Der Obsthof Vollmer in Oberkirch-Nußbach in Baden-Württemberg nutzt mit einer Agri-PV-Anlage seine Anbaufläche doppelt. Denn unter den Modulen kultiviert der Landwirt Äpfel und Birnen und erntet gleichzeitig Solarstrom. Die Anlage besteht aus zwei statischen und einem Trackersystem, das die Module dem Lauf der Sonne nachführt.
Insgesamt 880 Kilowatt Photovoltaikleistung sind auf der 1,5 Hektar großen Fläche installiert.
Doch die Module und das Obst unter ihnen brauchen die gleiche Ressource: Licht. „Die richtige Menge an Licht ist für die Gesundheit und Produktivität der Apfelbäume entscheidend“, weiß Maddalena Bruno, Projektleiterin am Fraunhofer ISE. „Zu wenig Licht bremst das Wachstum, zu viel kann zu Hitzestress und Sonnenbrand führen.“ Gerade im Zuge des Klimawandels, mit immer mehr Sonnenstunden, werde das Management des Lichtangebots zur Herausforderung.
Optimale Lichtverhältnisse schaffen
Deshalb hat sie mit ihrem Team einen Ansatz entwickelt, wie ein optimales Tracking der Solarmodule den Äpfeln genau die Lichtmenge zugesteht, dass diese einerseits gut wachsen und andererseits vor zu viel Sonne geschützt werden. Denn die bisherigen Ansätze gehen in der Regel von einer pauschalen Verschattung der Landwirtschaftsfläche aus. Doch das greift zu kurz: An einem bewölkten Tag bedeutet eine 25-prozentige Reduktion der Lichteinstrahlung etwas völlig anderes als an einem strahlenden Sommertag.
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Lichtbedarf für die Äpfel definiert
Die Forscherinnen und Forscher setzen daher nicht auf pauschale Verschattungsquoten, sondern auf exakt definierte Zielwerte für die sogenannte photosynthetisch aktive Strahlung (PAR). Diese Werte werden für jede Entwicklungsphase der Bäume individuell festgelegt – und täglich neu angesteuert. „Nur so können wir gewährleisten, dass die Pflanzen immer genau das Licht bekommen, das sie brauchen – unabhängig vom Wetter“, begründet Maddalen Bruno den Ansatz. „Unsere Software berechnet auf Basis von Wetterdaten und mikroklimatischen Messungen täglich im Voraus die optimale Modulposition“, erläutert sie. „Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen schalten wir nicht einfach nur zwischen Tracking an und aus – wir betreiben echte mathematische Optimierung.“
Wetterlagen simuliert
Dazu hat sie mit ihrem Team einen Algorithmus entwickelt, den sie auf der diesjährigen Agrivoltaics World Conference in Freiburg vorgestellt hat. Dieser richtet durch ein intelligentes Tracking die Solarmodule je nach Wetterprognose und Mikroklima optimal aus. Um dies zu erreichen, werden fünf typische Wetterlagen simuliert, die jeden Monat der Anbausaison auftreten können. Dadurch kann der Algorithmus auf jede Situation reagieren, ohne dass eine immense Rechenleistung erforderlich ist. Denn die tägliche Neuberechnung der Wetterdaten ist sehr rechenintensiv. „Wir prüfen jeden Tag die Wettervorhersage für den Folgetag und stellen die entsprechende Trackingstrategie ein“, erklärt Maddalena Bruno.
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Im Anschluss wird ausgewertet. Anhand von Monitoringsdaten, die die verbauten Sensoren kontinuierlich liefern, sehen die Forscherinnen und Forscher genau, wie die Verhältnisse bezüglich des Lichts, der Boden- und Blattfeuchte sowie der Temperatur auf der Fläche sind.
Algorithmus getestet
Um diesen Algorithmus zu testen und zu sehen, welche Auswirkungen er auf die Äpfel hat, wurde ein Teil der Trackeranlage entsprechend der Lichtanforderungen gesteuert. Ein zweiter Teil wurde so gesteuert wie bisher, sodass er optimale Solarerträge liefert. Verglichen wurden beide Ergebnisse mit den Verhältnissen auf einer Referenzfläche ohne Solaranlage.
Gute Ergebnisse erreicht
Die ersten Resultate sind vielversprechend. „Mit dem apfeloptimierten Tracking erreichen wir rund 90 Prozent des gewünschten Lichtwerts für die Bäume – bei einem maximalen Rückgang des Stromertrags von nur 20 Prozent“, sagt Maddalena Bruno. „Die klassische Backtrackingstrategie schafft dagegen nur etwa 50 Prozent des gewünschten Lichtwerts. Das zeigt, dass wir mit maßgeschneiderter Steuerung die Balance zwischen Agrarproduktion und Energiegewinnung deutlich verbessern können.“
Tracking an den Strommarkt anpassen
Im nächsten Schritt steht wieder der Solarstrom im Mittelpunkt. Denn der Algorithmus soll so angepasst werden, dass die Trackingstrategie auch auf dem Stromspotmarkt angepasst werden kann. „Eine maßgeschneiderte Trackingstrategie hilft zudem, die Vorgaben verschiedener Regulierungen zu erfüllen“, sagt Maddalena Bruno, unter anderem mit Blick auf die Abregelung von Solaranlagen bei Netzüberlastung.