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Ertragsprognosen

Anspruch durch falsche Werte

Wer sich für eine Photovoltaikanlage interessiert, bekommt mitunter viele Dokumente überreicht: farbige Broschüren über Wechselrichter, Module und Unterkonstruktionen, dazu Datenblätter, Einspeisezusagen oder Projektskizzen. Es ist aber regelmäßig ein Dokument, das ganz besonders das Interesse des Investors weckt: die Ertragsprognose.

Manchmal heißt sie auch Wirtschaftlichkeitsberechnung oder – nach der verwendeten Software – PV-Sol-Prognose. Es geht immer darum, was die Solaranlage dem Kunden zukünftig an Ertrag oder Gewinn bringen wird, wenn er sich zum Kauf entscheidet. Welche Bereiche von der Prognose umfasst werden, ist unterschiedlich.

Das entscheidende Argument

Mitunter wird nur ein spezifischer Ertrag in Kilowattstunden je Kilowatt installierter Leistung prognostiziert. Weiter gehen Analysen, die unter Hinzuziehung der prognostizierten Kosten den Gewinn aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage berechnen. Umfassender sind Dokumente, die steuerliche Ersparnisse des Kunden einbeziehen.

Die Ertragsprognose ist regelmäßig ein entscheidendes Argument für den Erwerb der Anlage. Sie soll dem Interessenten klarmachen, dass ökologisches Denken und lukrative Geldanlage Hand in Hand gehen können. Entscheidet sich der Kunde für die Anlage, so wird er sich in den meisten Fällen freuen, dass die Prognose eintritt oder – gar nicht so selten – sogar übertroffen wird.

Fehler in den Berechnungen

Aber es gibt auch die anderen Fälle: Die Prognose erweist sich beim Betrieb der Photovoltaikanlage als überhöht. Der spezifische Ertrag fällt geringer aus oder der Gewinn erreicht nicht den berechneten Wert. Auch dies ist nicht in allen Fällen ein Problem.

Denn jeder weiß, dass eine Prognose eine Schätzung ist. Niemand kann vorhersagen, wie lange in Zukunft die Sonne scheinen wird. Mancher enttäuschte Kunde wird daher nach einem enttäuschenden Jahr durch überdurchschnittliche Erträge in den folgenden Jahren belohnt.

Aber immer wieder kommt es vor, dass die Prognose nicht erreicht wird, weil die zugrunde liegende Berechnung fehlerhaft ist. Die vorhergesagten Werte werden dauerhaft und auch bei der erwarteten Sonneneinstrahlung nicht erreicht.

Spätestens hier stellt sich beim Kunden und dann beim Solarfachbetrieb die Frage: Wie verbindlich ist eine Ertragsprognose? Oder anders gefragt: Welche Rechte hat der Kunde, wenn die Ertragsprognose überhöht ist? Zunächst müssen derartige Fälle von Konstellationen unterschieden werden, bei denen die Ertragsprognose zwar auch überhöht ist, der Grund hierfür jedoch nicht in der Ertragsprognose selbst liegt, sondern bei technischen Problemen der Anlage wie zum Beispiel fehlerhaften Modulen oder Wechselrichtern. In diesen Fällen können sich Kunden auf die Gewährleistungsrechte berufen, die ihnen einen Anspruch auf Nacherfüllung – also Beseitigung des Mangels – verschaffen.

Keine Defekte an den Komponenten

Wie aber ist die Lage, wenn die Anlage optimal läuft, aber dennoch die Werte verfehlt werden, weil die Prognose fehlerhaft erstellt wurde? Mancher Solarbetrieb zieht sich darauf zurück, dass die Prognose unverbindlich ist. Möglicherweise findet sich in den AGB des Betriebs der Hinweis, dass aus den Werten der Prognose keinerlei Ansprüche erwachsen.

Aber ganz so einfach ist es nicht. Die Ertragsprognose hat regelmäßig die Kaufentscheidung des Kunden erheblich beeinflusst. Hat der Solarbetrieb hier unsauber gearbeitet, steht der Kunde nicht schutzlos da.

Schadensersatz ist möglich

In der Rechtsprechung werden den Kunden bei fehlerhaften Ertragsprognosen in der Regel Schadensersatzansprüche zugebilligt. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Ansätze. Ein Teil der Gerichte sieht eine Ertragsprognose als Beschaffenheitsvereinbarung (zum Beispiel OLG München vom 11. Dezember 2014, 14 U 345/14). Wird aufgrund einer fehlerhaften Prognose ein überhöhter Ertrag in Aussicht gestellt, so hat die Photovoltaikanlage einen Fehler. Der Kläger kann auf dem Weg des Schadensersatzes so gestellt werden, als ob die Photovoltaikanlage der Prognose entsprechen würde.

Ein anderer Teil der Rechtsprechung sieht eine Ertragsprognose als vorvertragliche Beratung, über die ein eigenständiger, mündlicher Beratungsvertrag abgeschlossen wurde (zum Beispiel für Brennwerttherme: OLG Hamm vom 19. Dezember 2017, 21 U 112/16).

Ist die Prognose falsch und der Solarbetrieb hat dies zu verantworten, gibt es für den Kunden auch hier Schadensersatzansprüche. Der Kunde hat die Wahl, ob er die Rückgängigmachung des Vertrags verlangt oder am Vertrag festhält und zusätzlich Schadensersatz beansprucht. Für den Solarbetrieb sind beide Varianten schmerzhaft. Denn sie können dazu führen, dass das Solarprojekt sich im Nachhinein als unwirtschaftlich erweist. Viele Solarbetriebe fragen daher, wie sie sich vor der Haftung für Ertragsprognosen schützen können.

Als wenig hilfreich werden allgemeine Hinweise wie „Für die Richtigkeit der Prognose wird keine Haftung übernommen“ eingeschätzt. Hierbei wird es sich in aller Regel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handeln, in der jedoch nach den Vorschriften des BGB die Haftung nur in begrenztem Umfang eingeschränkt werden kann. Zu empfehlen ist daher, dass Solarbetriebe in ihren Vertragsbedingungen die Haftung nur innerhalb der zulässigen Grenzen reduzieren. Darüber hinausgehende Klauseln sind unwirksam.

Die wichtigste Maßnahme zum Schutz des Solarbetriebs gegen unerwünschte Spätfolgen der Ertragsprognose besteht darin, hohe Sorgfalt an die Ertragsprognose anzulegen. Da dieses Dokument für spätere Streitigkeiten eine wichtige Bedeutung haben kann, sollte ihm im Betriebsablauf entsprechende Beachtung geschenkt werden. Zum Beispiel, indem eine Prognose vor Herausgabe an den Kunden von einem anderen Mitarbeiter intern überprüft wird.

Hinweise zu Abweichungen

Hilfreich sind auch Hinweise in der Ertragsprognose, warum die zukünftige Realität von der Schätzung abweichen kann. Dabei sollte ausführlich und in einfachen Worten dargelegt werden, welche Faktoren für den Ertrag der Photovoltaikanlage ausschlaggebend sind und inwieweit diese Faktoren einem Prognoserisiko unterliegen.

Letztendlich sollte darauf geachtet werden, Daten mit entsprechender Vorsicht zu verwenden, die nicht vom Solarbetrieb selbst erhoben wurden, sondern vom Kunden stammen. Gibt der Kunde zum Beispiel die Neigung oder Ausrichtung seines Daches oder Daten zur Ermittlung seines Steuersatzes an den Solarbetrieb weiter, ist in der Prognose auf das hieraus resultierende Risiko hinzuweisen, wenn diese Daten ungeprüft übernommen werden.

Der Autor

Dr. Thomas Binder
ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei in Freiburg im Breisgau ist auf das EEG und Solarenergie spezialisiert. Seit 2004 berät er seine Klienten deutschlandweit zu allen Rechtsfragen rund um die Photovoltaik. Er kennt die technischen und betriebswirtschaftlichen Hintergründe einer Solarinvestition ebenso wie die Geschäftspraxis zwischen Netzbetreibern, Anlagenbetreibern und Photovoltaikfachfirmen.

Foto: Binder

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