Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

EEG 2021: Blauer Dunst aus Wasserstoff

Wasserstoff ist die neue Wundersubstanz: Wasserstoff wird der neue Wirtschaftsmotor, prophezeit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Deutschland braucht eine Strategie für Wasserstoff, tönt der Mann in schöner Regelmäßigkeit. Wasserstoff ist sein neues Lieblingsprojekt, so will er sich in den Medien sehen: als Visionär, als oberster Stratege einer schönen, neuen Wirtschaftswelt.

Wasserstoff von oben verordnet, mit Milliarden gefördert: Das ist Knallgas für die Knalltüten im Ministerium. Denn ohne den Ausbau der erneuerbaren Energien – Sonnenstrom und Windstrom – bleibt die ganze, schöne Wasserstoffstrategie im Ansatz stecken. Woher soll der Strom denn kommen, den wir in grünem Wasserstoff speichern wollen?

Phantasmagorie nennt man, wenn der Öffentlichkeit ein Trugbild präsentiert wird, ein Luftschloss, eine Weißer Elefant – oder einfach blauer Dunst. Blauer Dunst wie blauer Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnen werden soll. Das ist ein Trick der Gaslobby, die im Ministerium bis zum Staatssekretär fest verankert ist. Es geht gar nicht um Ökostrom. Es geht um blauen Dunst, der die Hirne der Energiekunden und Wähler vernebelt.

Sonnenstrom als Mikrowelle zur Erde

Das kennen wir doch, das hatten wir schon mehrfach! Kaum jemand erinnert sich an das Megaprojekt von MBB (Messerschmitt-Bölkow-Blohm), das Mitte der 1970er Jahre propagiert wurde: Damals sollte Sonnenstrom im Weltall mit Hilfe von riesigen, im Orbit schwebenden Photovoltaikfeldern erzeugt und als gebündelte Mikrowellen zur Erde geschickt werden.

Das klang fantastisch, wie Jules Verne, Star Wars und Raumschiff Enterprise zusammen, und es machte Milliarden für die Raumfahrt locker, für neue Satelliten und Forschungsprojekte, die im Grenzbereich zwischen ziviler und militärischer Nutzung angesiedelt waren. Ein Riesen-PR-Gag für MBB und Bayern, dem Sitz dieser Industrie. Franz-Josef Strauß rieb sich die Hände: Eine echte Nebelbombe: blauer Dunst.

Desertec ging sang- und klanglos unter

Eine ähnliche Phantasmagorie ließen Forscher, Ingenieure und Politiker im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums steigen: Die Rede war von gewaltigen solarthermischen Kraftwerken, deren Strom per Stromtrassen über Marokko und Spanien bis nach Deutschland geleitet werden sollte.

Sang- und klanglos ging das Projekt unter, am Ende wurden wenigstens einige photovoltaische Anlagen gebaut, für die Versorgung der stromhungrigen Industrien in Marokko und Ägypten. Auch die solarthermischen Prototypen, die mit viel Knete aus der Entwicklungshilfe in die Wüste gesetzt wurden, helfen vor allem der regionalen Stromversorgung – so weit, so gut.

Träume der Heuschrecken

Bei solchen Großprojekten geht es vor allem um große Budgets: MBB war die Speerspitze der deutschen Rüstungsindustrie. An Desertec wollte vor allem Siemens verdienen. Niemand fragt, was aus den Milliarden für MBB und Desertec geworden ist – vermutlich verdunstet. Nun träumen die Beamten im BMWi von Wasserstoff im großen Stil. Genauer gesagt, vom Wasserstoff aus der Wüste.

Er soll dann vermutlich mit Luftschiffen nach Europa gelangen, oder eisgekühlt in riesigen Tankern, ein bisschen wie das feine Öl von den Saudis – nur mit noch höherem Aufwand, noch höheren Risiken und noch höheren Kosten.

Ein Verfechter dieser Idee im Wirtschaftsflügel der CDU ist Fritze Merz, der vielleicht bald die Oberheuschrecke in der Union gibt. Merz, bester Mann beim Finanzinvestor Blackrock, braucht solche Nebelbomben, um möglichst viel Geld aus der Staatskasse zu pressen und auf private Konten umzuleiten. Er faselt von Technologie und meint Kapitalströme. Damit hat er die Junge Union umgedreht, die jungen Heuschrecken, mit glänzenden Dollarzeichen in den Augen.

Wasserstoff kommt im EEG 2021 nicht vor

Bundeswirtschaftsminister Altmaier reiht sich in diesen Chor ein, hängt diesen Hirngespinsten leichfalls nach. Oder was meint er, wenn er über Wasserstoff plaudert? Das von ihm vorgelegte EEG 2021 erhöht die Hindernisse für sauberen Strom aus Deutschland. Wasserstoff kommt im Gesetz überhaupt nicht vor. Faselt der Mann nicht überall von seiner Wasserstoffstrategie? Sind das etwa Fake News?

Machen wir uns nichts vor: Wenn die Investoren und Betreiber von modernen Power2Gas-Anlagen ähnlich abgestraft werden, wie die Anbieter und Betreiber von Lithiumspeichern, dann wird es ohnehin nix mit dem grünen Speichergas. Dann bleibt Wasserstoff blauer Dunst, und Deutschland verpasst wieder einmal eine neue Technologie. Offenbar ist das gewollt.

Nur lokale Kreisläufe erlauben Geschäftsmodelle

Doch die Sache hat einen Haken: Wasserstoff als saisonaler Speicher für sauberen Strom macht nur Sinn – ökonomisch wie ökologisch – wenn er aus solarem oder Windstrom stammt, der in der Nähe der Energieverbraucher erzeugt, als Gas vorgehalten und rückverstromt wird. Nur dann sind wirtschaftliche Kreisläufe und Geschäftsmodelle überhaupt möglich.

Andernfalls hätten wir die Wasserstoffwirtschaft ja schon. Denn Wasserstoff ist keine neue Erfindung. Seit Jahrzehnten wird er als Kraftstoff für saubere Gasmotoren und als Futter für Brennstoffzellen erprobt. Er kommt nicht über die Prototypen hinaus, weil eine Infrastruktur für Wasserstoff – ähnlich wie bei Benzin oder Diesel – unbezahlbar ist.

Alle Träume von großen Verteilnetzen für Wasserstoff werden sich als Schäume erweisen – wie bei MBB, wie bei Desertec. Stets war es der kostspielige Transport der Energie über astronomische oder interkontinentale Entfernungen, der die hochfliegenden Ideen auf dem Bauch landen ließ – auf dem Bauch der ökonomischen Realitäten.

Die Chinesen haben es erkannt

Stattdessen trabt die CDU überkommenen Luftschlössern einer Fernversorgung Europas durch die Araber und die Russen hinterher, will Erdöl und Erdgas aus der Fremde einfach nur durch Wasserstoff ersetzen. Diese einfältige Logik hat schon zu Zeiten von Desertec nicht funktioniert, das klappt heute erst recht nicht. Es beweist einmal mehr: Wirtschaftlicher Sachverstand ist in den Reihen der Union zum raren Gut verkommen.

Die Coronapandemie hat verdeutlicht, auch wenn sie diesen Trend nicht ausgelöst hat: Regional starke Kreisläufe und Wertschöpfungsketten sind gut gegen die Unwägbarkeiten globaler Risiken imprägniert – besser als interkontinentale Lieferketten.

Die Chinesen haben das erkannt. Sie wollen nun ihre inneren Wirtschaftskreisläufe stärken, um sich von Importen – und außenpolitischem Druck – zu lösen. Denn freilich wird dieser Trend in China durch den Zollkrieg mit den Vereinigten Staaten verschärft.

Die Lehren aus der Krise

Moderne Wirtschaftspolitiker tun gut daran, solche Trends zu analysieren und zu verstehen. Peter Altmaier und Fritze Merz können damit nichts anfangen. Der Politbeamte Altmaier ist thematisch völlig überfordert. Und die Heuschrecke von Blackrock ist dringend auf internationale Ströme von Waren und Kapital angewiesen. Solche üblen Finanzhaie brauchen Ozeane, um Beute zu schnappen. In kleinen Seen oder Teichen geht ihnen sehr schnell die Luft aus.

Für ein Industrieland wie unseres gibt es nur einen Weg, den Wohlstand nachhaltig und sauber zu sichern: Die erneuerbaren Energien müssen so schnell es geht ausgebaut werden. Nicht 65 Prozent bis 2030, sondern 100 Prozent! Es gibt weder technische, noch ökonomische Gründe, die Energiewende weiter zu bremsen.

Im Gegenteil: Wer von grünem Wasserstoff schwärmt und nicht nur blauen Dunst daherredet, braucht die Photovoltaik und braucht die Windkraft im großen Stil. Das muss ins EEG – und zwar jetzt!