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Solarenergie vom Dach

Um die Photovoltaik finanziell so attraktiv wie möglich zu machen, erkannte unter anderem Markus Real, „dass die Installation besser in den Bauprozess integriert werden muss und dass Komponenten entwickelt werden müssen, die von Bauunternehmern routinemäßig verwendet werden können“. Der deutsche Photovoltaikingenieur Joachim Benemann war mit Real einer Meinung. Seiner Ansicht nach lag das Hauptproblem der Aufdachanlagen darin, dass die Module nachträglich angebracht werden mussten. Zur Befestigung waren Gestelle notwendig, die zu einem doppelten Dach oder einer doppelten Fassade führten und viel Neuverkabelung erforderten. Um all dies zu verhindern, regte Bene mann dazu an, die Photovoltaik in die Gebäudefassaden beziehungsweise in die Dächer zu integrieren.

Einstieg über Reflektoren

Ursprünglich hatte Benemann für das deutsche Glasunternehmen Flachglas gearbeitet. Flachglas war in die Solarbranche mit der Produktion von Reflektoren für die solarthermische Anlage

von LUZ im kalifornischen Daggett eingestiegen. Zu Spitzenzeiten wuchs die Anlage jährlich um eine Kapazität von 80 Megawatt, während weltweit jährlich nur zwischen 20 und 30 Megawatt mit Photovoltaik erzeugt wurden. Das Photovoltaikgeschäft „sah aus wie Peanuts“ im Vergleich zum Geschäft mit Solarreflektoren, erinnerte sich Benemann. „Wir konzentrierten uns also auf das große Geschäft, die Solarthermie. Als wir jedoch sahen, dass die Nachfrage nach Solarreflektoren einbrach, dachten wir: Nun ja, die Photovoltaik könnte ein interessantes Geschäft für uns werden.“

Flachglas spürte indessen, dass es mit den großen Strom- und Ölkonzernen, die in den 90ern in der Photovoltaikbranche dominierten, nicht mithalten konnte. „Wir suchten nach einer Nische für uns“, so Benemann. „Wobei sind wir besser als der Rest?“ Schnell wurde deutlich, dass der Erfolg des Unternehmens vom Einstieg in die Architekturbranche abhing, wo Flachglas bereits die Erfahrung und die Kontakte hatte, die anderen

Photovoltaikunternehmen noch fehlten. Benemanns Unternehmen stellte ein allgemeines Konzept für ein Photovoltaik-Baupaket auf. „Die Idee war: Wenn Glas ein so fortschrittlicher und innovativer ästhetischer Baustoff ist, der viele spezielle Eigenschaften hat wie etwa das Reflektieren des Sonnenlichts, Wärmeisolierung sowie Lärmschutz und Schusssicherheit, warum sollte dann das an der Außenseite des Hauses verwendete Glas nicht auch zur Stromerzeugung eingesetzt werden? Wir beschlossen also, die Solarzellen in das Glas einzuarbeiten, und zwar auf eine optisch sehr ästhetische und ansprechende Weise, damit wir den Anforderungen der Architekten gerecht werden und das Interesse an dieser neuen Technologie steigern.“

Flachglas fand heraus, dass das firmeneigene transparente Harz, das man zum Zusammenkleben von Glasplatten für den Einsatz in Flughafenterminals und anliegenden Hotels verwendete, auch für die Einarbeitung von Solarzellen in Bauglas verwendet werden konnte. Durch den Einsatz erprobter Technik hatten Architekten die Gewissheit, dass das neue „Photovoltaikglas“ kein Prototyp war, sondern ein marktreifes Produkt. Wie herkömmliches Bauglas kann auch das gebäudeintegrierte Photovoltaikglas für fast jeden Einsatz kundengerecht angefertigt werden. Es ist bei Form und Größe äußerst flexibel. Die Einzelscheibe kann bis maximal 5,85 Quadratmeter groß sein und bietet Wärmeisolierung sowie Schutz vor Lärm und Wetter.

Einsatz in der Gebäudehülle

Der Einsatz der Photovoltaik in der Gebäudehülle führt bei der Berechnung der Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen zu grundlegenden Änderungen: Die alte Berechnung, bei der die Stromerzeugungskosten mit einbezogen werden, gilt nicht mehr. Stattdessen müssen die Kosten des Photovoltaik-Baumaterials mit dem Preis für andere Fassadenverkleidungen verglichen werden. Marmor und Granit zum Beispiel sind teurer, erzeugen jedoch nicht ein Watt Strom. Eine Photovoltaik-Gebäudehülle kann bis zu einem Drittel der Strommenge erzeugen, die in einem Bürogebäude verbraucht wird, beziehungsweise ausreichend Strom, um das gesamte Gebäudeinnere zu beleuchten.

Der Kauf einer Gebäudehülle, die dazu noch Strom generiert, zum gleichen oder einem niedrigeren Preis als herkömmliche Materialien, ist ein gutes Geschäft. Das gilt insbesondere für dicht bebaute städtische Gebiete, wo die meisten Geschäftsgebäude errichtet werden und wo „Strom in der Regel viel mehr kostet, weil die Schaffung neuer Kapazitäten kostspielig ist“, erklärte der in Manhattan ansässige Architekt Gregory Kiss. „Hier ist die Photovoltaik sehr wertvoll.“ Zudem besteht ein gutes Verhältnis zwischen der Verfügbarkeit von Solarenergie und dem Energiebedarf von Bürogebäuden. Der Hauptstromverbrauch findet zwischen neun und 17 Uhr statt, wenn sowohl die Mitarbeiter als auch die Sonne ihre Arbeit verrichten. Da Solarzellen im Glas mit beliebigem Abstand zueinander positioniert werden können, kann die Lichtdurchlässigkeit nach Wunsch variiert werden, wodurch weniger beleuchtet, klimatisiert beziehungsweise geheizt werden muss und somit Strom gespart wird.

Neben der Wirtschaftlichkeit spielen bei der Wahl der Gebäudehülle auch andere Faktoren eine Rolle. Mitunter geben das Erscheinungsbild und der Eindruck, den der Bauherr vermitteln will, den Ausschlag, und nicht so sehr der finanzielle Aspekt. Banken und Versicherungsgesellschaften etwa bevorzugen traditionell imposante Fassaden, die Stärke und Stabilität suggerieren. Inzwischen erkennen viele Unternehmen, dass es wirtschaftlich von Vorteil ist, als umweltbewusstes Unternehmen wahrgenommen zu werden, und eine Photovoltaikfassade zeigt deutlich, dass einem das Wohlergehen der Erde am Herzen liegt.

Die erste voll gebäudeintegrierte Photovoltaikfassade wurde 1991 installiert. Sie bedeckte die Südseite der Verwaltungsbüros eines Versorgungsunternehmens in der kleinen deutschen Stadt Aachen. Zur Überraschung des Unternehmens wurde das zukunftsweisende Gebäude zu einem Mekka für Architekten und Ingenieure. Es mussten zwei zusätzliche Ingenieure angestellt werden, um die Anfragen der Besucherscharen zu beantworten.

Nach dem Erfolg des Aachener Projekts unter Leitung von Benemann setzte sich Flachglas mit Nachdruck für gebäudeintegrierte Photovoltaik ein. Wohlwissend, dass Fremdheit die größte Hürde für den Erfolg einer neuen Technologie ist, was besonders auf die Baubranche mit ihren vielen unterschiedlichen Berufen zutrifft, bot das Unternehmen misstrauischen Architekten und Investoren einen Komplettservice an. Zögernden Interessenten, die bisher noch nicht mit Photovoltaik gearbeitet hatten, sagte man: „Bitte! Machen Sie sich keine Sorgen. Wir erledigen alles inklusive Planung und Engineering, und wir helfen Ihnen bei der Finanzierung und Versicherung.“ „Um sicherzustellen, dass alle Kunden zufrieden sind“, sagte Benemann, „bot Flachglas einen Wartungsvertrag, wie dies auch Aufzugsfirmen tun, in dessen Rahmen das System gewartet und instandgehalten wird.“

Zwar ist die Verwendung der Photovoltaik als Baustoff immer noch ein Nischenmarkt mit großem Potenzial, Alpha Reals Projekt Megawatt sorgte in den Industriestaaten jedoch für eine Revolution beim Einsatz der Photovoltaik. Photovoltaikexperten auf der ganzen Welt erfuhren von Reals Arbeit, als er 1990 und 1991 die Ergebnisse des Projekts Megawatt auf den beiden wichtigsten internationalen Konferenzen präsentierte und im Tagungsbericht veröffentlichte.

Ehrgeizige Initiativen

Wenige Jahre später gab es in Japan eine Aufdach-Initiative, die noch ehrgeiziger war als das, was von Real beziehungsweise SMUD mit dem Programm zur Ausbreitung von Photovoltaik in Wohngebieten unternommen worden war. Im Jahr 1994 waren in Japan dank großzügiger Subventionen bereits Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von drei Kilowatt auf 539 Dächern installiert worden. Als das Programm 2005 endete, waren knapp 400.000 Dächer mit Photovoltaik ausgestattet. 2002 war Japan weltweit führend in der Installation von netzgekoppelten Anlagen und der Herstellung von Solarzellen. Die mit Aufdachanlagen erreichte Leistung lag im ersten Jahr des Programms bei 1,6 Megawatt. Elf Jahre später war mehr als ein Gigawatt installiert worden. Die japanische Regierung unterstützte das Programm, denn sie war interessiert an Energiesicherheit sowie internationaler Dominanz in der Photovoltaikbranche.

Im Jahr 2004 jedoch übernahm Deutschland den ersten Platz bei Photovoltaikinstallationen. Der erste Platz steht nicht in Korrelation mit der Menge der Sonneneinstrahlung. Der Westen der USA zum Beispiel ist der doppelten Menge an Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Die Amerikaner haben jedoch, hauptsächlich in Kalifornien, nur rund ein Gigawatt installiert, während die Deutschen mehr als fünf Gigawatt installiert haben.

Das große deutsche Engagement liegt in der äußerst großzügigen Förderung von Photovoltaik begründet. Sie ist Teil eines Programms, das im Jahr 2000 startete und die Nation verpflichtete, „eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung im Interesse der Eindämmung der globalen Erwärmung zu fördern“. Der Konzentration auf einen wachsenden Solarzellenmarkt lag die Überzeugung der Regierung zugrunde, dass „die Nutzung der Sonnenstrahlung langfristig das größte Potenzial besitzt, eine Energieversorgung zu bieten, die sich nicht negativ auf das Klima auswirkt“.

Die Geschehnisse der 1980er Jahre bestimmten das deutsche Interesse an der Förderung sauberer Energie mit. Die Katastrophe von Tschernobyl war der Auslöser dafür, dass die Menschen einer Politik, die die Nation zu einer nuklearen Gesellschaft machen würde, die Unterstützung entzogen. Zusätzlich führte das Waldsterben durch sauren Regen, der von den Abgasen der Kohlekraftwerke verursacht wurde, zu einem Anwachsen der Basis für die Nutzung saubererer Energiequellen. Die frühe allgemeine Akzeptanz, die auch in konservativeren Kreisen der deutschen Gesellschaft verbreitet war, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu einem Klimawandel führt, stärkte den politischen Willen für einen Wandel bei der Energieerzeugung. In diesem politischen Klima wurde erneuerbare Energie zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema. Es dauerte jedoch ein Jahrzehnt, bis die Deutschen erfolgreich Solarzellen förderten.

1989 wurde in Deutschland das erste 1.000-Dächer-Programm beschlossen. Um Teilnehmer zu gewinnen, bot die Regierung die Übernahme von 70 Prozent der Kosten für die Solarmodule an. Die Teilnehmer meldeten sich zahlreicher als erwartet, und so wurden schließlich 2.500 Anlagen auf Wohndächern installiert. Das Programm endete abrupt im Jahr 1995. Mehrere Stadtwerke, denen an der Entwicklung der Photovoltaik gelegen war, starteten eigene Aufdach-Programme, um die nationale Photovoltaikbranche vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Auf der anderen Seite schlug Eurosolar, eine weit verbreitete soziokulturelle Bewegung zur Unterstützung der Solarenergie, im Jahr 1994 ein Aufdach-Programm vor, das die zehnfache Größe der anfänglichen Unternehmungen hatte. Im Jahr 1996 drängten deutsche Umweltaktivisten und der deutsche Bundesverband Solarwirtschaft die Bundesregierung dazu, diesem Ziel nachzugehen.

Als aus den Bundestagswahlen 1998 dann die Koalition aus SPD und Grünen als Sieger hervorging, kam es für die Photovoltaik in Deutschland zu einer grundlegenden Veränderung. Die Koalition griff den Vorschlag des Bundesverbandes Solarwirtschaft auf und startete 1999 das deutsche 100.000-Dächer-Programm – Deutschlands erster wahrer Schritt hin zu einem großen Photovoltaikmarkt. Die neue Regierung bot Interessenten Kredite zu niedrigen Zinsen und eine Vergütung für jede von ihren Anlagen ins Netz eingespeiste Kilowattstunde. Diese Vergütung basierte auf dem Einspeisegesetz von 1990. Die Regierung hoffte auf die Installation von 100.000 Photovoltaik-Aufdachanlagen mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt bis 2003. Die Resonanz fiel jedoch schwach aus.

Umdenken in Deutschland

Schon bald erkannte die Regierung den Grund für die fehlende Begeisterung: „Die Vergütungstarife des Gesetzes aus dem Jahr 1990 waren nicht ausreichend, um eine breite Markteinführung von Strom aus Photovoltaikanlagen zu stimulieren.“ Daher wurde im Folgejahr das Erneuerbare-Energien-Gesetz verabschiedet, um einen Wechsel von fossilen Brennstoffen und Nuklearenergie zu erneuerbaren Energien anzustoßen. Dieses großzügigere Angebot brachte das Aufdachprogramm in Gang: Mit der Verabschiedung des Gesetzes verdoppelte sich im Jahr 2000 und im Folgejahr die Anzahl installierter Photovoltaikanla gen. Zum Juni 2003 waren 300.000 Megawatt auf 100.000 Dächern installiert.

Um noch mehr Wachstum zu erhalten, setzte die deutsche Regierung ein Zeichen, indem sie 2004 jegliche Größenbeschränkung des Förderprogramms aufhob und die Einspeisevergütung für den Solarstrom der Verbraucher noch einmal erhöhte. Die Zahl der Anlagen stieg rasant an, und zwar von über 700 Megawatt bei Verabschiedung des Gesetzes auf 1.260 Megawatt im Jahr 2007.

Während es sich bei den meisten Installationen weiterhin um Aufdachanlagen handelt, sind auch viele Solarparks mit mehreren Megawatt auf Industriebrachen, ehemaligen Militärstützpunkten und Ackerland entstanden. Die Vergütungsgarantie über einen definierten Zeitraum hinweg hat auf dem Markt zu Stabilität und Berechenbarkeit geführt, was Grundvoraussetzung für ein florierendes Geschäft ist. Dies hat viele deutsche Unternehmen dazu bewogen, sich der Solarbranche zuzuwenden beziehungsweise innerhalb der Branche zu expandieren.

Andere Länder, darunter die Tschechische Republik, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan und Spanien, haben das deutsche Programm nachgeahmt. Der starke weltweite Anstieg bei der Installation von Solaranlagen während des letzten Jahrzehnts ist zu großen Teilen der deutschen Einspeisevergütung zu verdanken. 2001 wurde mit Photovoltaik weniger als ein halbes Gigawatt Leistung erreicht, Ende 2009 waren es weltweit bereits 15 Gigawatt – mit Deutschland an der Spitze.

Was die Regierung gibt, das nimmt sie wieder. Die Wahl einer konservativen Regierung in Deutschland Ende letzten Jahres war ein Schlag gegen die staatliche Unterstützung für den weltweit größten Nutzer der Photovoltaik. In der Folge könnte der größte Weltmarkt für Photovoltaik stark einknicken. Aber das ist nicht zwingend: Die Bank Sarasin beispielsweise erwartet, dass die Branche innerhalb des kommenden Jahrzehnts mehr als 150 Gigawatt installiert haben wird. Und alles begann mit dem Projekt Megawatt.

johnperlin@physics.ucsb.edu

Im nächsten Teil unserer Serie: Neue Fertigungsmethoden machen Solarzellen immer wettbewerbsfähiger.

John Perlin

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