Partei der Unternehmer und Bürger empfohlen. Nun huldigen sie unverfroren dem Monopoly der Energiekonzerne und fordern die staatliche Strangulation jedweder sauberen und marktökonomischen Alternative. So wenig frei und so wenig demokratisch war die FDP noch nie.

RWE: Senkblei am Hals der Kommunen

Die Sozen sind auf engste und korrupteste Weise mit der ewiggestrigen Gewerkschaft für Bergbau und Energie versippt. Sie sitzen im selben Boot mit RWE. Etlichen Kommunen an Rhein und Ruhr hängen die Aktienpakete von RWE mittlerweile wie Senkblei um den Hals. Dortmund, der größte kommunale Anteilseigner des maroden Energiekonzerns, ist aufgrund der fehlenden Dividenden faktisch pleite. Mit Atommeilern und Kohleschloten lässt sich schlichtweg kein Geld mehr verdienen.

Doch statt den leckgeschlagenen Kahn mit erneuerbaren Energien in ruhigere Fahrwasser zu bringen, wird weiter mit Kohle und Uran gefeuert – bis zum Schiffbruch. Die Kapitäne in der Konzernzentrale von RWE in Essen verhalten sich wie die Reeder der Titanic: Sie sehen nicht einmal die Spitze des Eisbergs, und die Warnungen der Aktienmärkte werden ignoriert. Es bleibt dabei: Die Kohle wird weiter ausgebaggert, die Forsten weiter gerodet. Kein Kurswechsel in Sicht, bis zur finalen Katastrophe. RWE hat von Börsenanalysten mittlerweile den Status einer Bad Bank erhalten, da gehen bald die Lichter aus.

Konzepte von Annodazumal

Und die Sozen? Manche aus ihren Reihen rufen jetzt nach dem Ende der Groko, nach einer neuen SPD-Spitze, nach mehr „linker Politik“. Das tun sie aber nicht, weil sie erkannt haben, welcher Verrat an den Gründungsidealen mittlerweile auch in dieser Partei um sich gegriffen hat. Längst vergessen sind „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!“ Sie tun es, weil sie den Machtverlust fürchten, Angst um ihre Pöstchen haben. Auch das ist ein Reflex des bürokratischen Apparats, der das demokratische Leben in unserem Land wie Mehltau lähmt.

Der Ruf einiger SPD-Hinterbänkler nach mehr „linker Politik“ beweist nur, dass auch die Sozen keine Ideen mehr haben. Statt moderne Konzepte zu entwickeln, kehren sie in die Grabenkämpfe der Weimarer Republik zurück. Dass zigtausende Wähler zur AfD abwandern, will im Willy-Brandt-Haus niemand zur Kenntnis nehmen. Wir brauchen weder mehr linke, noch mehr rechte Politik. Was Deutschland braucht, ist moderne Politik im Hier und Jetzt. Die Gefahren des Klimawandels lassen sich nicht mit hölzernen Konzepten von Annodazumal lösen.

Die Bergpredigt vergessen

Und die so genannten christlichen Parteien, CDU und CSU? Sie haben ihren christlichen Auftrag – die Bergpredigt – schon lange hinter sich gelassen, gaben die Verantwortung für die Schöpfung kurzfristigen Interessen ihres Parteiapparats preis. Nicht einmal mehr ökonomische Expertise können CDU und CSU für sich in Anspruch nehmen. Diesen Rang haben ihnen die Grünen bereits abgelaufen. Denn die Energiewende, wie sie Peter Altmaier oder der wirtschaftspolitische Flügel der CDU derzeit propagieren, ist ein Anschlag auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und damit eine Gefahr für den Wohlstand und den sozialen Frieden in unserem Land.

Die Energiewende bietet den Unternehmen die kolossale Chance, ihre Betriebskosten zur Energieversorgung nachhaltig zu senken – durch Investitionen in Photovoltaik gekoppelt mit Brennstoffzellen oder klassischen KWK-Systemen. Die Wohnungsbaugenossenschaften könnten ihren Mietern deutlich geringere Energiekosten anbieten, wenn die Regierung die solare Energiewende nicht immer wieder behindern und verteuern würde.

Eine sinkende zweite Miete könnte den Anstieg der Kaltmieten in den Ballungsräumen dämpfen. Das wäre von enormer sozialer Bedeutung. Doch das neue Energiesammelgesetz macht beispielsweise dem Mieterstrom gänzlich den Garaus. Und es verzögert wieder wichtige Investitionen der Unternehmen in ihre Autarkie. Auf diese Weise werden enorme Chancen vertan, die regionale Wirtschaft – nicht zuletzt das installierende Handwerk – zu stärken.

Eine unheilvolle Allianz gegen den mündigen Bürger

Das ist politischer Wille, kein Ausrutscher der Bürokraten oder der Inkompetenz einzelner Entscheidungsträger. Die unheilvolle Allianz von SPD und CDU/CSU hat einen viel tiefer liegenden Grund: Mit der Eigenversorgung durch Sonnenstrom nabelt sich der Bürger vom Staat ab. Die Staatsbürokratie, das immer fettere und zahlreichere Heer von Beamten in den Kommunen, Ländern und beim Bund, wird in einem wesentlichen Bereich unserer Gesellschaft schlichtweg überflüssig. Dieser Dinosaurier ist vom Aussterben bedroht, dagegen wehrt er sich mit Händen und Füßen.

Welche Rolle die Grünen dabei spielen oder spielen könnten, ist noch nicht klar ersichtlich. Denn sie tragen nirgendwo Verantwortung. In Hessen machen sie vielleicht den Fehler, erneut eine CDU-Regierung an der Macht zu halten, anstatt auf Neuwahlen zu drängen. Dass die Energiewende eine Aufgabe staatlicher Obrigkeit sein soll, war unter BMWi-Staatssekretär Rainer Baake – gleichfalls ein Grüner – ebenso politische Linie wie unter seinem Nachfolger Thomas Bareiß (CDU). Ob die Grünen substantiell den Durchbruch für die Bürgerenergie schaffen, ist nicht ausgemacht.

Gesucht: die grüne Kanzlerin

Immerhin, es gibt Grund zur Hoffnung. Bisher haben die Grünen ihre Gründungsideale verteidigt: Wackersdorf, Wyhl, Gorleben, jetzt Hambach und Welzow – immer haben sie Farbe bekannt. Dass sie etwas von Wirtschaft verstehen, beweisen sie im Ländle. Vielleicht brauchen wir wirklich einen grünen Kanzler oder eine grüne Kanzlerin, bis sich die Dinge fundamental ändern.

Was vor wenigen Jahren undenkbar schien, ist nun nicht mehr unmöglich. Die Grünen gelten bei vielen Wählern als moderne Alternative zu den verstaubten Kneipenvereinen der alteingesessenen Parteien. Bei den Grünen sammelt sich das optimistische Potenzial dieser Gesellschaft, wie sich in der AfD die Enttäuschten aus den ehemaligen Volksparteien sammeln.

Überlasst die Sache den Bürgerinnen und Bürgern!

Fakt ist: Niemand müsste den Strommarkt regulieren, wenn man die Energiewende dem Bürger überlässt. Dem Bürger, der Eigentümer von Eigenheimen oder Mieter ist, Angestellter, Arbeiter oder Unternehmer. Windkraft und Photovoltaik sind mittlerweile konkurrenzfähig. Eine moderne Partei müsste lediglich die bürokratischen Hürden (EEG-Umlage, administrative Auflagen für den Anschluss) abbauen, um die Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen. Das wäre viel wichtiger, als sich weiter mit der Einspeisevergütung herumzuschlagen. Eigenverbrauch belohnen – ohne Wenn und Aber!

Dazu müsste man gleiche Netzanschlussbedingungen für alle schaffen. Dann könnte man ganze Abteilungen in den Verwaltungen des Bundes und der Länder schließen, weil der Staat in der Energieversorgung nichts mehr zu suchen hat. Die selbsttragende und selbstregulierende Versorgung durch dezentrale und saubere Energiequellen macht die Bürokratie obsolet. Das muss das Ziel sein: Der Staat schafft sich selber ab, und trotzdem geht das Licht nicht aus.

Die Leute sind ja nicht blöd

Was die politische Kaste eint, ist die Angst vorm mündigen Bürger. Ist die Angst, dass die Menschen in unserem Land ihre Stromversorgung selbst in die Hand nehmen. Das geschieht bereits, in großem Stil. Und dieser Prozess wird sich weiter beschleunigen, dank des so genannten Energiesammelgesetzes. Die Leute sind schließlich nicht blöd: „Man kann ein ganzes Volk eine Zeit lang belügen, Teile eines Volkes dauernd betrügen, aber nicht das ganze Volk dauernd belügen und betrügen.“ Dieses Zitat von Abraham Lincoln sollte sich Peter Altmaier hinter die Ohren schreiben.

Nichts hält den Lauf der Welt auf – weder SPD, noch CDU/CSU, auch das neue Gesetz nicht. Die Energiewende rollt. Doch einmal mehr sind wir als Branche gefordert. Nicht nur ökonomisch, mit intelligenten Geschäftsmodellen und kluger Technik. Auch und vor allem als politische und soziale Wesen, als Menschen, als Bürger dieses Landes. Offensichtlich gibt es keine Entwarnung, keinen Anlass, in unseren Anstrengungen nachzulassen. Auch gibt es keinen Grund, den Bettel hinzuwerfen. Nach uns die Sintflut – nicht mit uns!