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Kurz vorm Abgrund

Die Tschechische Republik und Spanien haben kaum Gemeinsamkeiten. Zumindest was die Förderung der Photovoltaik angeht, sind aber beide Länder derzeit auf dem gleichen Stand. Es gibt in beiden Staaten keine Unterstützung für Solarstrom mehr. Zum Jahresbeginn hat die Regierung in Prag sämtliche Einspeisetarife für Solarstrom gestrichen.

Der Schock sitzt immer noch tief in der tschechischen Photovoltaikbranche. Veronika Knoblochová, Direktorin des tschechischen Photovoltaikverbandes (CZEPHO) sieht nicht nur die fehlende Unterstützung aus Prag als Hindernis für den Ausbau der Solarstromleistung im Land. „Das zentrale Problem für die Solarbranche ist zweifelsfrei die Streichung der Unterstützung in diesem Jahr, ohne sie durch ein neues Fördersystem zu ersetzen“, erklärt sie. „Dazu kommen aber noch die bürokratischen Hürden für den Bau von Solarkraftwerken.“

So müssen selbst Betreiber von kleinen Photovoltaikanlagen ein Gewerbe anmelden. Das gilt zwar auch in anderen europäischen Ländern. „Doch mit der Anmeldung des Gewerbes haben die Anlagenbetreiber nicht mehr das Recht, Arbeitslosenunterstützung zu bekommen, wenn sie ihren Job verlieren“, kritisiert Marek Lang von der Allianz für Energieautarkie (Alies). Die Branchenverbände wollen die Regierung jetzt überzeugen, dass die Photovoltaik in der Tschechischen Republik kurz vor dem Abgrund steht und ohne die Beseitigung der vielfältigen Hindernisse durch die Regierung kaum Überlebenschancen hat.

Entsetzt über die eigene Courage

In Prag war man nicht von Anfang an darauf aus, die Photovoltaik zu verhindern. Im Gegenteil: Im Jahr 2005 hatte die damalige Mitte-links-Regierung eine Einspeisevergütung eingeführt. Das System orientierte sich am deutschen Modell. Doch waren damals die Einspeisetarife so gering, dass sich kaum ein Investor fand, der sein Geld in eine Photovoltaikanlage stecken wollte. Ende 2006 waren gerade 800 Kilowatt Solarleistung installiert.

Das änderte sich in den darauffolgenden Jahren drastisch. Bis Ende 2008 bauten die Installateure in der Tschechischen Republik Anlagen mit einer Gesamtleistung von 64 Megawatt auf. Der Boom brach dann 2009 schlagartig los. Allein in diesem Jahr gingen etwa 400 Megawatt Solarstromleistung neu in Betrieb. Ein Jahr später knackte Tschechien die Gigawatt-Marke. Ende 2010 betrug die installierte Leistung 1.953 Megawatt.

Die sukzessive Steigerung der Einspeisetarife hatte Wirkung gezeigt. Zusätzlich konnten sich die Anlagenbetreiber entscheiden, ob sie eine Einspeisevergütung bekommen oder einen sogenannten grünen Bonus. Die Einspeisevergütung betrug 12 Kronen, 65 Heller pro Kilowattstunde. Das sind umgerechnet satte 45 Eurocent. Entscheidet sich der Betreiber für den grünen Bonus, kann er den Strom entweder selbst verbrauchen oder zum bestmöglichen Preis am Markt verkaufen. „Dies ist vor allem für kleinere Hersteller und für Firmen günstig, die für den Eigenverbrauch produzieren“, erklärt Petr Klímek von der tschechischen Agentur für erneuerbare Energien. Er vertritt heute den israelischen Hersteller von Leistungsoptimierern Solar Edge in Osteuropa und Skandinavien.

Mit dem grünen Bonus orientierte sich Prag am spanischen Fördersystem. Wie in Madrid waren auch die Politiker auf dem Hradschin – der Prager Burg – entsetzt darüber, dass die Bürger tatsächlich in Photovoltaikanlagen investieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die Unterstützung der Solarenergie fand daher ein jähes Ende mit der Übernahme des Umweltressorts durch Pavel Drobil von den konservativen Bürgerdemokraten.

Die neue Mitte-rechts-Regierung in Prag schaffte nicht nur rückwirkend die fünfjährige Steuerbefreiung für Solarstrom ab, sondern führte zudem noch eine Sondersteuer ein. Seither müssen die Betreiber auf die Gewinne aus dem Verkauf des Solarstroms 26 Prozent Steuern bezahlen. Zwar sollte diese Sondersteuer nur für drei Jahre gelten. Doch Ende 2013 hat die Regierung die Erhebung dieser Steuer auf unbestimmte Zeit verlängert. Dafür hat sie die Sondersteuer auf zehn Prozent gesenkt. Zusätzlich führte Prag auch eine Eigenverbrauchsabgabe ein.

Solarstrom im Kreuzfeuer

Nach dem Solarboom brach eine einzigartige Kampagne gegen die Betreiber der Photovoltaikanlagen im Land los. Sie mussten für die Erhöhung der Haushaltsstrompreise herhalten. „Für die Betreiber der bereits installierten Anlagen ist das größte Problem die kontinuierliche Hetzjagd durch die tschechische Regierung und die Medien“, kritisiert Marek Lang. „Das alles führt dazu, dass die Entwicklung der Photovoltaik in der Tschechischen Republik praktisch zusammengebrochen ist“, ergänzt Veronika Knoblochová.

Aufgrund dieser Widrigkeiten erwarten sowohl Knoblochová als auch Lang, dass in den kommenden beiden Jahren kaum weitere Anlagenleistung im Lande aufgebaut wird. Zumindest keine Anlagen, die ihren Strom ins Netz einspeisen. „Der Bau von großen Solaranlagen wurde derzeit komplett gestoppt“, sagt Knoblochová. „Es werden im begrenzten Umfang derzeit nur noch kleine Anlagen gebaut, deren Betreiber ihren Strom komplett selbst verbrauchen können. Die Entwicklung in den kommenden Jahren wird stark davon abhängen, ob und wie sich die Rahmenbedingungen verbessern.“

Große Verunsicherung

Damit bleibt für die Installateure nur noch der Bau von Eigenverbrauchsanlagen. „Wir haben ein riesiges Potenzial für die Photovoltaik auf Dächern von Wohnhäusern, Geschäftsgebäuden, Schulen und öffentlichen Gebäuden“, weiß Veronika Knoblochová. „Aber dafür brauchen wir angemessene Bedingungen, die für die künftigen Betreiber klar und sicher sind.“

Schließlich ist die Verunsicherung groß, nachdem die Regierung in Prag schon zwei Mal die Spielregeln rückwirkend geändert hat. Selbst wenn die Rahmenbedingungen jetzt verbessert werden, weiß niemand, ob die nächste Regierung wieder alles rückgängig macht.

Das macht es den Installateuren nicht einfach, die Anlagen zu verkaufen. „Die Installationsunternehmen wurden von den rückwirkenden Änderungen durch die Regierung und von der daraus resultierenden Unsicherheit für die zukünftige Entwicklung hart getroffen“, erklärt Knoblochová. „Aus unseren eigenen Untersuchungen wissen wir, dass viele Installateure ihr Geschäft aufgeben und andere Einkommensquellen suchen müssen. Natürlich wird das erheblichen Einfluss auf die Arbeitslosigkeit, das Steueraufkommen und nicht zuletzt auf die gesamte Wirtschaft haben“, warnt die Direktorin von CZEPHO.

Schließlich haben nicht nur die Haushalte, sondern auch die tschechischen Gewerbebetriebe mit – gemessen am Einkommen – hohen Strompreisen zu kämpfen. Durchschnittlich muss ein tschechischer Haushalt fast fünf Prozent des Einkommens für die Stromversorgung aufbringen. So viel wie in fast keinem anderen europäischen Land. Nur in Schweden, Kroatien, Rumänien und in der Slowakei ist der Anteil der Stromkosten an den Haushaltsausgaben ähnlich hoch oder höher. Die Gewerbestrompreise liegen auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland.

Eigenverbrauch als Chance

Das spricht für den Eigenverbrauch von Solarstrom. „Immerhin sind die Anlagen in den vergangenen Jahren preiswerter geworden. In der Tschechischen Republik ist Solarstrom inzwischen billiger als Strom aus dem Netz“, rechnet Veronika Knoblochová vor. „Allerdings wird niemand ohne politische Unterstützung und mit den hohen administrativen Hürden sowie den unnötigen Steuerbelastungen von Solarstrom in eine Photovoltaikanlage investieren“, sagt sie. „Wir versuchen jetzt, der Regierung zu erklären, dass der Abbau der administrativen Hürden für die Installation von Solarstromanlagen und die Einführung einer Art Net-Metering-System ausreicht, um die weitere Entwicklung der Photovoltaik voranzutreiben“, ergänzt Marek Lang von Alies. Ein solches Net-Metering würde den Kritikern des Solarstroms das Argument aus der Hand nehmen, er sei verantwortlich für die Steigerung der Strompreise oder für die Belastung des Staatshaushalts.

Der Augenblick ist günstig

Dass es weniger darum geht, die Betreiber von Photovoltaikanlagen mit hohen Geldsummen zu subventionieren, zeigt eine Berechnung der beiden Verbände. So sehen sie das Zubaupotenzial der Photovoltaik im Lande bei 80 Megawatt pro Jahr, wenn die administrativen Hürden abgebaut werden. Eine dieser administrativen Hürden ist vor allem das Problem, dass die Anlagenbetreiber zu Unternehmern werden.

Sollte die Regierung zumindest darauf verzichten, diese Regelung auch auf Betreiber von Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt anzuwenden, wäre für den tschechischen Photovoltaikmarkt schon viel getan. Sollte sich die Regierung dazu durchringen, die Photovoltaik mit der Einführung eines Net-Metering-Systems zu unterstützen, würde der Zubau auf 100 bis 110 Megawatt jährlich steigen. Eine finanzielle Unterstützung würde kaum noch weitere Steigerungen auslösen. Die beiden Branchenverbände gehen davon aus, dass bis 2020 nur zehn Megawatt mehr Solarstromleistung aufgebaut werden, wenn die Regierung wieder eine finanzielle Förderung einführt.

Atomkraft ad acta gelegt

Der Augenblick ist günstig, jetzt auf die Regierung einzuwirken. Die Energiepolitik steht derzeit auf dem Prüfstand. Das Energiegesetz soll geändert werden. Allerdings passt der Solarstrom nicht in das Prager Energiekonzept. Dieses baut auf „heimische“ Energieträger wie Braun- und Steinkohle. Satte 60 Prozent Kohlestrom fließen durch die tschechischen Netze. Die zweite große Energiequelle ist die Kernkraft mit einem Anteil von 33 Prozent an der Stromerzeugung.

Prag ist aber unter Druck. Das Land war bisher gemessen an der eigenen Stromproduktion der fünftgrößte Stromexporteur der Welt. Immerhin 20 Prozent des im Lande erzeugten Stroms fließen über die Grenzen in die Nachbarländer. Bis 2040 wird sich das aber grundlegend ändern. Die sinkenden Börsenstrompreise aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland oder Österreich machen die Kohle- und vor allem die Atommeiler in der Tschechischen Republik unrentabel.

Deshalb soll die Stromproduktion aus Kohle schrittweise reduziert werden. Die Pläne für den Neubau von zwei Atomkraftwerken hat Prag inzwischen zu den Akten gelegt. Die Ausschreibung für die zwei neuen AKW-Blöcke am Standort Temelín wurde vom halbstaatlichen Energiekonzern EZ zurückgezogen, nachdem die Regierung keine staatlich garantierten Strompreise zusagen wollte. „Der Übergang von Kohle zu alternativen Energiequellen sollte aber auf lange Sicht reibungslos verlaufen“, schreibt das Ministerium für Handel und Wirtschaft in seiner aktuellen energiepolitischen Konzeption.

Prag setzt auf Biomasse

Wenn es um Energiewende geht, setzt Prag hauptsächlich auf Biomasse, die unter anderem mit der Kohle zusammen verfeuert werden soll. Die Photovoltaik sieht das Ministerium erst nach 2025 als Alternative. Dabei soll aber kaum neue Leistung aufgebaut werden, sondern vor allem die bis dahin abgeschriebenen Kraftwerke ersetzt werden. Vor allem die großen Solarkraftwerke will Prag aus dem Stromnetz heraushalten. Es sollen Anlagen vor allem auf Dächern von Einfamilienhäusern und Industriegebäuden installiert werden. „Die tschechische Regierung braucht aber den Solarstrom, wenn sie die von der Europäischen Union an die Tschechische Republik gestellten Ziele des Ausbaus der erneuerbaren Energien erreichen will“, betont Marek Lang. „Aber bisher sieht es so aus, als ob die Regierung mehr auf die Lobby der großen Stromkonzerne hört, die quasi das Monopol haben und auf konventionelle Stromerzeugung setzen. Auch die großen Netzbetreiber stemmen sich gegen die dezentrale Stromproduktion.“

Neues Energiegesetz geplant

Das wollen sowohl Alies als auch CZEPHO mit allen Mitteln verhindern. „Wir sind in Verhandlungen mit der Regierung, um Einfluss auf die Änderung des Energiegesetzes zu nehmen“, sagt Veronika Knoblochová. Die Branchenverbände wollen vor allem, dass der derzeit administrativ extrem komplizierte Prozess des Anschlusses von Anlagen mit einer Leistung bis zu zehn Kilowatt vereinfacht wird. Das ist zwar im neuen Energiegesetz geplant. „Doch gleichzeitig sieht es vor, dass keine Anlage ihren Strom ins Netz einspeisen darf, was vor allem für Dachanlagen technisch sehr kompliziert ist“, kritisiert Knoblochová. „Wir haben mit unseren Vorschlägen an die Regierung auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Zumindest bei einigen Regierungsbeamten finden unsere Argumente inzwischen Gehör.“

http://www.czepho.cz

https://www.alies.cz/

WEEE-Richtlinie

Modulrecycling auf Tschechisch

Die Betreiber von Solarstromanlagen in der Tschechischen Republik werden von Prag geschröpft, wo es nur geht. Inzwischen sind jegliche Wirtschaftlichkeitsberechnungen dahin. Auch die Umsetzung der Europäischen Richtlinie zur Entsorgung von Altmodulen nimmt die Regierung zum Anlass, den Anlagenbetreibern noch einmal tief in die Tasche zu greifen. So müssen die Betreiber von Generatoren, die vor dem 1. Januar 2013 in Betrieb gegangen sind, finanziell für die Entsorgung der Altmodule selbst aufkommen. „Wir versuchen, noch Änderungen dieser gesetzlichen Regelung durchzusetzen, damit diese nicht so schmerzhaft für die Anlagenbetreiber wird“, betont Veronika Knoblochová vom tschechischen Photovoltaikverband CZEPHO. Die Branchenverbände in Prag haben sicherlich noch etwas Zeit, um das Problem für die Anlagenbetreiber aus der Welt zu schaffen. Doch für die Besitzer der Module bedeutet das eine weitere Unsicherheit. Schließlich wissen sie nicht, ob sich die Regierung darauf einlässt, dass auch diese Module von den Herstellern zurückgenommen werden müssen.

Immerhin sieht die Umsetzung der Regelung vor, dass Solarmodule, die nach dem 1. Januar 2013 in der Tschechischen Republik verkauft wurden, von den Herstellern oder Importeuren kostenlos zurückgenommen werden müssen. Um das auch nach 20 Jahren vermuteter Lebensdauer der Module finanziell sicherzustellen, müssen sie schon vorher ausreichend Mittel bereitstellen, die als Garantie für die zukünftige Entsorgung dienen. Das soll in Form eines von der Regierung benannten und gesperrten Kontos geschehen. Diese Mittel sind aber nur für diesen Zweck zu verwenden und stellen deshalb kein Betriebsvermögen des Herstellers oder Importeurs dar.

http://www.pv-cycle.com

Blick über den Tellerrand

Neue Märkte für deutsche Profis

In unserer Serie stellen wir interessante Photovoltaikmärkte in Europa vor. Kooperationen mit Partnern in den neuen Wachstumsmärkten bieten auch deutschen Herstellern, Planern und Installateuren eine lohnende Chance. Wir erläutern die Fallstricke und die Möglichkeiten, die sich für eine internationale Zusammenarbeit ergeben.

August 2014: GroßbritannienSeptember 2014: TschechienOktober 2014: UkraineNovember 2014: TürkeiDezember 2014: RusslandJanuar 2015: Frankreich, BeneluxFebruar 2015: Schweiz, Österreich, Ungarn

https://www.photovoltaik.eu/

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