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Transparenz

Rennen zum Netzanschluss

Besonders für größere Photovoltaikanlagen spielt die Reservierung von Einspeisekapazitäten eine große Rolle. In einer solchen Reservierung sichert der Netzbetreiber für einen festgelegten Zeitraum zu, dass die Photovoltaikanlage nach dem Anschluss den Strom an einem bestimmten Netzverknüpfungspunkt einspeisen darf.

Eine derartige Reservierung holen Investoren bereits im Planungsstadium der Photovoltaikanlage ein. Damit haben sie die Rechtssicherheit, dass ein Netzverknüpfungspunkt vor der Inbetriebnahme der eigenen Photovoltaikanlage nicht von einem anderen Anlagenbetreiber weggeschnappt werden kann. In einem solchen Falle könnten nämlich unvorhergesehene Kosten anfallen, wenn Leitungen zu einem anderen, weiter entfernt liegenden Netzverknüpfungspunkt gelegt werden müssen.

Zwei große Solarparks im Streit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich bei einem Urteil vom 21. März 2023 (Az.: XIII ZR 2/20) mit einem Streit zweier Anlagenbetreiber über die Reservierung eines Netzverknüpfungspunkts auseinanderzusetzen. Hintergrund war, dass zwei Investoren in unmittelbarer Nähe größere Freiflächenanlagen geplant hatten. Der nächstliegende Netzverknüpfungspunkt konnte jedoch nur den Strom aus einer der Anlagen aufnehmen.

Der Netzbetreiber teilte beiden Parteien mit, dass eine Reservierung von Netzkapazitäten auf der Grundlage gültiger Baugenehmigungen erfolgte. Einer der Investoren reichte im Mai 2012 eine Baugenehmigung ein, genauer gesagt die erste Seite einer Baugenehmigung.

Nur einer bekam den Zuschlag

Bei genauerem Hinsehen war erkennbar, dass sich die Baugenehmigung nicht auf die große Freiflächenanlage bezog, sondern auf eine benachbarte Fläche, wo eine deutlich kleinere Dachanlage geplant war. Der Netzbetreiber stellte dem Einspeisewilligen darauf eine Reservierung für die Freiflächenanlage aus. Im September darauf wurde die Anlage in Betrieb genommen und speiste den Strom an dem gewünschten Netzverknüpfungspunkt ein.

Darüber ärgerte sich der Investor der anderen Photovoltaikanlage. Denn er hatte seine Anlage bereits im Juli 2012 in Betrieb genommen und dann beim Netzbetreiber die Baugenehmigung eingereicht.

Der Netzbetreiber teilte diesem Investor mit, dass es nun leider zu spät für den gewünschten Netzverknüpfungspunkt sei, da er bereits reserviert worden sei. Stattdessen müsse der Investor einen anderen, weiter entfernt liegenden Netzverknüpfungspunkt nutzen und die Kosten für die zusätzliche Leitung selbst aufbringen.

Schadensersatz verlangt

Zum offenen Streit kam es, als der leer ausgehende Investor die Baugenehmigung in die Hände bekam, auf welche sich die Reservierung seines Konkurrenten stützte. Diese bezog sich nämlich gar nicht auf die Freiflächenanlage, für die letztendlich die Einspeisekapazität reserviert wurde.

Weil er sich durch einen Trick um den günstigen Netzverknüpfungspunkt gebracht sah, verlangte der Investor vom Netzbetreiber Schadensersatz für die Leitungskosten und den während der Bauzeit entgangenen Stromertrag. Er begründete dies damit, dass der Netzbetreiber ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Baugenehmigung, die der Reservierung zugrunde gelegt wurde, gar nicht die Freiflächenanlage des Konkurrenten betraf.

Netzbetreiber hat Pflichten verletzt

In ihrer Urteilsbegründung setzten sich die Richter des BGH eingehend mit den in der Praxis sehr relevanten Reservierungen für Netzkapazität auseinander. Zunächst stellten sie fest, dass zwischen dem Einspeisewilligen und dem zuständigen Netzbetreiber ein gesetzliches Schuldverhältnis besteht.

Dies bedeutet, dass – auch ohne dass die Parteien einen Vertrag geschlossen haben – zahlreiche für Verträge bestehenden Rechtsnormen aus dem BGB anwendbar sind. Unter anderem gilt dies für die Regelungen zum Schadensersatz.

Dass der Netzbetreiber im vorliegenden Fall seine Rechtspflicht verletzt und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht hat, hielt der Bundesgerichtshof zumindest für möglich. Die Pflichtverletzung des Netzbetreibers bestand jedoch nicht darin, dass er überhaupt Einspeisekapazitäten reservierte. Dies sei – obwohl es hierzu keine ausdrücklichen Regelungen im EEG gibt – zulässig. Denn solche Reservierungen sorgten für eine Planungssicherheit von zukünftigen Anlagenbetreibern, die dem Sinn und Zweck des EEG gerecht werde.

Reservierung mit klaren Kriterien

Das Problem sahen die Richter an einem anderen Punkt: Mit jeder Reservierung werden die Rechte desjenigen beschnitten, dessen Anlage früher in Betrieb genommen wird als die Anlage, für welche Einspeisekapazität reserviert wurde. Denn ohne die Reservierung wäre die zuerst in Betrieb genommenen Anlage an dem gewünschten Netzverknüpfungspunkt zum Zuge gekommen.

Der Netzbetreiber sei daher verpflichtet, ein „transparentes, diskriminierungs- und willkürfreies Verfahren“ für die Vergabe von Reservierungen durchzuführen. Insbesondere müsse er sich an seine eigenen Kriterien halten, welche er für eine Reservierung vorgibt.

Unterlagen nicht sorgfältig geprüft

Dies haben die Richter bei dem verklagten Netzbetreiber vermisst. Denn der habe die Reservierung von einer wirksamen Baugenehmigung abhängig gemacht.

Aus der ersten Seite der Baugenehmigung, welche dem Netzbetreiber im Mai 2012 vorgelegt wurde, ging nach Auffassung der Richter gerade nicht hervor, dass sich die Baugenehmigung auf die Freiflächenanlage bezogen hat. Der Netzbetreiber hätte folglich auf dieser Grundlage keine Reservierung vornehmen dürfen, sondern dem klagenden Anlagenbetreiber den Vortritt lassen müssen, der seine Photovoltaikanlage früher in Betrieb genommen hatte.

Verfahren transparent machen

Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs werden wichtige Fragen zur Reservierung von Einspeisekapazität rechtlich geklärt. Aus Sicht des Netzbetreibers ist geklärt, dass die Reservierung von Netzkapazitäten zulässig ist, wenn bestimmte Verfahrensgrundsätze beachtet werden.

Für Investoren dürfte insbesondere von Bedeutung sein, dass das Reservierungsverfahren transparent durchgeführt werden muss. Wenn Verfahrensgrundsätze verletzt werden oder der Netzbetreiber sich nicht an die eigenen Kriterien für die Vergabe von Reservierungen hält, können benachteiligte Anlagenbetreiber Schadensersatzansprüche durchsetzen.•

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

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