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Schweiz

Bern meldet Rekordzubau

Die Schweiz sucht weiter nach neuen Wegen, um den Ausstoß von Kohlendioxid schnell zu reduzieren. Vor allem beim Heizen und in der Mobilität liegen wichtige Hebel, da die beiden Sektoren für rund die Hälfte der Kohlendioxidemissionen verantwortlich sind. Der erhöhte Schweizer Strombedarf kann zu einem Großteil aus Solarstrom gedeckt werden.

Hehre Ziele und die nächsten Schritte

Die Energieperspektiven 2050 plus des Bundesrats rechnen mit jährlich 34 Terawattstunden Solarstromproduktion bis 2050. Aus Sicht des Branchenverbands Swissolar sind gar 45 Terawattstunden erreichbar. Dafür muss der jährliche solare Zubau zügig um den Faktor drei bis vier gesteigert werden. Davon würde auch die Wirtschaft profitieren: Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) könnte eine Solaroffensive in den nächsten fünf Jahren rund 10.000 neue Jobs schaffen.

Nach der aktuellen Statistik Sonnenenergie für das Jahr 2020 ist der Photovoltaikzubau in der Schweiz gegenüber dem Vorjahr um 48 Prozent auf einen neuen Rekordwert von 493 Megawatt angestiegen. Insgesamt waren Ende 2020 Solarpanels mit einer Leistung von nahezu drei Gigawatt installiert, die 4,7 Prozent des Strombedarfs der Schweiz abdeckten.

Der Markt wuchs in allen Segmenten. Besonders hoch sind die Zuwächse demnach bei Anlagen auf Industrie- und Gewerbeanlagen sowie bei solaren Kraftwerken mit mehr als 100 Kilowatt. Die durchschnittliche Anlage verfügte über 24,5 Kilowatt Leistung, gegenüber 22,5 Kilowatt im Jahr 2018. Es zeigt sich ein klarer Trend zu größeren Anlagen in allen Kategorien.

Für das starke Marktwachstum ist demnach insbesondere die Verkürzung der Wartefrist bei der Einmalvergütung verantwortlich. Diese konnte auf wenige Monate reduziert werden.

Pandemie verstärkt Wunsch nach Autarkie

Die 2019 stärker ins Zentrum gerückte Klimakrise hat zudem vermutlich bei einigen Bauvorhaben die Integration von Solar vorangetrieben. Auch die Pandemie selbst hatte laut Swissolar Einfluss auf den solaren Zubau: Der Wunsch nach Autarkie nahm zu, viele fanden Zeit, um lange gehegte Ideen zu realisieren, und finanziell stand mangels anderer Möglichkeiten zum Geldausgeben mehr Kapital zur Verfügung. Ob diese Effekte im laufenden Jahr weiterhin wirksam sind, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

Der neue Swissolar-Präsident Jürg Grossen von der Grünliberalen Partei Schweiz (GLP) betont, dass der solare Ausbau in der Schweiz vorwiegend auf Dächern und an Fassaden von Gebäuden stattfinden muss. Nach einer neuen Auswertung von Swissolar bergen kleinere und mittlere Anlagen von unter 150 Quadratmetern auf den Dächern von Ein- und Mehrfamilienhäusern fast die Hälfte des einfach zu erschließenden Solarpotenzials.

Im ehemaligen Steinbruch Calinis in Felsberg produziert die größte Freiflächenanlage seit Sommer 2020 Solarstrom.

Foto: Eric Bush

Im ehemaligen Steinbruch Calinis in Felsberg produziert die größte Freiflächenanlage seit Sommer 2020 Solarstrom.

Alpinsolar: die solare Staumauer

Deshalb brauche es gerade in diesem Segment Investitionssicherheit. Hilfreich wäre ein minimaler Rückliefertarif von zehn Rappen pro Kilowattstunde, wie ihn kürzlich der Verband unabhängiger Energieerzeuger vorgeschlagen hat. Mittelfristig wird auch die Winterproduktion von Strom wichtiger. Alpine Solaranlagen haben eine deutlich höhere Winterproduktion als solche im Mittelland. Das zeigt unter anderem das aktuelle Projekt Alpinsolar von Axpo am Muttsee, über das photovoltaik bereits in der Ausgabe 03/2021 berichtete.

In der Schweizer Politik bewegt sich einiges in die richtige Richtung: Mit dem vom Bundesrat vorgestellten „Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien“ soll mittels Anpassung der Förderung und mit Änderungen im Strommarkt ein jährlicher Solarstromausbau von 700 Megawatt erreicht werden. Immerhin ist das fast eine Verdoppelung des heutigen Zubaus, wenn auch noch nicht genug.

Aus Sicht von Swissolar bedarf es allerdings noch einer Anpassung seitens des Schweizer Parlaments. Mit der Änderung der Förderpolitik weg von der kostendeckenden Einspeisevergütung, kurz KEV, zur Einmalvergütung ist auf dem Schweizer Markt ab 2014 eine Stagnation eingetreten.

Einmalvergütung statt KEV

Bis jetzt habe sich der Markt noch nicht wirklich erholt, berichtet Thomas Nordmann. Er ist Solarpionier der ersten Stunde und Inhaber der Beratung TNC. „Mit der etwas komplizierten Form der Refinanzierung über Einmalvergütung, Anrechnung Eigenverbrauch und Verkauf von Überschussstrom muss ein bereits funktionierendes Geschäftsmodell zuerst noch gefunden und etabliert werden.“

Allerdings habe der private Einfamilienhausmarkt diesen Übergang bei der Förderung relativ gut bestanden. Der Investor profitiere nun direkt bei seiner Neuanlage vom Eigenverbrauch, erklärt Nordmann. „Im viel wichtigeren Markt der Mehrfamilienhäuser oder der kombinierten Nutzung von Gewerbe und Wohnen muss ein stabiles Marktsegment zuerst noch aufgebaut werden.“

Die neue Möglichkeit der Eigenverbrauchsgemeinschaft, also der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch ZEV, sei im Grundsatz attraktiv, werde aber in der Umsetzung zum Teil von der Elektrizitätswirtschaft bekämpft. „Man darf für die Zukunft aber davon ausgehen, dass dieses Marktsegment der Eigenverbrauchsgemeinschaft nicht nur im einzelnen Mehrfamilienhaus, sondern im ganzen Areal ein wichtiger Träger des Schweizer Photovoltaikmarktes sein wird.“

Schwimmende Solarparks auf Alpenseen

Das Marktsegment der frei stehenden Solarstromanlagen verfügt bisher über keine praktikable Refinanzierung, da die Option des Eigenverbrauchs fehlt. Wegen der beschränkten Landressourcen kommen praktisch ausschließlich Kombinationen mit Schallschutz, Verkehrswege, Stellflächen an Verkehrswegen oder die Kombination mit Wasserkraftwerken in den Alpen infrage, berichtet Nordmann. Bei Letzterem bieten sich die Staumauern wie bei Alpinsolar oder auch schwimmende Strukturen an.

Die große Herausforderung für die Schweiz ist es, die Stromlücke im Winter zu schließen. „Im Gegensatz zu Deutschland ist die Anwendung der Windenergie quantitativ unbedeutend. Die meisten Projekte werden durch Einsprachen der Umweltschützer verzögert oder gar verhindert“, weiß Berater Nordmann.

Aus der Pionierzeit der Photovoltaik bestehe immer noch das Bedürfnis, Anlagen mit 30 Grad Anstellwinkel nach Süden auszurichten. Besser wäre es, vertikale Flächen nach Osten, Süden oder Westen zum Teil mit bifa­zialen Modulen zu realisieren. Das steigert den Winterertrag von 25 bis 40 Prozent bei gleichzeitiger Reduktion des Jahresertrages um 20 bis 30 Prozent. „Für die Versorgungssicherheit müssen wir uns an der Knappheit der Versorgung orientieren“, sagt Nordmann. „Als zusätzliches Hindernis müssen wir den Verhandlungsabbruch zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der EU für einen politischen Rahmenvertrag berücksichtigen.“

Damit sei der unterschriftsreife Stromvertrag zwischen der EU und der Schweiz hinfällig. Gegenseitige Kooperation und Solidarität werden schwierig oder unmöglich. „Und dies, obwohl die Schweiz Wiege und Drehscheibe der europäischen Entwicklung für ein kontinentales Versorgungsnetz war“, meint Pionier Nordmann.

Die Schweiz besitzt wahrscheinlich zusammen mit Norwegen die größte elektrische Batterie mit einer saisonalen elektrischen Speicherkapazität von etwa sechs Terawattstunden. Zusätzlich erlaubt die installierte Leistung von 2,5 Gigawatt bei Pumpspeichern die kurzfristige Intervention bei Versorgungsengpässen im 24-Stunden-Gang.

Batteriespeicher legen kräftig zu

Bei elektrischen Stromspeichern gibt es zudem einen Fortschritt zu verzeichnen. Der Einbau von Batterien in Kombination mit Photovoltaikanlagen wird in der Schweiz nicht gefördert. Trotzdem wurden rund 27 Prozent der Solaranlagen, die 2020 neu installiert wurden, mit einem lokalen Batteriespeicher errichtet. „Für den Investor ist es attraktiv, solange er den Stromspeicher nur für seinen Eigenbedarf einsetzt. Damit entfällt das Netzentgelt, das die Hälfte der Energiekosten ausmacht“, berichtet Nordmann.

„Wie weit kann die Photovoltaik also die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke ergänzen?“, fragt Nordmann. Das Geschäftsmodell der Pumpspeicher habe sich in den letzten Jahren verändert. Grundsätzlich angedacht war der Bezug von günstigem Nachtstrom, meist aus Frankreich, um diesen nach zwölf Stunden nach Norditalien zu verkaufen. Heute haben die Schweizer Pumpspeicherkraftwerke wegen des Marktgeschehens eine Produktionsspitze am Morgen und am Abend. Energieexperte Nordmann weiß: „Im Tagesverlauf kann nun die Photovoltaik hier die Spitzendeckung übernehmen und die Wasserbevorratung im Pumpspeicher bestehen ­lassen.“

Laut der aktuellen Statistik Sonnenenergie hat der Photovoltaikmarkt um 50 Prozent zugelegt.

Foto: Swissolar

Laut der aktuellen Statistik Sonnenenergie hat der Photovoltaikmarkt um 50 Prozent zugelegt.

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