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Totes Dorf am Rand der Grube

Kohle in Kraftwerken zu verfeuern, ist mehr als ein Anachronismus: Obwohl Sonnenstrom und Windkraft saubere und kostengünstigere Alternativen bieten, darf der Energiekonzern RWE weiter machen wie bisher. Er darf Fluren und Wälder in Wüste und die ganze Schwemmsandebene des Rheins in eine Mondlandschaft verwandeln.

Er darf weiterhin die Emissionen – Kohlendioxid, Feinstaub und Schwermetalle – in die Höhe schrauben wie die Rauchsäulen über den Meilern, die bis nach Grevenbroich mit dicken Schornsteinen gen Himmel stinken.

Die Bagger rollen, graben und dröhnen

Darüber sollte auch eine kurzfristige Delle der Emissionen aufgrund geringeren Energieverbrauchs durch die Coronakrise nicht hinwegtäuschen. Die Bagger rollen, graben und dröhnen, als gäbe es keine Klimakatastrophe, keine Erderwärmung, keine Dürren und drohenden Mangel an Wasser. Auch in diesem Sommer fiel der Rhein nahezu trocken, wenn auch nicht so stark wie 2018 und 2019.

Der Tagebau Hambach ist der größte in der Bundesrepublik. Und wie die Tagebaue in der Lausitz oder im sächsischen Revier südlich von Leipzig steht er für die längst überkommende Ära der Kohleverstromung. Er steht für einen Skandal, weil die Laufzeit der Kohlekraftwerke künstlich bis 2038 verlängert wurde – obwohl sich Deutschland schon 2030 komplett aus sauberen Energien mit Strom versorgen könnte – Millionen E-Autos und Wärmepumpen inbegriffen.

Mondkrater zerreißen die fruchtbare Ebene

Beim Besuch vor Ort fühlt man sich in die Mitte der 1970er Jahre zurückversetzt. Das Bild ist das gleiche wie in der Lausitz oder bei Leipzig: Eine gigantische Grube – ein Mondkrater – zerreißt die fruchtbare Ebene östlich des Rheins. Beinahe reicht sie bis zum Horizont. Die Wände dieses künstlichen Kraters fallen steil in die Tiefe – etliche hundert Meter tief.

Schrill quietschen die Abraumbagger, die sich von der Aussichtsplattform am Kraterrand wie Spielzeug ausnehmen. Aus der Ferne erscheinen sie filigran, doch es sind tonnenschwere Ungetüme aus Stahl, deren wuchtige Schaufeln sich durch die Erde wühlen, sie zermahlen und zerstäuben, bis die dunkelbraune Kohle sichtbar wird. Südwestlich wird der Tagebau von Hambacher Forst begrenzt, der sich als dünne grünblaue Linie auf dem gegenüberliegenden Rand abzeichnet.

1978 begann der Aufschluss

Seit 1978 wühlen hier die Bagger, 1984 wurde die erste Kohle gefördert. Bis die stählernen Kolosse ihre Motoren endgültig abstellen, werden sechzig Jahren Umweltzerstörung im größten denkbaren Stil vergangen sein.

Weil sich eine ganze Reihe ähnlicher Tagebaue in der Region befinden, ähnelt die Landschaft den Badlands in Süddakota: Tote Halden, tote Gruben, und am Rand der Krater tote Dörfer, deren Häuser erblindet sind und auf die finale Erlösung warten – die kleinen Bagger, um die Ruinen einzuebnen.

Manheim ist so ein Ort. Das mehr als 1.200 Jahre alte Dorf gehörte zu Kerpen im Rhein-Erft-Kreis, in dem wahrlich kaum ein Stein auf dem anderen bleibt. Bis 2022 soll das Dorf verschwinden, die Bewohner werden nach Manheim-Neu umgesiedelt, westlich von Kerpen gelegen.

Pripyiat am Rhein

Kein Mensch ist in der Ruinensiedlung unterwegs. Die Häuser sind leer, wirken, als wären sie gerade verlassen. Unwillkürlich ist man an die Bilder von Pripyat erinnert, der toten Stadt von Tschernobyl. Freilich, in der Atomtechnik sind die Schäden monströser, verheerender und nicht in Jahrhunderten zu heilen.

Dass die Kohle ähnliche Wunden reißt, wird in der Öffentlichkeit wenig diskutiert. Damit das Ruhrgebiet und die dicht besiedelten Regionen in Nordrhein-Westfalen mit Strom versorgt werden, wurde Stillschweigen vereinbart. Der Preis der Kohleverstromung: Gigantische Krater, Emissionen, Trockenheit, Entwurzelung von Generationen und Kahlschlag in einer alten Kulturlandschaft – all das ist kaum zu fassen. Nicht in Worten, nicht in Zahlen.

Den vollständigen Report lesen Sie auf dem Blog des Autors.

H.S. Eglund hat 2016 den Roman Zen Solar verfasst, der sich mit der Energiewende in Deutschland, mit den Problemen und Perspektiven von Tagebauen, Kohlekraftwerken und Atommeilern befasst. Nähere Informationen, Leseproben und Auszüge als Audiodateien finden Sie hier.