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Kleinwindmarkt

„Kleinwind auf dem Balkon fragwürdig“

Wie ist das Jahr 2022 für die Kleinwindbranche gelaufen und wie viele neue Anlagen wurden in Deutschland installiert?

Patrick Jüttemann: Insgesamt hat sich das Interesse für kleine Windkraftanlagen zur Selbstversorgung im Jahr 2022 deutlich gesteigert. Viele wollen sich aus bekannten Gründen auf einmal selbst mit Strom versorgen. Bei der Gefahr ausbleibender Gaslieferungen im Winter bekommt die Nutzung der Windkraft eine besondere Aufmerksamkeit. Schließlich ist das Windenergiepotenzial in der kalten Jahreszeit besonders hoch, ein Vorteil gegenüber der Solarenergie.

Ich gehe davon aus, dass viele Kleinwindanlagen statistisch nicht erfasst werden. Vor allem sehr kleine Windturbinen unter zwei Kilowatt Leistung. Die werden in der Regel als Batterielader, das heißt im Inselbetrieb, eingesetzt. Solche Anlagen muss ich nicht anmelden.

Nutzen den Herstellern die derzeit steigenden Stromkosten?

Ja, definitiv haben die teils krass angestiegenen Strompreise der Kleinwindkraftbranche genutzt. Denn die Stromgestehungskosten kleiner Windanlagen sind in der Regel deutlich höher als bei Photovoltaikanlagen. Vor allem im Binnenland fernab der windstarken Küstenregionen.

Welche Hindernisse gibt es und welche Bedingungen müssten sich schnell ändern?

Größtes Problem ist immer noch die Baugenehmigung. Es ist kein Einzelfall, dass eine Baugenehmigung über ein Jahr dauert oder abgelehnt wird, obwohl keine objektiven Gründe gegen die Kleinwindkraftanlage sprechen. Wenn die Nachbarn ­dafür sind, die Aufstellung der Kleinwindanlage in keinem Schutzgebiet erfolgt und es auch sonst keine triftigen Gründe gegen die Anlage gibt, sollten solche Projekte des lokalen Klimaschutzes durch Windenergie erlaubt werden.

Gibt es Bundesländer, die es besser machen – von denen die anderen Länder lernen könnten?

Niedersachsen hat in der jüngeren Vergangenheit eine erfreuliche Politik pro Kleinwindkraft durchgeführt. Im Außenbereich, das heißt in ländlichen Gebieten, als auch in Gewerbe- und Industriegebieten dürfen Kleinwindkraftanlagen bis 15 Meter Gesamthöhe verfahrensfrei installiert werden, ohne Baugenehmigung. Davon können sich andere Bundesländer eine Scheibe abschneiden.

Erhellend ist auch der Blick über den Tellerrand: In den USA hat man erkannt, dass Kleinwindkraftanlagen ein riesiges Potenzial haben. Nicht nur in den USA, sondern auch weltweit für den Export. Entsprechend wird die US-Branche in vielen Bereichen unterstützt. Hersteller kleiner Windkraftanlagen werden beispielsweise bei der technischen Erprobung neuer Windturbinen gefördert.

Kleinwind ist immer noch ein Nischenthema. Wer fragt die Anlagen nach?

Zum einen werden Kleinwindanlagen von Unternehmen nachgefragt, oft durch stromintensive Betriebe. Bei der Versorgung netzgekoppelter Gebäude ist vor allem die gewerbliche Kleinwindkraft sinnvoll. Auch bei den kleinen Windanlagen brauche ich oft eine gewisse Größe, um damit konkurrenzfähig Strom erzeugen zu können. Das heißt konkret: ein Windgenerator ab zehn Kilowatt Leistung mit einer Gesamthöhe von mindestens 25 Metern. Zum anderen ist auch das Interesse der privaten Hausbesitzer da. Man muss allerdings den Standort dafür haben: eine freie, windstarke Lage auf dem Land oder ein Grundstück am Siedlungsrand. Die windschwachen Standorte in Wohngebieten sind nicht geeignet. Dann wird die Miniwindanlage zum Hobby, mit Energiewende hat das weniger zu tun.

Wie werden kleine Windanlagen meist vertrieben?

Kleinwindkraftanlagen ab rund fünf Kilowatt werden in der Regel direkt vom Hersteller angeboten. Kleinere Windanlagen werden meistens online verkauft.

Bis zu welcher Leistungsgrenze definieren Sie Kleinwindkraft und werden auch diese kleinen Anlagen immer größer wie bei der Großwindkraft? Leitwind aus Italien bietet immerhin eine Anlage mit 250 Kilowatt an.

Entscheidend ist die Gesamthöhe, gleichbedeutend mit der höchsten Flügelspitze über dem Grund. Wenn die Gesamthöhe 50 Meter nicht überschritten wird, darf man im Prinzip die Windanlage auf das eigene Betriebsgelände oder Grundstück stellen. Die 250-Kilowatt-Maschine von Leitwind ist die wohl ertragsstärkste Kleinwindkraftanlage auf dem Markt. Das hat primär mit dem besonders großen Rotor zu tun. An einem windstarken Standort mit fünf Metern pro Sekunde mittlerer Windgeschwindigkeit produziert so eine Anlage nach Herstellerangaben mehr als 600.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Der Markt für Kleinwindanlagen ist nicht leicht zu durchschauen. Wie erkenne ich einen seriösen Anlagenbauer?

Generell sollte man nicht nur die Informationen des Herstellers oder dessen Vertriebspartners als Grundlage nehmen. Wichtig sind unabhängige Referenzen, dass die Windanlage dauerhaft gut funktioniert und zuverlässig Strom produziert. Auch während Sturmperioden, die Sicherheitssysteme müssen funktionieren. Ein wichtiger Tipp: Bevor ich mich mit einzelnen Kleinwindanlagen beschäftige, muss ich prüfen, ob ich einen windstarken Standort habe. Deshalb sollte man besonders aufpassen bei unseriösen Anbietern von Mikrowindanlagen. Die bewerben ihre Anlagen gezielt für die Dachmontage im windschwachen Wohngebiet.

Bei der Photovoltaik gibt es einen regelrechten Boom kleiner Balkonkraftwerke. Gibt es diesen Trend auch bei Kleinwindanlagen?

Eine Mikrowindanlage für den Anschluss an die Steckdose ist technisch im Prinzip möglich. Aber bei einer Windanlage ist immer das Thema Sicherheit wichtig. Bei einem Sturm oder wenn jemand den Stecker zieht, muss der Windgenerator automatisch gestoppt werden. Die Technik ist deshalb insgesamt aufwendiger. Auch gilt die vereinfachte Anmeldung beim Netzbetreiber nicht für kleine Windanlagen. Zudem habe ich direkt am Gebäude oder auf dem Balkon meistens starke Windturbulenzen, diese kann ein Rotor nur unzureichend in Strom wandeln. Insofern sind solche Balkonkraftwerke bei Kleinwind­anlagen fragwürdig.

Die Fragen stellte Niels Hendrik Petersen.

Kleinwind-Marktreport

Standardwerk der Branche in der siebten Auflage

Der aktualisierte Kleinwind-Marktreport ist das Standardwerk der Kleinwindbranche und bereits in der siebten Auflage erschienen. Er basiert auf einer umfangreichen Marktanalyse und beinhaltet nur erprobte Kleinwindanlagen – denn die Unterschiede bei der Qualität sind enorm.
Stark steigende Energiepreise und die Abhängigkeit von russischer Energie beflügeln den Wunsch zu mehr Selbstversorgung durch lokale Energieressourcen. Mit Kleinwind- und Photovoltaikanlage sowie Stromspeicher im System kann übers Jahr eine hohe Selbstversorgung erreicht werden. Kleinwindkraft ist dabei die Stromquelle für den Herbst und Winter.
Der Kleinwind-Marktreport von Patrick Jüttemann umfasst die ausführliche Beschreibung von 29 Herstellern und 66 Windgeneratoren. Die Leistung der Anlagen reicht von zwölf Watt bis 250 Kilowatt. Entsprechend vielfältig sind die Einsatzgebiete und Betreiber: von der Mikrowindanlage mit 100 Watt Leistung fürs Segelschiff bis zur 250-Kilowatt-Maschine fürs Großgewerbe. Die Marktübersicht mit 200 Seiten und über 100 Fotos wird in Form einer PDF-Datei angeboten.

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