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Photovoltaik schlägt Wellen

Ein neuer Trend geht um in Europa – und sogar auf der ganzen Welt. Wasserflächen sind ein neues Standbein für die Branche; gerade in Asien sind schon viele Megawatt Solarpower auf das nasse Element gebaut worden. Aber auch in Europa werden immer mehr Projekte entwickelt – allen voran in Frankreich und den Niederlanden.

Nur acht Wochen brauchte Projektierer Baywa r.e., um den bisher größten schwimmenden Solarpark Europas zu realisieren. Nach der Fertigstellung werde die Anlage in Bomhofsplas bei Zwolle in den Niederlanden mit 27,4 Megawatt Leistung die weltweit größte schwimmende Solaranlage außerhalb Chinas sein, bestätigt Baywa.

Dafür werden auf dem Baggersee rund 73.000 Module, 13 schwimmende Transformatoren und 338 Wechselrichter verbaut. Nach Bauabschluss wird Bomhofsplas der vierte schwimmende Solarpark sein, den Baywa r.e. innerhalb von eineinhalb Jahren gebaut hat. „In den vergangenen eineinhalb Jahren haben wir schwimmende Solaranlagen mit einer installierten Leistung von über 25 Megawatt realisiert, zuletzt wurde ein Megawatt pro Tag aufgebaut“, sagt Benedikt Ortmann. Er ist Global Director of Solar Projects bei der Baywa r.e.

Das Kraftwerk liefert rund 800.000 Kilowattstunden Strom aus einer Fläche von 2.240 Quadratmetern.

Foto: Romande Energie

Das Kraftwerk liefert rund 800.000 Kilowattstunden Strom aus einer Fläche von 2.240 Quadratmetern.

Das Wasser kühlt die Module

Hinzu kommt: Die Baustelle sei aufgrund der genutzten Elektrogeräte sowie Werkzeuge und Elektroboote, die über den ersten Teil des Solarparks und eine Batterie mit 600 Kilowatt vor Ort aufgeladen werden, weitestgehend autark und klimaneutral.

Neben der Nutzung von ungenutzten Flächen und den neuen Möglichkeiten, die sich für Besitzer künstlicher Gewässer ergeben, haben schwimmende Solaranlagen noch weitere Vorteile gegenüber Freiflächenanlagen. Dazu gehören eine einfachere Installation, höhere potenzielle Erträge dank des Kühlungseffektes des Wassers sowie niedrigere Betriebs- und Wartungskosten.

Im Schweizer Stausee Lac des Toules haben Romande Energie und Montagesystemhersteller K2 Systems nach eigenen Angaben das erste schwimmende Solarkraftwerk im Gebirge gebaut.

Via Helikopter wurden 36 Plattformen vom Land in den See transportiert. Das Kraftwerk liefert rund 800.000 Kilowattstunden Strom aus einer Fläche von 2.240 Quadratmetern. Und in Deutschland?

Weniger Landnutzungskonflikte

Hier findet das Thema zuerst noch in kleineren Pilotanlagen für den Eigenverbrauch statt. In Renchen in Baden-Württemberg errichtet ein Kieswerkbetreiber gemeinsam mit Erdgas Südwest eine schwimmende Photovoltaikanlage mit 750 Kilowatt Leistung.

Aber das Potenzial für mehr Floating PV ist riesig: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE aus Freiburg hat im Auftrag von Baywa r.e. Anfang 2020 das Potenzial für schwimmende Solarkaftwerke auf Tagebauseen in Deutschland genauer errechnet. Dafür ließen sich die Hinterlassenschaften der Braunkohle gut nutzen. Sogenannte Floating-PV-Anlagen auf künstlichen Seen können dazu beitragen, Landnutzungskonflikte für den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland zu entschärfen.

2,7 Gigawatt Potenzial

Seen sind ein durchaus idealer Ort für Solar­strom­anlagen. Das technische Potenzial auf Tagebauseen in früheren Braunkohlerevieren in Deutschland wird in der Studie auf insgesamt 56 Gigawatt geschätzt.

Nach Abzug von geschätzten Flächen für Freizeitaktivitäten, Tourismus, Natur- und Landschaftsschutz verbleibt ein wirtschaftliches Potenzial von 2,7 Gigawatt. „Schwimmende PV-Kraftwerke sind ein relativ neues Konzept für die Nutzung von Photovoltaik, für das jedoch weltweit ein großes Stromerzeugungspotenzial besteht“, sagt ISE-Chef Andreas Bett. Für das Gelingen der Energiewende wird in Deutschland – je nach Szenario – ein Photovoltaikausbau von bis zu 500 Gigawatt benötigt.

Die Anlage Bomhofsplas in den Niederlanden leistet 27,4 Megawatt.

Foto: Baywa r.e.

Die Anlage Bomhofsplas in den Niederlanden leistet 27,4 Megawatt.

Tagebaue sind schon am Netz

Aufgrund der begrenzten landwirtschaftlichen Nutzfläche müssen landneutrale Lösungen entwickelt werden. Floating PV erreicht eine hohe Flächennutzungseffizienz von rund 1,3 Megawatt installierter Leistung je Hektar. Durch die Montage über Wasser wird ein etwas höherer Ertrag aufgrund geringerer Betriebstemperaturen erzielt.

Montiert werden die Module und in den meisten Fällen auch die Wechselrichter auf Schwimmkörpern, die je nach Lösung am Ufer oder im Seegrund verankert wurden. Tagebaue sind insofern gut geeignet, da sie netztechnisch bereits gut erschlossen sind.

500 Seen mit mehr als 47.000 Hektar

Ist eine Verankerung an Land nicht möglich, können klassische Schiffsanker zum Einsatz kommen, was je nach Seetiefe allerdings zu Mehrkosten führt. Die Stromgestehungskosten von Floating-PV-Anlagen liegen im Schnitt um zehn bis 15 Prozent über denen von herkömmlichen Freiflächenanlagen.

Durch den Braunkohletagebau entstanden in Deutschland knapp 500 Tagebauseen mit einer Gesamtfläche von 47.251 Hektar. Fast jeder dritte davon in Brandenburg und ebenfalls knapp 30 Prozent in Sachsen-Anhalt sowie gut 15 Prozent in Sachsen.

Da es viele ungenutzte Wasserflächen gibt, die mit Solaranlagen bestückt werden könnten, müssten überhaupt keine Gewässer mit Freizeitwert zum Schwimmen und Baden oder einer landschaftlichen Bedeutung umgestaltet werden. Interessenkonflikte mit den bisherigen Nutzern sollten sich so vermeiden lassen.

Was haben Seebesitzer davon?

Die größten Potenziale für Floating PV liegen in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier. Andere künstliche Gewässer sowie die natürlichen Standgewässer wurden in der Studie nicht berücksichtigt, sodass von einem insgesamt deutlich größeren Potenzial auszugehen ist.

In Deutschland gibt es 4.474 künstliche Standgewässer, die meist aus dem Tagebau für Baumaterialien entstanden sind. So gibt es 725 Baggerseen und 354 Kiesseen, der Anteil der Seen aus dem Braunkohleabbau liegt nur bei 12,9 Prozent.

Seebesitzer können zusätzlich Einnahmen generieren, wo früher allenfalls Kosten entstanden sind. Sie werden durch Kauf oder Leasing Eigentümer des schwimmenden Systems. Den erzeugten Strom können sie für den eigenen Bedarf nutzen und so die Stromkosten langfristig gegen Erhöhungen absichern und mögliche Abgaben für Kohlendioxid vermeiden. Die Anlagenbesitzer können den Strom auch selbst vermarkten.

Betreiber von Wasserkraftanlagen profitieren somit sogar doppelt von der Wasserressource. Tagsüber, bei Sonneneinstrahlung, liefert die schwimmende Solaranlage den Strom, und bei geringer Einstrahlung oder nachts produziert die Wasserkraftanlage den Strom.

Weitere Vorteile für Seebesitzer sind die geringere Verdunstung aus der Wasserfläche und die Möglichkeit, bereits vorhandene Netzanschlüsse zu nutzen, wodurch die Kosten der schwimmenden Solaranlage gesenkt werden.

Neuland wirft Fragen auf

Die Floating PV wirft einige Fragen auf, weil viele, die vielleicht schon Solaranlagen gebaut haben, noch keine Erfahrungen auf dem Wasser gemacht haben. Der Projektierer Baywa hat bislang keine negativen Auswirkungen auf Flora und Fauna der Gewässer festgestellt. Bei ihrer Pilotanlage in den Niederlanden hätten die Techniker bereits beobachten können, wie Vögel in unmittelbarer Nähe der Anlage rasteten und keinerlei Beeinträchtigungen zeigten. Qualitative und quantitative Studien seien derzeit in Arbeit.

Schwimmende Solarparks bieten vielfältige Möglichkeiten, um ungenutzte Gewässer mehrfach und damit wirtschaftlicher zu betreiben. In Betracht kommen Stauseen, Fischzuchtgewässer oder Seen auf ehemaligen Braunkohletagebauen.

Termin vor Ort: Pressesprecher Felix Gmelin von Baywa r.e. legt tatkräftig selbst mit Hand an.

Foto: Niels H. Petersen

Termin vor Ort: Pressesprecher Felix Gmelin von Baywa r.e. legt tatkräftig selbst mit Hand an.

Stromerzeugung auf dem Wasser

Das von Baywa und Zimmermann PV-Stahlbau eigens entwickelte System Zim Float ermöglicht laut Hersteller eine maximale Wasserbewegung unterhalb des Systems. Aufgrund der moderaten Beschattung durch die Installation rechnet der Projektierer sogar mit einer geringeren Algenbildung.

Einige Algenarten benötigen für ihr Wachstum viel Licht, sodass diese Arten zurückgehen könnten. Andere Arten wiederum gedeihen vor allem im Schatten.

Spezielle Glas-Glas-Module

Die speziellen Glasmodule des Systems seien jedoch sehr lichtdurchlässig und gewährleisteten eine allenfalls moderate Schattenbildung – ideale Bedingungen, um einem übermäßigen Wachstum beider Algenarten vorzubeugen.

Die Sicherheit der Anlage mag vielen in Zusammenhang mit Strom und Wasser in den Sinn kommen. Die Floating-Anlagen von Baywa beispielsweise erfüllen sämtliche Vorschriften im Zusammenhang mit dem Bau elektrischer Systeme.

Dank einer abgestimmten Erdungsanlage ist das System vor möglichen elektrischen Störungen geschützt. Zudem werden die Systeme durch den unabhängigen Branchenverband VDE geprüft und zertifiziert.

Die gesamte Verkabelung außerhalb des Wassers ist deshalb in der Unterkonstruktion verbaut. Die Kabel sind so vor der Sonne geschützt und haben allenfalls minimalen Wasserkontakt. Dadurch werde auch die Wartung der Installation vereinfacht.

Recycelbar und UV-beständig

Die Unterkonstruktion hat die gleiche Stabilität wie bei Freiflächenanlagen. Die Schwimmpontons bestehen aus HDPE. Ein Material, das seit vielen Jahren im Offshore-Bereich, beispielsweise in Häfen oder beim Bau schwimmender Plattformen, zum Einsatz kommt. „Die Schwimmkörper sind zweischichtig aufgebaut“, berichtet Experte Edgar Gimbel, technischer Leiter der Konzernsparte Baywa r.e. Solar Projects.

Die innere Schicht werde sogar aus recycelbarem Material hergestellt, die äußere Schicht bestehe aus Material mit erhöhter UV-Beständigkeit. Dadurch ergebe sich eine lange Lebensdauer. „Die Pontons halten auch stärkeren Kräften stand, weshalb ein Zufrieren der Wasseroberfläche kein Problem darstellt“, erklärt Gimbel. Schnee- und Eisbildung sowie Brandgefahr, Druck und UV-Einstrahlung wurden lange vor dem Bau in den Niederlanden analysiert.

Somit war das Neuland auf dem Wasser nicht ganz so unbekannt. Nach den ersten Pilotanlagen dürfte sich nun sehr schnell ein neues Marktsegment entwickeln.

Arbeiter bauen ein Solarschiff auf die Schienenführung. So können sie es leichter ins Wasser schieben.

Foto: Niels H. Petersen

Arbeiter bauen ein Solarschiff auf die Schienenführung. So können sie es leichter ins Wasser schieben.

Belectric

Israel bekommt schwimmenden Solarpark

Im Auftrag von Nofar Energies baute der Projektierer Belectric aus Bayern eine schwimmende Solarstromanlage auf einem Wasserreservoir nahe dem Kibbuz Emek Izrael. Das Kraftwerk auf dem Wasser im Norden Israels leistet 480 Kilowatt.

Der Aufbau der schwimmenden Anlage, englisch Floating PV genannt, ähnelt den Kraftwerken an Land, allerdings musste jedes der 1.300 Module und die Generatoranschlusskästen einzeln auf einer schwimmenden Plattform montiert werden. Die Module produzieren Gleichstrom, der in den Generatoranschlusskästen gebündelt und vom Wechselrichter zu Wechselstrom umgewandelt wird.

Die Photovoltaikanlage ist durch Seekabel mit dem Ufer verbunden. Ein System aus Ankern und Vertäuungen sorgt dafür, dass das schwimmende Kraftwerk in Position gehalten wird. „Der größte Vorteil der Floating PV im Vergleich zu herkömmlichen Solarkraftwerken ist, dass kein Bauland erworben oder gepachtet und für die Kraftwerkstechnik vorbereitet werden muss“, erklärt Anna Velikansky, Chefin von Belectric in Israel. „Außerdem werden die Solarmodule durch das Wasser automatisch gekühlt, sodass die schwimmenden Kraftwerke eine höhere Effizienz aufweisen können als jene an Land.“

Foto: Nofar Energies

Erdgas Südwest

Sonnenstrom für die Bagger

Auf dem Baggersee Maiwald in der Gemeinde Renchen in Baden-Württemberg errichtet der Kieswerkbetreiber gemeinsam mit Erdgas Südwest eine schwimmende Photovoltaikanlage. Nur zwei Prozent der Seefläche werden von den Modulen bedeckt, und doch liefert die Anlage mit 750 Kilowatt Leistung rund 750.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Kieswerksbetreiber Armin Ossola entwickelte die Idee des klimaneutralen Kiesabbaus gemeinsam mit Erdgas Südwest. Die Bagger, Brecher und Förderbänder verbrauchen viel Strom. Diesen erzeugt Ossola seit dem Sommer 2019 selbst, zu zwei Dritteln will er den Strom aus der Anlage selbst vor Ort verbrauchen.

Für Erdgas Südwest soll diese Anlage nicht die letzte sein. Im Fokus stehen weitere Baggerseen, die noch in Betrieb sind. Die Anlagen konkurrieren nicht mit einer anderen Nutzung. Außerdem passen Produktion und Verbrauch zeitlich perfekt zusammen. Durch die kühlende Wirkung des Wassers erwarten die beiden Kooperationspartner sogar Mehrerträge von rund zehn Prozent.

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