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BIPV: Planungsfehler vermeiden

Sie haben schon viel Erfahrung mit der BIPV gesammelt. Wie hat sich denn in den letzten Jahren die Branche verändert und entwickelt?

Dieter Moor: Momentan erleben wir einen echten Boom der Photovoltaik allgemein. Davon profitiert auch die BIPV. Nachdem sich Modulhersteller und Fassadenbauer diesem Thema wieder stärker widmen, ist momentan im Vergleich zur Vergangenheit auch in der BIPV ein regelrechter Boom zu spüren. Neben der Tatsache, dass die Solarenergie derzeit stärker nachgefragt ist, liegt das auch an den ganzen Bauvorschriften und Solarverpflichtungen auch für Gebäude, ganz besonders in der Schweiz, aber auch in Österreich und Deutschland.

Dann ist die BIPV auf dem Weg aus der Nische heraus?

Sie entwickelt sich gut und wir müssen jetzt sehen, ob die derzeitige Welle wieder abflaut. Denn noch immer sind die Planer teilweise überfordert und brauchen dringend Informationen. Es gibt natürlich inzwischen jede Menge Informationen auf Webseiten, die sich mit der BIPV befassen, und auch Beratungsangebote wie das des BAIP vom Helmholtz-Zentrum Berlin oder andere Anlaufstellen bieten fundierte Erstinformationen. Doch noch immer steht die Frage im Raum, ob sich Architekten und Planer dem Aufwand stellen und die Photovoltaik in die Gebäudehülle bringen.

Aber wir müssen schon das Potenzial nutzen, um die Ausbauziele zu erreichen, oder?

Das schon. Aber es ist nicht notwendig, irgendwelche extrem komplizierten BIPV-Projekte umzusetzen, wie auf historischen Gebäuden oder Ähnlichem. Denn es sind noch viele andere Gebäude vorhanden. Und ich glaube, dass auch in der Renovierung des Bestands noch ein Riesenpotenzial steckt. Sicherlich ist das komplizierter als im Neubau. Aber wenn man in die Schweiz schaut, gibt es auch jede Menge Projekte, wo die BIPV im Bestand umgesetzt wurde.

Wird die Solarfassade dann ein Teil der modernen Architektur, im Vergleich zum klassischen Hausbau mit Putzfassade?

So einfach ist dies nicht. Denn auch die Architektur muss sich an die neuen Anforderungen heranarbeiten. Deshalb muss man das projektbezogen betrachten. Es gibt immer noch verschiedene Ansätze in der Architektur. So gibt es die Architekten, die die Solartechnik in der Fassade optisch sichtbar machen wollen und nicht vertuschen wollen, dass die Photovoltaik Teil der Fassade ist. Diese lehnen beispielsweise farbige Module ab, weil dies auch die Effizienz mindert. Doch auch andere Architekten, die die Photovoltaik nicht sichtbar machen wollen, müssen wir mitnehmen. Es ist immer besser, lieber eine Solarfassade zu bauen, die farbig ist und um zehn, 15 vielleicht sogar 20 Prozent weniger Ertrag liefert als gar keine Photovoltaikfassade zu bauen.

Die Solarindustrie öffnet ja beiden Architekturlinien die Möglichkeiten?

Alle Optionen sind vorhanden, ob es um ästhetische Varianten geht oder um vielleicht nicht so aufwendige und eher preislich orientierte Anlagen. Das hängt auch immer vom jeweiligen Gebäudetyp ab. Wenn es darum geht, mit großflächigen Anlagen einen hohen Strombedarf abzudecken, wie beispielsweise in Datencentern, sollten diese Gebäude nicht mit einer Trapezblechfassade verkleidet werden, sondern mit Solarmodulen.

Sie gehen mit dem neuen Unternehmen Arconsol aktiv auf Architekten zu. Wie reagieren diese, wenn Sie sie mit der BIPV konfrontieren?

Das hat sich im Vergleich zu früher komplett verändert. Jetzt sind sie viel offener, da sie nicht nur mit Blick auf die neuen Regularien, sondern auch aufgrund der Anforderungen von Kundenseite damit konfrontiert werden und dringend nach Lösungen suchen.

Welche Fragen kommen dann in den Gesprächen immer wieder auf?

Neben den Fragen nach den gestalterischen Möglichkeiten, der Wirtschaftlichkeit und der reibungslosen Abwicklung der BIPV-Projekte ist vor allem in Deutschland der Brandschutz derzeit ein präsentes Thema. Hier geht es um die Frage, wie BIPV-Module die Brandschutzanforderungen in hohen Gebäuden erfüllen können. Denn ab einer gewissen Höhe dürfen im Hochhaus keine Brandlasten mehr eingebracht werden. Dort müssen die Solarmodule dann die Brandschutzklasse A2 oder A1 erreichen, also nicht mehr brennbar sein.

Wo ist dabei die Herausforderung und wie kann ein Lösung aussehen?

Die Brandlast ist hauptsächlich in der Folie, in der die Solarzellen eingebettet sind. Hier kann es ­weiterhelfen, ganze Systeme zu prüfen und zu zertifizieren, also das Modul zusammen mit einer Montagekonstruktion. Es wäre durchaus möglich, statt massiver Brandriegel die wiederum die Hinterlüftung reduzieren, an der Unterkante des Moduls eine Schiene als Brandsperre einzufügen. Doch diese wäre dann in der Fassade sichtbar und das würde den optischen Anforderungen vieler Architekten widersprechen. Das fertige Konzept, das die Gesamt­investition nicht wieder verteuert, hat meines Wissens niemand in der Schublade.

Sie sprachen schon die reibungslose Abwicklung der Projekte an. Das ist ja auch die Schnittstelle, die Arconsol besetzen will. Wie kann diese ­gelingen?

Indem die BIPV schon in einem sehr frühen Stadium – am besten schon beim Entwurf – des gesamten Bauprojekts ansetzt und über den gesamten Bau- und Lebenszyklus des Gebäudes weitergeführt wird. Arconsol als Beratungsdienstleister besetzt genau diese Schnittstellen zwischen Architekt, Planer, Bauherr, Industrie und Handwerker. Das Ziel ist es, den Aufwand bei der Planung zu minimieren und teure Fehler oder Probleme in der späteren Bauausführung – oder noch schlimmer im Betrieb – zu vermeiden.

Wie muss ich mir das vorstellen?

Wenn der Architekt im Projekt mit der BIPV konfrontiert wird, muss er eine Lösung finden. Der gängige Weg führt über verschiedene Modulhersteller, die dann jeweils mit ihren eigenen Lösungen und Produkten planen. Von diesen kommt aber nur ­einer zum Zuge. Der Architekt hatte mit den Abfragen einen riesigen Aufwand und findet aber vielleicht noch nicht einmal die beste Lösung.

Welche Alternative bieten Sie?

Viele wissen nicht, dass es Hersteller gibt, die Module mit einer Länge von fünf Metern und mehr produzieren können oder verschiedene Drucktechnologien und Folienlösungen anbieten. Deshalb setzen wir einen Schritt vorher an. Wir definieren auf der Basis unserer Erfahrungen vorher die ästhetischen Vorstellungen, aber auch die Anforderungen hinsichtlich Energieertrag und Wirtschaftlichkeit und planen entsprechend produktneutral. Danach gehen wir mit einem fertigen Konzept in die Ausschreibung. Das ist schließlich viel weniger Aufwand.

Dann kommt es zu Detailplanung und Bauausführung. Welche Fehler werden da oft gemacht und wie können Sie weiterhelfen?

Da geht es letztlich um Schnittstellen und Zuständigkeiten der einzelnen Gewerke am Bau. Deshalb bietet Arconsol das Gesamtpaket von der Konzeptberatung bis zur Baustellenüberwachung an. Das macht sich für den Bauherrn bezahlt. Denn meist sind es nur kleine Fehler, die passieren, weil die einzelnen Gewerke und Lieferanten nicht zusammenarbeiten, die am Ende aber, schon allein aufgrund der Beweisführung, teuer werden können. Die Fachberatung stellt aber sicher, dass beispielsweise die Strings passend zur Verschattungssituation geplant und gebaut werden oder dass auch Wechselrichter eingeplant und die richtigen Inverter geliefert werden. Klingt komisch, ist aber alles schon passiert.

Das Ziel ist es also, dass am Ende eine sicher funktionierende Solaranlage die Fassade oder die Dachhaut bildet?

Da ist die Frage, wo ist das Ende? Dieses ist nicht der Bauabschluss oder die Übergabe an den Bauherrn. Hier muss auch der Anlagenbetrieb schon in der Planung und Bauausführung mitgedacht werden. Denn die Bauherren werden unzufrieden, wenn die Anlage im Laufe der Zeit nicht mehr die prognostizierten Erträge liefert, weil etwa Wasser auf den Modulen stehen bleibt und diese dadurch verschmutzen oder Module nicht ausgetauscht werden können oder weil die Anlagenwartung nicht eingepreist wurde.

Die Performance der Solaranlagen ist natürlich auch ein Bestandteil der Wirtschaftlichkeits­berechnung. Worauf muss dabei grundsätzlich geachtet werden?

Grundsätzlich geht es da um Amortisationsberechnungen, also in welchem Zeitraum spielt die Solarfassade den Mehraufwand durch die Photovoltaik wieder ein. Hier gibt es einen großen Unterschied, welchem konventionellen Fassadentyp die Solarfassade gegenübergestellt wird. Ist ein Wärmedämmverbundsystem geplant, das relativ preiswert ist, aber auch seine Nachteile hat, ist der Unterschied zwischen Putz- und Solarfassade recht groß. Bei einer hinterlüfteten Fassade, die vom System her schon höherwertig ist, ist der Unterschied zur Solarfassade nicht so groß. Denn hier ist die Unterkonstruktion ohnehin notwendig und der Unterschied ergibt sich dann nur noch zwischen den konventionellen und den solaraktiven Elementen sowie dem Zusatzaufwand für die elektrische Installation.

Wie bringen Sie hier Ihre langjährige Erfahrung ein?

Ich kann auf einen Erfahrungsschatz von ca. 2.000 Projekte zurückgreifen. Zu Beginn meiner Karriere durfte ich noch selbst Pläne zeichnen im Autocad. Die letzten Jahre war es dann auch viel Produktentwicklung und viel Projektgeschäft. Projekte bedeutet dann auch oft troubleshooting, und da möchte ich meinen Kunden einen Mehrwert bieten. Nämlich Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zum Beispiel bei den Amortisationszeiten, diese hängen auch davon ab, die richtigen Flächen am Gebäude zu aktivieren. Denn es nützt nichts, Gebäudeteile mit Solarelementen zu belegen, die überhaupt keine Sonne abbekommen. Dann ist es wichtig zu wissen, an welchen Stellen das Solarelement sinnvoll ist und wo es besser ist, mit Dummies zu arbeiten, also mit Fassadenelementen, die zwar aussehen wie die andere Photovoltaikmodule in der Fassade, aber keine solare Funktion haben und so auch den Rest der Anlage nicht negativ beeinflussen. Da könnte ich noch jede Menge mehr Themen aufzählen, aber dazu ist diese Interview vermutlich zu kurz.

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Im Interview

Foto: Dieter Moor/Arconsol

Dieter Moor

ist Geschäftsführer des BIPV-Beratungsunternehmens Arconsol. Zuvor war er über 15 Jahre bei Ertex Solar tätig, einem Modulhersteller, der sich auf Sonderanfertigungen spezialisiert hat. Hier hat er etwa 2.000 BIPV-Projekte umgesetzt.

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